Ist es nicht paradox? Da plappert ein Blogger, der „irgendwas mit IT“ macht, davon, zurück zur Natur zu gehen. Aber der Digital Detox ist nicht abwegig. Einfach mal für sich selbst den Stecker ziehen. Wenn man sonst einfach mal so alle fünfe grade macht, spricht man von Entschleunigung. Will man mal der digitalen Welt einen Riegel vorschieben, heißt das Digital Detox. Die Frage ist: Stiehlt uns die Digitalisierung wertvolle Lebenszeit?
Zeitverschwender: Digitalisierung
„Ich muss nur noch kurz die Welt retten“ – Sie kennen das Lied von Tim Bendzko. Darin geht es ja unter anderem auch darum, dass man sich nicht einfach mal von Verpflichtungen lösen kann. Die paar Emails noch überprüfen, mal eben in die sozialen Netzwerke schauen, kurz die News im RSS Reader oder sonstwo lesen, dann ist aber Schluss. Wie schnell geht es, dass man da ein, zwei Stunden einfach so verplempert und die bessere Hälfte dann keine Lust auf eine gemeinsame Freizeitgestaltung mehr hat?
Wir machen uns offensichtlich immer mehr zu Abhängigen der digitalen Industrie. Der überwiegende Teil der Weltbevölkerung ist im Besitz eines Smartphones. Wie oft hat man es denn schon festgestellt, dass eben irgendwelche Dinge ein paar Minuten nach hinten geschoben wurden, weil irgendwas in den sozialen Netzwerken dieser Welt kurz zu lesen war? Ich meine, ich nehme mich da nicht aus. Ich mache das ganz genau so. Aber wie war das denn vor dieser Zeit? Und können wir nicht ein Stück weit dahin zurück?
Was spricht dagegen, jedes internetfähige Gerät bewusst weg zu legen und gar nicht anzurühren? Ich weiß, dass es da Leute gibt, die regelrecht an Entzugserscheinungen leiden werden. Sind wir denn wirklich so abhängig davon? Man abgesehen davon, dass wir uns mehr nach den sozialen Netzwerken richten, als dass wir uns selbst eine Meinung bilden. Aber es gibt genügend Leute, die die einfachsten Dinge sich nicht mehr zusammen reimen können.
Zum Entgiften in den Wald?
Es gibt nicht mehr viele Leute, die wissen, dass im Wald die Himmelrichtung einfach daran zu bestimmen ist, wo an den Bäumen das Moos stärker wächst. Denn dort ist Westen. Es gibt Berichte darüber, dass Leute orientierungslos umher geirrt sind, weil sie im Wald keinen Handyempfang hatten und demnach nicht „OK Google“ oder sonstwas sagen brauchten. Es ist offenbar immer wieder angesagt, dass man sich auch mal digital entgiften muss.
Ich mache das ja auch. Ich würde es nicht „Entgiften“ nennen. Aber ich mache meine Pausen, wenn ich das für angebracht sehe. Dann gibt es hier im Blog nichts, ich beteilige mich nicht an irgendwelchen Debatten in den sozialen Netzwerken, ich versuche dann selbst, weitgehend auf Geräte mit Internetanschluss zu verzichten. Nein, ich muss bestimmt nicht ständig online sein. Und deshalb brauche ich auch nicht solche Dinge wie eine SmartWatch oder diese ganzen Dinger, die man unter Internet of Things zusammenfasst.
Ich beschäftige mich mit diesen Gerätschaften. Denn es gehört irgendwie immer mehr zu meinem Blog und meinem Alltag dazu. Aber ich muss so etwas nicht besitzen. Und erst recht muss ich mich davon abhängig machen. So wie auch Facebook ganz sicher nicht mein Leben oder meine Meinung bestimmen wird. Ich kann noch ganz gut selbst die Sonne im Osten aufgehen sehen, ich brauche dazu keine „Sunrise App“, die mir den zeigt.
Und deshalb ist es für mich ein Schock gewesen, als ich etwas darüber las, dass es Menschen gibt, die Tierkostüme oder wallende Gewänder tragen, die mit Pfeil und Bogen ausgerüstet sind, die keine Namen sondern Begriffe tragen. Ja, es gibt in der Tat Reisen in Ferienlager für Erwachsene, um sich vom Digitalen zu entgiften. Das ist kein Spiel. Ich bin davon überzeugt, dass man sich digital vergiften kann, dass es eine Art digitale Sucht gibt. Und wie es bei jeder Sucht ist: Wer sie loswerden will, muss sich mit viel Willen entgiften.
Ziehen wir den Stecker
Das Internet, das Smartphone, all die netten Gerätschaften des Internet of Things stehlen uns wertvolle Lebenszeit. Wieso muss eine Email direkt beim Eintreffen gelesen werden? Emails sind niemals zeitkritisch, die können gern warten. Wieso nimmt man sich nicht einfach für solche Dinge eine feste Größe, in der sie Platz haben? Sprich: Die sozialen Netzwerke müssen nicht den ganzen Tag irgendwas auf dem Computerbildschirm oder Smartphone Display anzeigen. Man darf da gern sich feste Zeiten dafür hernehmen.
Bei uns Bloggern ist es doch auch so. Der Blog muss nicht den ganzen Tag offen sein. Es kann dedizierte Zeiten dafür geben, oder? So muss man sich dann auch nicht abhängig machen. Es geht alles auch anders. Wirklich. Es muss nicht passieren, dass man sich vorkommt, als hätte einen die digitale Welt verschlungen. Bevor das passiert, sodass man in den Wald ziehen muss, um zu entgiften, darf man gern selbst den Stecker ziehen. Finden Sie nicht auch?
Word.
Ich mach mittlerweile auch sehr viel weniger. Es nervt einfach.
Genau dazu habe ich mir im letzten Jahr auch Gedanken gemacht. Mein Nexus 5 endete in einer Bootloop und ich war ein paar Tage gezwungen ohne Smartphone zu sein. Ich machte mit Gedanken, ob ich „süchtig“ bin. Schwierig zu sagen, wann man süchtig ist. Ich stelle für mich fest, dass ich ein Smartphone intensiv nutze. Sucht sieht für mich anders aus.
Auch Nicht-Digitales kann uns „Lebenszeit stehlen“. Es ist aber auch einfach alles auf „das Neue“ zu schieben. Immer wenn wir feststellen, dass wir – egal mit was – Zeit verschwenden, sollten wir versuchen das wieder abzustellen.