Fahr mal vorbei an den ganzen Pennern nach Graceland in Memphis, Tennessee, denn dort ist die Welt in Ordnung. Paul Simon tat mal eine lange Reise. Auf dieser Reise war es eigentlich völlig egal, wohin sie führte. Hauptsache, sie führte weg von seiner gescheiterten Beziehung. Paul Simon hatte zum Lied die Melodie im Kopf, aber keinen Text. Und so sang er „Graceland, Memphis, Tennessee“, weil es passte. Später hat er es eben so gelassen.
Das Mississippi-Delta strahlt so wie der Metallkörper einer National Steel Gitarre. Er fährt den Highway entlang, flussabwärts. Es geht mitten durch das Kernland des Bürgerkriegs nach Graceland, zusammen mit armen Schluckern und Pilgern mit ihren Familien. Er fährt mit seinem Sohn aus erster Ehe. Und er denkt, dass sie in Graceland glücklich sein werden. Sie kam zurück, um ihm zu sagen, dass sie fort geht. Als ob er nicht bemerkt hätte, wie sie sich verändert hatte. Erst sagte sie, eine Liebe zu verlieren, ist wie ein Fenster im Herzen. Jeder sieht, woher der Wind weht. Ein Mädchen in New York City bezeichnet sich selbst als menschliches Trampolin. Und wenn er mal stolpert, weiß er, was sie damit meinte. Sie holpern nach Graceland, und er versteht die Sache mit der verlorenen Liebe und dem Fenster im Herzen. Er kann nicht sagen, warum, aber ein Teil von ihm will nach Graceland. Vielleicht sollte er jede Liebe und jede Trennung bis zum Schluss verteidigen. Vielleicht ist es ja richtig, dass sie in Graceland willkommen sind.
Der Weg ist das Ziel, oder? Nach der Trennung von Schauspielerin Carrie Fisher entstand dieses Lied. Auf dem Weg zum früheren Domizil von Elvis Presley reift die Erkenntnis mit dem menschlichen Trampolin und der Liebe. Ich finde, das ist eine ziemlich interessante Geschichte. Das Lied spielt mit Südstaaten-Feeling, mit Steel Guitars, mit dem anrüchigen Nennen der armen Schlucker. Und am Ende, wenn er in Graceland ankommt, ist ihm klar, dass er in seinem alten Leben nicht mehr willkommen war und dies vielleicht in dem Prachtbau in Memphis anders ist.
Es hätte jedes x-beliebige Kaff irgendwo auf der Welt sein können. Es wurde Graceland, weil Paul Simon eben dies als Lückenfüller anstelle von richtigem Text sang. Und so wurde ein Verlegenheitstext „Schallplatte des Jahres“ 1986. Die am niedrigsten platzierte Scheibe, die diesen Preis gewann, bis das 2009 sogar noch unterboten wurde. Ich halte „Graceland“ für ein richtig gutes Lied. Aber die Meinung kann ich ja exklusiv haben. Wer weiß das schon so genau?
Ja, ich finde den Song auch gut; besonders mag ich die Melodie. Aber Paul Simons’ Melodien sind ja immer gut gewesen. Kaum eine, die ich nicht mag. Und es gibt nicht viele Interpreten, die es schaffen, immer und immer wieder Gutes zu erschaffen.
Elvis’ selbst hat ja nichts erschaffen (weder Text noch Musik geschrieben), sondern interpretiert und arrangiert. – Eine eigene Kunst, Vorhandenes so zu gestalten, dass es meistens besser klingt als das Original.
Hallo Kurt,
damit hast du vollkommen Recht.