1214 Meter: Das ist die offizielle Höhe des Fichtelbergs im Erzgebirge, dem höchsten Berg Sachsens. In seinem Schatten liegt das kleine Oberwiesenthal. Der Berg war die höchste Erhebung der ehemaligen DDR, aber nicht der höchste Berg des Erzgebirges. Und uns verschlug es für ein paar Tage in diese für Leipziger Verhältnisse so völlig andere Welt. Im Schatten und Nebel von Keilberg und Fichtelberg verbrachten wir ein paar Tage im Erzgebirge, und ich erzähle einfach mal ein paar Takte dazu.
Seit 80 Jahren ist das 2000-Seelen-Nest Oberwiesenthal ein staatlich anerkannter Kurort. Und jeden Winter wird dieser von Unmengen an Wintersportlern heimgesucht. Wir waren dort, als die Saison noch nicht begonnen hatte. Von Leipzig aus fährt man dank der Autobahn A72, die halb fertig ist, nur 2 Stunden bis in die Kleinstadt, die sich entlang des Pöhlbachs und damit der deutsch-tschechischen Grenze im Silberland schlängelt. Mit anderen Worten: In kurzer Zeit ist man als Leipziger in der Situation, sich völlig auszuklinken.
Für das Gefühl des Großstädters ist Oberwiesenthal eine komplett andere Welt. Man merkt dem Städtchen durchaus seinen geteilten Charakter an. Die Ortsteile Oberwiesenthal, Unterwiesenthal und – nebst einigen Kleckerdörfern darum – nicht zuletzt auch Hammerunterwiesenthal sind deutlich voneinander getrennt. Und das kennt der Leipziger mal so überhaupt nicht, da in der Großstadt die Ortsteile mehr oder weniger nahtlos miteinander verwachsen sind.
Für Leipziger ungewohnt ist, dass zwischen den Ortsteilen lange, beschwerliche Fußmärsche angesagt sind. Und gerade im Herbst, wenn die Böden feucht und die Blätter braun sind, kann der offizielle Fußweg in die Innenstadt durchaus – sagen wir mal – interessant werden. Ohne geeignetes Schuhwerk ist der nebenstehende Weg nur schwer zu meistern. Er führt von einer kleinen Siedlung an der Fichtelberg-Bahn zu dem oben abgebildeten riesigen Schwibbogen. Die Plackerei lohnt sich aber, denn man erlangt einen großartigen Blick auf die Stadt. Ohne Stadtzentrum, denn das liegt noch höher.
Die Stadt verfügt über das, was man in Leipzig fast vollständig verdrängt hat: kleine Handwerksbetriebe mit angeschlossenem Verkaufsgeschäft. Natürlich wird dort die Tradition mit Räuchermännchen, Nussknackern, Schwibbögen und all das hoch gehalten. Aber man sieht eben auch die kleinen Läden, die den Kräuterschnaps der Region verkaufen oder sonstwas anbieten. Von so etwas lebt die Region. So erhält der Gast im Hotel eine „Gästekarte“ des Kurorts im Wert der Kurtaxe und erhält bei ausgewählten Anbietern in der Region Preisnachlässe. Ob es das Räuchermann-Museum oder die Schwibbogen-Manufaktur oder sonstwas ist. Region und Hotelbranche arbeiten hier zusammen.
Wir wohnten für unseren Kurzurlaub im Hotel „Alpina Lodge“ im Ortsteil Unterwiesenthal direkt an der Stadtteil-Feuerwehr. Merkwürdig ist, dass dort in dem Bereich so ziemlich jede Straße wie die Hauptstraße heißt, nämlich Annaberger Straße. Die Zimmer sind komfortabel, man hat einiges an Annehmlichkeiten, und wir hatten einen unverbauten Blick auf den Keilberg (Klinovec, höchster Berg des Erzgebirges). Das Personal war zu einem guten Teil tschechischer Herkunft, was kein Wunder ist, wenn unser südliches Nachbarland gerade eine Steinwurf entfernt ist. Im Zimmer war alles soweit funktionell und gut. Die Verpflegung war wie in der Mensa in der Uni, aber die Bar und Lounge war für unsere Begriffe sensationell gut. Alle Angestellten, mit denen wir zu tun hatten, waren freundlich und zuvorkommend. Wir können uns – bis auf ein paar kleine Fehlerchen – beim besten Willen nicht beschweren.
Allerdings war es sehr neblig dort im Silberland. Das war das Einzige, was ein wenig schade war. Und es war ziemlich nasskalt. Das Wetter sorgte dafür, dass der Nebel sich den ganzen Tag über hielt und die Temperaturen kaum über 4 Grad anstiegen. Klinovec und Fichtelberg waren meistens hinter dem Nebel verschwunden. Das machte aber nichts, da die Region rund um Oberwiesenthal genügend bot. Und damit meine ich nicht das Hotel von Skisprung-Star Jens Weisflog oder das Aquarium daneben. Nein, Oberwiesenthal und das darum liegende Silberland und das Sehmatal kann man bei diesem Wetter wunderbar im Trockenen genießen. Mit der Fichtelberg-Bahn, die wir natürlich auch erleben mussten.
