Lionel Messi, Thomas Müller, Christiano Ronaldo – sind das etwa Helden im Fußball? Vielleicht auf dem Platz, aber echte Helden sind andere. Ich ziehe den Hut vor denen, die immer ihrem Verein die Treue halten, auch wenn ich das selbst vor Jahren nicht mehr konnte und mich neu orientiert habe. Aber echte Fußball-Helden sind doch die Fans, oder? Bin ich dann etwa kein Fan, weil ich dem Verein, mit dem ich aufwuchs, seit Jahren nicht mehr die Treue halten kann?
Fußball ist eine gesellschaftliche Veranstaltung, bei der 22 Leute auf dem Platz stehen. Leute deshalb, weil es eben nicht nur die Männer sind, die den Fußball ausmachen. Auch die Frauen spielen da eine sehr gute Rolle. Schauen wir doch mal zu den „Wölfinnen“ vom VfL Wolfsburg oder zur Nationalmannschaft. Das ist schon beeindruckend. Oder eben in Leipzig der FFV Leipzig, der unter schwierigsten Bedingungen eine gute sportliche Leistung abgibt. Aber darum soll es eigentlich nicht gehen.
Was ist ein Fan?
Nehmen wir uns einfach mal die Fans vor. Was sind richtige Fans? Sind es die, die mit ihrem Verein in jede Liga gehen? Also eben solche wie die Fans vom FC St. Pauli, die ihrem Verein wohl auch geschlossen in die 3. Liga folgen werden. Oder sind es Fans wie die vom 1. FC Lokomotive Leipzig, die eben in freiwilliger Samstagsarbeit immer wieder das marode, alte Bruno-Plache-Stadion auf Vordermann bringen und keinen Heller dafür sehen? Oder sind es gar die Fans, die dem vor knapp 6 Jahren neu gegründeten Verein Rasenballsport Leipzig trotz aller Anfeindungen und Gefahren der fanatischen Gegner-Fans die Treue halten? Sagen Sie es mir!
Zählt man nur dann zur Gattung „Fußball-Fan“, wenn man heulend die Mannschaft betrauert, die den Abstieg in die Bedeutungslosigkeit nicht mehr abwenden konnte? Und ist man nur dann Fan, wenn man mit der Struktur des gegnerischen Vereins nicht einverstanden ist und dies durch ekelhafte und abstoßende Aktionen kundtut? Oder ist man etwa auch Fan, wenn man bei Minusgraden im Block steht, beim Torjubel sein Bier verschüttet und heiser aber glücklich heim geht? Wodurch unterscheidet sich der Fan einer grünen Mannschaft von einem Fan einer gelben Mannschaft? Nehmen Sie von mir aus pink und rosa. Hauptsache, das Prinzip wird klar.
Ich denke, ein Fan ist jemand, der seiner Mannschaft die Treue hält. Und das ungeachtet der Bedingungen. Ob das nun ein Verein ist, der aufgrund seiner Geschichte unzählige Umbenennungen hinter sich hatte, mehrere Pleiten erlebte und gar eine Neugründung mitmachen musste. Oder ob das ein Verein ist, der seit vielen Jahren international wie national das Maß aller Dinge ist. Oder ob das ein Verein ist, der als Hassobjekt gilt und deshalb der Fan immer näher an die Mannschaft heran rückt. Wichtig ist doch, dass die Fans mit der Mannschaft mitfiebern, egal was die Gegner da erzählen. Hab ich Recht?
Aber was ist denn ein „echter“ Verein?
Ein Verein ist per Vereinsrecht eine gemeinnützige Organisation, die es Sport begeisterten Menschen ermöglicht, Zugang zu sportlichen Einrichtungen zu erhalten. Ich denke, damit darf dann ein Verein im Vereinsregister auftauchen. Also so etwas wie der VfB Stuttgart, wie der Hamburger SV, wie der MSV Duisburg oder der 1. FC Lokomotive Leipzig. Alles sind eingetragene Vereine, gekennzeichnet durch ein „e.V.“. So ist das auch bei Vereinen wie dem RB Leipzig.
Darüber hinaus haben etliche Fußball-Vereine ihre Profis in Kapitalgesellschaften ausgegliedert. Das ist bei Borussia Dortmund, bei Bayern München, bei Alemannia Aachen, dem 1. FC Lokomotive Leipzig und ebenfalls bei RB Leipzig der Fall. Die Kapitalgesellschaft kann profitabel arbeiten, ohne im Pleitefall den Mutterverein mit zu belasten. Der Mutterverein muss eben nur Haupteigentümer der Gesellschaft sein, also anders als beim VfL Wolfsburg oder Bayer Leverkusen oder der TSG Hoffenheim. Wohl aber bei RB Leipzig.
Nun kann man vielen Vereinen vorwerfen, sie wären ein reines Marketing-Produkt. Und eben nicht nur der „Dosentruppe“ aus Leipzig. Der Hauptunterschied ist ja das geringe Alter des Vereins. Aber ich habe es so oft gelesen, dass irgendwelche Startrechte von irgendwelchen Firmen bezahlt wurden und damit der gesponserte Verein höher spielen durfte. Das den Kickern aus Leipzig vorzuwerfen, ist recht scheinheilig.
