Die „Ballad of the Streets“ ist eins der bekanntesten Lieder über den Nordirland-Konflikt. Weltweit wurde es als „Belfast Child“ bekannt, und es basiert auf dem irischen Folksong „She moved through the Fair“. Die schottische Band Simple Minds thematisierte das irische Trauma und machte sich mit dem Lied unsterblich. In Zeiten des Brexit wird auf einmal dieses Thema wieder akut. Und aus diesem Grund müssen wir mal über dieses Dokument der irischen Geschichte reden.
When the Belfast Child sings again
Als meine Liebe zu mir sagte: „Triff mich unten am Galgenbaum, denn ich muss dir eine traurige Nachricht überbringen über diese alte Stadt und all ihr Leid“. Manche sagen, dass reichlich Probleme vorhanden sind. Eines nahen Tages werden sie diese alte Stadt niederreißen. Eines Tages werden wir zurückkehren, wenn das Kind aus Belfast wieder singt.
Brüder und Schwestern, wo seid ihr jetzt, wenn ich nach euch in der Masse suche? Mein ganzes Leben hier habe ich mit Vertrauen in Gott, die Kirche und die Regierung verbracht. Aber da ist reichlich Traurigkeit vorhanden. Eines Tages werden sie diese alte Stadt vernichten. Eines Tages werden wir zurückkehren, wenn das Kind aus Belfast wieder singt.
Komm zurück, Billy. Willst du nicht nach Hause kommen? Komm zurück, Mary, du warst so lange fort. Die Straßen sind leer, und deine Mutter ist gestorben. Die Mädchen weinen, und es hat so lang gedauert. Und dein Vater ruft: Komm nach Hause! Wirst du nicht nach Hause kommen? Kommt zurück, Leute, ihr wart eine Weile weg. Und der Krieg wütet über die grüne Insel. Mann, das ist Fleisch und Blut! Alle Mädchen weinen, aber noch ist nicht alles verloren.
Die Straßen sind leer, und die Straßen sind kalt. Wirst du nicht nach Hause kommen? Die Straßen sind leer, und das Leben geht weiter. Eines Tages werden wir zurückkehren, wenn das Kind aus Belfast wieder singt.
Das große irische Trauma
Im englischen Sprachraum heißt der Nordirland-Konflikt einfach nur „The Troubles“. Irisch heißt der Konflikt „Na Trioblóidí“. 30 Jahre lang tobte ein Identitäts- und Machtkampf zweier Bevölkerungsgruppen nach der Unabhängigkeit Irlands 1920 mit der britischen Provinz Nordirland. Mit anderen Worten, es war der Kampf zwischen englisch- und schottischstämmigen Protestanten und irisch-nationalistischen Katholiken. Es ging den Protestanten, unter denen eben auch Unionisten gibt, auch darum, dass Irland wieder ein Teil Großbritanniens werden sollte.
Das Ganze machte sich auch im Straßenbild von Belfast, der Hauptstadt Nordirlands, bemerkbar. Bis heute gibt es die protestantisch-britischen und die katholisch-irischen Wohnviertel. Seit 1997 herrscht nun eine Art Waffenruhe, nachdem es auf beiden Seiten entsetzliche Opferzahlen gab. Menschen, die seit Ewigkeiten Seite an Seite gelebt, gewohnt und gearbeitet hatten, hatten sich viele Jahre lang bekämpft. Am 10. April 1998 – also vor ziemlich genau 20 Jahren – kam es zum Karfreitagsabkommen zwischen den Regierungen Irlands und Großbritanniens sowie Nordirlands und zum Quasi-Frieden.
Die Simple Minds nahmen immer wieder politische Themen zum Anlass, sich zu positionieren. Und dieses irische Trauma beschäftigte eben auch Schottland, was ja auch mehr oder weniger nur annektiert ist. Deshalb haben sich die schottischen Rocker auf das irische Kulturgut besonnen und den alten Folksong mit neuem Inhalt, aber eben auch mit Flöte, Bodhran und anderen irischen Elementen zum Leben erweckt. Und obwohl Jim Kerr das Lied unter den Eindrücken eines IRA-Anschlags in Enniskillen geschrieben hatte, bezieht er sich auf kein konkretes Ereignis.
Mir ist nicht gänzlich klar, wieso vom „Kind aus Belfast“ die Rede ist. Vielleicht ist das Kind das „kleine Pflänzchen Hoffnung“. Und wir können Jim Kerr mit seinen nordirischen Wurzeln eigentlich nur wünschen, dass die Hoffnung nicht umsonst ist und auch künftig das Kind aus Belfast singen wird.