Kurt Masur: Ein legendärer Name, mit dem klassische Musik in Leipzig untrennbar verbunden ist. Der Dirigent mit politischem Hauch ist tot. Er starb in Greenwich, Connecticut im Alter von 88 Jahren. Es gab wenige Dirigenten, die derart politisch waren und auch mal unbequem wurden. So einer war der gebürtige Niederschlesier. Der Revoluzzer unter den Konzertmeistern hat nun seine Ruhe gefunden.
Der gelernte Elektriker aus dem polnischen Brzeg (Brieg, Niederschlesien) trat erst in die Fußstapfen seines Vaters, der ein Elektrofachgeschäft führte. Zur Musik kam er über das Klavierspiel seiner Schwester, und mit 10 Jahren spielte er Orgel in der Kirche seiner Heimatstadt. Mit 15 Jahren ging er an die Landesmusikschule Breslau. Aber mit 16 Jahren bekam er die Diagnose, dass er seinen kleinen Finger der rechten Hand nicht mehr strecken könne. Damit war es ausgeschlossen, dass er Konzertpianist werden kann.
Nach einem Fallschirmjäger-Dienst studierte er Klavier, Komposition und Orchesterleitung in Leipzig, brach allerdings ab. Von 1948 bis 1951 war er Kapellmeister am Landestheater Halle, danach an den Städtischen Bühnen Erfurt und danach an den Städtischen Theatern Leipzig. Es folgte die Dresdner Philharmonie, das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin, die Komische Oper Berlin und viele ausländische Stationen.
Und dann kam 1970 die legendäre Zeit von nahezu 30 Jahren als Gewandhauskapellmeister am Gewandhaus zu Leipzig. Wie kein anderer prägte er den Musik-Standort Leipzig. Er wirkte maßgeblich am Neubau des Konzerthauses mit. Und zu Zeiten der Friedlichen Revolution war er einer der Wortführer. Mit seiner Bekanntheit versammelte er viele Bürger. Ich bin mit dem Namen Kurt Masur groß geworden. Als er 1997 Leipzig verließ, war das schon erschreckend, obwohl ich nie der Klassik-Fan war.
Er war unbewusst stets ein hoch politischer Mensch, was sich nicht nur an seinem Engagement bei der Friedlichen Revolution zeigte. Auch der Neubau des Gewandhauses war ein Politikum. Und er war eine zentrale Person am Leipziger Musikhimmel. Ich vermute, er wird der Musikwelt sehr fehlen, auch wenn er seit 3 Jahren mit Parkinson zu kämpfen hatte.
Kurt Masur war nie einfach für die regierende Gilde. Aber er war für die Leipziger und die weltweiten Musikliebhaber eine Lichtgestalt sonders gleichen. Und damit hatte er sich bereits zu Lebzeiten ein Denkmal gesetzt. Mach’s gut, Maestro, du hast die Welt begeistert und warst engagiert.
Wer über Kurt Masur schreibt, der sollte auch über sein ambivalentes gesellschaftspolitische Leben informiert sein. Da gibt es bis heute viel Verschwiegenes, das 2018 unter Yumpu im eBook „Kurt Masur entzaubert“ veröffentlicht wurde. Seit 2019 dazu auch die neue erweiterte Auflage der Broschüre „Kurt Masur entzaubert – Beitrag zur Leipziger Musikgeschichte“ (Roland Mey, Leipzig 2019), die in der DNB eingesehen und gegenwärtig in Buchhandlungen der Leipziger Innenstadt zum Kauf angeboten wird.
Auf 40 Seiten A5 wird informiert über „Reiseberichte über Mitarbeiter … geliefert“, Kandidatur der „Nationalen (SED-)Front, „Ehrenwache“ am Leichnam des Leipziger SED-Bezirksdiktators, Dankesbrief an den SED-Diktator Erich Honecker nach dessen Abdankung (18.10.89) u. a. m.
Wie lange noch verschweigen quasi alle Masur-Biografen und -Artikelschreiber diese Fakten?
Nachtrag:
Hier der Link zum ebook „Kurt Masur entzaubert“, das auch im DNB-Katalog geöffnet werden kann. Dort funktionieren dann alle textinternen Links.
https:// www . yumpu . com/de/document/view/62953208/kurt-masur-entzaubert-2-erweiterte-auflage
(Hinweis Redaktion: Link verfremdet)