Ja, es ist nun Zeit für die dritte Single aus dem OMD-Album „English Electric“. Während Drummer Malcolm Holmes weiter dem Weg der Besserung ist, machen die anderen 3 Briten durch diese bemerkenswerte 3. Single von sich Reden. Ich habe ja bereits das Lied vorgestellt, jetzt gibt es offizielle Dinge. Und es wird wieder eine Geschichte erzählt.
Er sitzt in einem Nachtcafé, wie die Leute in dem Gemälde von Hopper an einem ganz miesen Tag. Und er trinkt wie immer auf die Art, dass sie ihn auch hasst. Er sieht Leute kommen und gehen, und er wird nie wissen, wer sie sind. Es ist ihm nicht bewusst, was sie sagen, und es ist ihm auch egal.
Er sitzt in einem leeren Raum am mittleren Ende am Tag des Untergangs. Er träumt wie immer davon, wie es war, als er sie traf. Die Erinnerungen kommen und gehen wie die Schatten an der Treppe unten. Er ist ein Voyeur am hohen Fenster, der unbeobachtet zusieht, wie sie geht.
Er sitzt im Frühzug am Sonntagmorgen, und es regnet in Strömen. Und er stirbt wie immer mit Kopf und Herz von ihr voll. Gefühle kommen und gehen. Aber wann sie aufhören, weiß er nicht. Und es ist ihm nicht bekannt, was sie sagt. Es ist ihm sowieso völlig egal. Und so sitzt er in einem Nachtcafé.
Das ist ungefähr das, was Andy McCluskey in dem leicht melancholischen und verspielten Lied singt. Es ist wieder ein Thema, was zur düsteren Grundhaltung des Albums English Electric passt, nämlich dass die gute, alte Zeit vorbei ist und man nichts dagegen tun kann. Aber das Lied ist aus dem Standpunkt des überwundenen Trennungsschmerzes heraus geschrieben. Wieder einmal haben es die alten Herren geschafft, ein Thema leichtfüßig umzusetzen, das für viele andere Musiker nur mit schwermütigen Balladen umzusetzen ist.
Nach der Fast-Tod-Erfahrung von Malcolm Holmes gehen einige Beobachter davon aus, dass es niemanden verwundern sollte, wenn „Night Café“ die absolut letzte Single von OMD ist, die jemals erscheinen wird. Und vor diesem Hintergrund schaut man auf die Titelliste der Single und stellt fest: Wow, man bekommt unheimlich viel für sein Geld geboten. Neben geschlagenen 5 (!) verschiedenen Versionen von „Night Café“ fördert die Band noch 5 weitere Stücke zutage. Die Lieder sind bei den Studio-Aufnahmen übrig geblieben und wurden nun gemeinsam auf diese CD gebannt.
Geigerzähler erinnern an Tschernobyl, ein Walzer dramatisiert das Geschehen, melodischer Pop bündelt McCluskey und Humphreys wie sonst nie, die Frontlinie wird musikalisch beschrieben, und man findet eine Sound Collage. Bei einer derartigen Dichte und den genannten Gerüchten um die Zukunft von OMD kommt man wirklich ins Grübeln, was da nun kommt. Ich meine, mit „English Electric“ haben sich OMD durch die Düsterkeit, Dichte und Melancholie ein Denkmal gesetzt, weshalb die Möglichkeit durchaus besteht, dass hier der Schlussakkord erklingt.
Wir wollen mal hoffen, dass wir noch mehr von der Liverpooler Band hören werden, dass es eine Zeit nach „English Electric“ geben wird. Aber die Zeit geht weiter, und die Gesundheit muss mitspielen. Deshalb sollten Sie sich als mögliche Fans die Night Café EP bestellen, es könnte die letzte Single überhaupt von OMD sein.