Was ist nun also ein echter Verein? Was RB Leipzig von – sagen wir mal – dem FC Ingolstadt oder dem 1. FC Nürnberg oder der SG Eintracht Frankfurt unterscheidet, ist mir nicht wirklich klar. Ja, das Alter. Aber das hatten wir ja schon. Das zählt für mich nicht. 1928 vereinigten sich zum Beispiel die „Frankfurter Sportgemeinde Eintracht ( F.F.V.) von 1899 e. V.“ und die „Turn- und Fechtgemeinde Eintracht Frankfurt von 1861 e. V.“ zur SG Eintracht Frankfurt. Wie alt war der Club dann 1933? 5 Jahre, wie RB Leipzig jetzt.
Also: Mir ist nicht wirklich klar, was diese Debatte soll. Einen echten Verein, der nur der sportlichen Ertüchtigung wegen existiert, gibt es vielleicht im Breitensport, aber nicht im hochprofessionellen Fußball. Aber diese Diskussion ist eh endlos, was soll’s also? Aber besser, man hat Kapital, als dass man keins hat. Denn wie im Falle vom FC Sachsen Leipzig oder – in diesem Jahr – vom VFC Plauen kann auch ein Verein aufhören zu existieren, wenn das Geld fehlt.
Die echten Fußball-Helden
Ja, das klingt pathetisch. Aber es gibt sie. Die Fans von „Roter Stern Leipzig“, die unheimlich viel für Integration tun und bei denen der Fußball eine eher mitlaufende Rolle spielt. Die Fans vom 1. FC Lokomotive Leipzig, die ihr Stadion immer wieder selbst zusammen flicken müssen. Oder Fans von Borussia Neunkirchen, die ihrem Verein mit einer sehr spannenden Idee durch die Insolvenz helfen wollen. Oder die Fans des VfB Stuttgart, die in dieser ausweglosen Situation der ersten Mannschaft trotzdem das Stadion voll bekommen.
Aber ich zähle auch die RB Leipzig Fans dazu. Die sich bespucken lassen müssen. Die geschlagen und getreten wurden, weil sie den rot-weißen Schal mit dem Schriftzug von RB Leipzig trugen (so schrieben es die Medien). Die beim Auswärtsspiel beim 1. FC Union Berlin mit Buttersäure im Gästeblock zu tun hatten. Die als Nazis beschimpft werden. Die in Karlsruhe als Krankheit ähnlich der Pest bezeichnet wurden. Aber sie machen weiter und stehen zu ihren Kaisers, Coltortis, Poulsens und wie sie alle heißen. Ist das nicht auch eine Fankultur, dass man sich dann trotz dieser Gegenwehr von außen zum Verein bekennt?
Eigentlich sind die Fans von RB Leipzig nicht viel anders als die von Roter Stern Leipzig, die aufgrund der Besonderheit dieses Vereins schon mal ausgelacht werden, oder die vom FC St. Pauli, die wohl auch ein volles Millerntor in der 3. Liga fabrizieren. Das macht einen Fan doch zu einem echten Fußball-Helden. Oder sehe ich das falsch? Und im Schnitt 25000 Zuschauer pro Liga-Heimspiel ist nun auch nicht so schlecht.
Ich denke, ein echter Fußball-Held würde auch mit seiner Mannschaft zu einem Auswärtsspiel fahren, selbst wenn er den gegnerischen Verein nicht ausstehen kann. Man lässt doch als heißblütiger Fan seine Mannschaft nicht im Stich, oder? Was sind das denn für Fans, die denken, dass mit dem Daheim-Bleiben irgendwas erreicht wäre? Echte Fußball-Helden sind das in meinen Augen nicht.
Lange Rede, kurzer Sinn
Tradition hängt nicht mit einem Gründungsdatum zusammen. Und Fan kann jeder von allem möglichen werden. Dass es an der einen Ecke so völlig anders abläuft als an einer anderen Ecke, das ist nun einmal so. Aber unterm Strich geht es doch eigentlich um Fußball als Sport. Fans, die gegnerische Fans verletzen oder sonstwie gefährden oder es nicht einsehen, ihre eigene Mannschaft in der Fremde zu unterstützen, weil sie den Gegner nicht leiden können, das sind keine Fans. Das hat nichts mit Sport zu tun. Und Fans, die einem Verein das Existenzrecht absprechen wollen, weil sie die Konstellation nicht akzeptieren können, akzeptieren dann sicher auch nicht, dass das Fahren mit der Bahn kostenpflichtig ist.
Der echter Fußball-Held gibt in meinen Augen, was möglich ist, für seinen Verein. Ob es die Tränen beim Abstieg sind, die Volltrunkenheit beim Aufstieg, die Augenringe wegen einer langen Auswärtsfahrt oder ein dickes Fell wegen allgemeiner Abneigung. Aber er steht zu seinem Verein. Mich hatte aber der 1. FC Lokomotive Leipzig als VfB Leipzig zu lang veralbert, als dass ich über das Jahr 2003 hinaus einen Blick in den Leipziger Südosten verschwende. Und wenn ein Fan weg ist, kommt der nicht wieder, sondern orientiert sich neu. Auch das halte ich für legitim. Ist es das etwa nicht? Dann bitte erkläre man mir das mal.
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