Die Fichtelberg-Bahn gibt es schon ewig. Im 16. Jahrhundert wurde in der Region Silber gefunden und mit dem Abbau begonnen, weshalb die Region Silberland heißt. Dennoch hat es bis 1897 gedauert, bis die Schmalspurbahn eröffnet wurde. Sie führt vom Dorf Cranzahl durch das Sehmatal bis nach Oberwiesenthal. Sie überwindet auf den 17,4 Kilometern 239 Höhenmeter und kommt in dem beliebten Wintersportort bei 893 Metern an. Man fährt mit dem Zug quer durch den Wald. Von Neudorf aus bis zur Vierenstraße befindet sich die Strecke im Sehmatal, ab dem beliebten Ausgangspunkt für Wanderungen kommt es zur Maximalsteigung bis nach Kretscham-Rotensehma, anschließend überquert er die Wasserscheide zum Pöhlbach, bis er ab Niederschlag ins Pöhlbachtal fährt und sich an der tschechischen Grenze nach Oberwiesenthal entlang kämpft.
Der Zug überquert mehrfach die Bundesstraße B95 und kurvt quer durch den Kurort. Am Ende der Strecke fährt er über ein beeindruckendes Viadukt von der Siedlung an der Fichtelberg-Bahn bis zum Bahnhof Oberwiesenthal. Beeindruckend waren aber nicht nur die Bauwerke entlang der Strecke. Trotz dass es Herbst war, war der Wald sehenswert. Der steht komplett unter Naturschutz. Er wird bewirtschaftet und gepflegt. Es existiert eine Art Holzindustrie. Und im nebenstehenden Bahnhof Niederschlag ist man mitten in eben jenem Wald. Dazu gibt es ein kleines Dorf, das sich um die zwei Kilometer entfernt befindet und zur Gemeinde Bärenstein gehört.
In Cranzahl, wo die Fichtelberg-Bahn beginnt, gibt es nicht viel zu sehen. Nicht viel, ja. Aber ein sehr hübsches Räuchermann-Museum. In einer Art Einfamilienhaus – der „Alten Färberei“ – sind Räuchermänner aus dem Erzgebirge ausgestellt. Irgendwann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam der Brauch mit den „Raacherkarzeln“ und den „Raachermannln“ auf. Es könnte sein, dass das Alles mit dem Ausbreiten des Tabaks einher ging. Und so kommt es, dass diese netten Figuren in allerlei Formen, Farben und mit unterschiedlichsten Ausrüstungen (Bergleute, Jäger usw.) zu sehen sind.
Die originalen Räuchermänner werden bis heute in Handarbeit hergestellt und sind dementsprechend teuer. Das konnte man auch im dazu gehörigen Shop sehen. Aber Handarbeit ist nun einmal auch etwas besonderes, denken Sie nicht auch? Natürlich sind dort in dem Museum auch Nussknacker und Schwibbögen und jede Menge Figuren aus dem Erzgebirge ausgestellt. Der Eintritt kostet 2,50 Euro – mit oben genannter Gästekarte sind es 2,00 Euro. Man ist nach vielleicht einer Stunde fertig und ist mal für eine Weile in die Kunst des Schnitzens und Drechselns eingetaucht. Sehenswert ist die Ausstellung. Aber wohl auch nur, wenn man eh in der Gegend ist.
Das Stadtzentrum von Oberwiesenthal ist noch eine Erwähnung wert. Hoch oben findet man einen kleinen Marktplatz. Man schaut – genau – die Annaberger Straße herunter, und einem Stadtmenschen aus dem Flachland wird fast schwindelig. Um den Marktplatz gruppieren sich Hotels, Cafés, Fleischereien, Banken und auch die „Wiesenthaler Klöppelstub“, in der bis heute allerlei Textilien geklöppelt werden. Busverkehr findet dort statt, und eine Postlutsche soll dort auch einmal in der Woche fahren. Allerdings erfuhren wir, dass diese Attraktion auch aus finanziellen Gründen eingestellt worden sein kann. Beschaulich ist das Zentrum, und bis auf einen Händler für Skibedarf ist der Wintersport weit weg.
Zum Abschluss besuchten wir noch eine waschechte Baude in Oberwiesenthal. Oberhalb der ganzen Ressorts und Spas, die zum Wintersport in der Region gehören, ist in den bewaldeten Bergen immer wieder eine Baude zu sehen. Hoch oben, mit Blick auf das Luxushotel von Jens Weisflog sitzt man auf einer Veranda. Mancher würde wohl Loggia dazu sagen, aber egal. Und dort bekommt man eben das typische Essen der Bauern: Bauernfrühstück, Sülze, Bratkartoffeln und all das. Dazu schaut man – wenn kein Nebel ist – über das gesamte Silberland, ohne dass man auf den zugigen Fichtelberg hinauf kraxeln muss. Das war noch so ein Highlight aus der Region.
Eine Reise nach Oberwiesenthal lohnt sich in jedem Fall. Wahrscheinlich im Sommer oder im Winter mehr, als im Herbst. Dennoch haben wir auch im Oktober alles richtig gemacht, das kleine Städtchen im Erzgebirge zu besuchen. Vor allem auch, weil wir innerhalb von Minuten in der tschechischen Republik waren. Aber das ist dann eine zweite Geschichte zu diesem Kurzurlaub. Gelohnt haben sich die paar Tage allemal. Und das kann ich als Fazit feststellen. Und es ist am Ende völlig egal, ob jemand „arzgebirgisch“ oder deutsch mit tschechischem Einschlag spricht, wir haben viele freundliche Menschen erlebt. Das bleibt als Wohlfühl-Faktor ebenfalls bestehen.
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