Vor 35 Jahren waren Depeche Mode zu dritt wie heute. Und sie machten eine Art New Wave. Also irgendwie ganz andere Musik als heute. Und es funktionierte gut. Im Herbst 1982 kam mit „A broken Frame“ ein Album auf den Markt, das bis heute am meisten unterschätzt wird. Und es beginnt mit eben jenem „Leave in Silence“. Das Album gilt als Wendepunkt vom Pop hin zu düsteren Tönen. Mit der Phrase „A broken Frame“ wird das „Ende eines schönen Traums“ bezeichnet, und den verlässt der Protagonist gleich mit dieser Single.
I can’t stand this emotional violence
Ich habe es mir so oft gesagt. Aber dieses Mal denke ich, dass ich es ernst meine. Wir haben eine absolute Grenze erreicht. Nichts kann uns vor dem großen Fall retten. Wir haben unser natürliches Ende erreicht und die Illusion überdauert. Ich hasse es, in Situationen zu geraten, für die man diplomatische Verhältnisse braucht. Oder ich dachte, wir hätten eine Chance, oder ich könnte das stoppen, dann würde ich das Ganze aufhalten, sich wie ein Geschwür auszubreiten.
Wir sind das ganze Jahr im Kreis gelaufen. Wir taten dies und jenes und gelangten nirgendwo hin. Das wird das letzte Mal sein. Ich glaube, das sagte ich das letzte Mal schon. Wenn ich nur einen Zaubertrank hätte, eine magische Lotion, damit ich es aufhalten kann, dann würde ich es tun. Ich würde alle Räder in Bewegung setzen. Was kann ich sagen? Ich möchte nichts mehr vorspielen. Was kann ich sagen? Ich gehe jetzt zur Tür. Und ich kann diese emotionale Gewalt nicht ertragen. Ich gehe schweigend.
Martin Gore mit ersten Versuchen
Bei Mastermind Martin Gore, der mit dem Album „A broken Frame“ überhaupt erst in die Rolle gerutscht ist, nachdem Gründer Vince Clarke ausgestiegen war, liegen oft genug Genie und Wahnsinn nah beieinander. Eigentlich ist „Leave in Silence“ ein Lied, das sich anhört, als hätte sich ein Paar getrennt. Da aber Alben von Depeche Mode immer Gesamtkunstwerke sind, könnte man auch anderes hinein interpretieren. „Das Ende eines schönen Traums“ konnte auch der Ausstieg von Vince Clarke sein.
Das Problem war der enorme Erfolg durch das erste Album. Damit kam Clarke nicht mehr zurecht, außerdem wurde er auch mit den damals neuen Ideen der Band nicht warm, sodass es Streit gab und immer vermittelt werden musste. So könnte Martin Gore versucht haben, die Trennung aus Sicht von Vince Clarke zu beschreiben. Wer weiß, bei Martin Gore kann man sich da nie so sicher sein, obwohl auf „A broken Frame“ seine ersten Versuche zu hören sind.
Die Keimzelle des Welterfolgs
Man kann nun nicht sagen, dass „Leave in Silence sonderlich erfolgreich war. Überhaupt war auch das Album nicht der große Gassenhauer. Und es gibt genügend Fans der Band, die mit diesem Album ihre Schwierigkeiten haben. Aber wenn das Album und speziell diese Single als Verarbeitung der Trennung von Vince Clarke dient, dann müssen wir auch sagen, dass ohne dieses Album der Welterfolg der Band nicht möglich gewesen wäre.
So nichtssagend und sparsam, wie das Lied instrumentiert ist, so zentral gehört es in die Diskografie der Band. Es ist das Album zwischen zwei Beziehungen: Die mit Vince Clarke wurde beendet, die mit Alan Wilder hatte noch nicht angefangen. Und wie das so ist, man lässt sich treiben. Und wenn man genug hat, geht man schweigend einfach weg.