Wer sich auch immer dachte, dass Deutschland als soziale Marktwirtschaft Privateigentum hochhält, der dürfte nun mittelmäßig geschockt sein. Denn nun heißt es irgendwie, dass es durchaus passieren kann, dass Wohneigentum enteignet wird. Da will wohl die Politik eingreifen, wenn ein Eigentümer sein Wohneigentum an Leute untervermietet, die ihm in den Kram passen, statt an Familien oder so. Da kann ja nun nicht gehen. Und gegen Leerstand muss man auch dringend vorgehen. In Leipzig gibt es da eine wunderbare Posse rund um „herrenlose Häuser“, in Stuttgart geht das noch ganz anders.
In Artikel 14, Absatz 2 des Grundgesetzes heißt es zu der Diskussion, die immer wieder aufkommt:
Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
Irgendwie wird das vielerorts unterschiedlich ausgelegt. So heißt es in Stuttgart vom dortigen Oberbürgermeister, dass Eigentümer bestraft werden sollen, wenn sie ihre Wohnungen grundlos ein halbes Jahr leer stehen lassen würden. Und es gibt viele im Stuttgarter Umfeld, die hier von Enteignungspolitik reden. Es heißt, dass in Stuttgart grundlos um die 3000 Wohnungen leer stehen würden und deshalb gehandelt werden müsse. Dumm nur, dass geschütztes Eigentum nun wohl nicht mehr so sehr geschützt sein soll. Das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung, wie ich finde. Und irgendwie finde ich, dass die Kritiker deutscher Politik, denen man gern einen Aluhut auf den Kopf gestülpt hatte, vielleicht doch Recht haben könnten.
Ich meine, wenn Wohnungen und Häuser für längere Zeit leer stehen, hat das mit Sicherheit meistens seinen Grund. Man will ja niemandem unterstellen, dass mit Mutwillen Wohnungen nicht vermietet werden oder so. Und deshalb gehe ich mit, wenn man da jetzt darauf reagiert und sagt, dass hier dem Bürger die Freiheit genommen werden soll, über sein Eigentum frei zu entscheiden.
Es ist etwas völlig anderes, ob Gebäude einen Eigentümer haben, der halt auf die richtige Gelegenheit wartet, in dem Gebäude irgendwas zu tun, oder ob kein Eigentümer ermittelt werden kann. In Leipzig gab es dazu eine Provinz-Posse um herrenlose Häuser. Gebäude, deren Eigentümer nicht bekannt waren, hat sich die Stadt unter den Nagel gerissen und vorschnell weiterverkauft. Und irgendwie wurden dann doch Eigentümer oder Erben ausfindig gemacht. Denen wurde dann Geld ausgezahlt, um die Erben zu entschädigen. Aber ich finde, das ist etwas anderes als in Stuttgart.
In Leipzig hat man irgendwie Gebäude für herrenlos erklärt, weil man keine Eigentümer fand. In Stuttgart will man Eigentümern, die man durchaus kennt, vorschreiben, was sie mit ihren Gebäuden und Wohnungen machen. Das geht ja irgendwie nicht. Das hat in meinen Augen nichts mit irgendwelchen sozialen Dingen zu tun. Hier werden einfach Leute enteignet, wenn das der Stuttgart Oberbürgermeister das wirklich so durchziehen sollte. Oder sehe ich da etwas falsch? Und wie gesagt: Diejenigen, die genau vor so etwas warnten, haben einen Aluhut verpasst bekommen und könnten im Nachhinein sogar Recht haben. Verrückt, oder?
Lieber zünde ich die Bude an, als sie irgendwelchen Provinzpolitikern zur Erfüllung ihrer Gutmenschenträume zu überlassen.
Hi Henning,
schweres Thema.
Ich hatte mal das Glück im Fach „Recht“ im Zuge meiner Ausbildung einen Richter des europäischen Gerichthofes als Lehrer zu haben. Der erklärte, daß dieses „Eigentum verpflichtet“ vielfältig angewandt werden kann.
So verpflichtet das Eigentum schon, wenn eine Hecke zu hoch gewachsen ist und man dadurch nicht mehr die Straße richtig sieht.
Wohnungen, die mit Absicht leer stehen, um z.B. die Miete nach oben zu treiben, verpflichtet ebenso. Bei solchen Miethaien habe ich kein Pardon.
Interessant ist ja auch Artikel 14, Absatz 3: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.“
Vor allem ist auch Artikel 16a dazu wichtig und im Kontext zu beachten: „(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.“
Sprich: Deutschland verpflichtet sich durch das eigene Grundgesetz dazu zu helfen. Und das ist auch gut so. Viele viele Menschen sind für diese Grundrechte gestorben, die wir heute haben. Und ein Großteil der Welt beneidet uns um diese Rechte. Das dadurch auch Pflichten entstehen, gehört eben dazu.
Wen sowas betreffen würde, dem tut es auch nicht weh – schliesslich verzichtet er auf eine Stuttgarter Miete.