Das Ding mit dem „Carpe Diem“

Wir schreiben überall, wo es passt, hin: „Carpe Diem“ – „Nutze den Tag“. Solche und ähnliche Weisheiten werden in großen Mengen in Poesie-Alben und in Gästebüchern von Bling-Bling-Communities hinterlassen – je kälter das Wetter, desto bunter. Und irgendwie ist das so eine Art Trostpflaster für trübes Regenwetter.

Der November ist doch irgendwie jedes Jahr ein gebrauchter Monat. Man denkt sich immer wieder, dass dieser Monat doch bitteschön in diesem Jahr nicht ganz so trübe sein möge. Und dann fällt diese frohe Hoffnung wieder dem Nebel zum Opfer. Und dann kommen so die Carpe-Diem-Durchhalteparolen um die Ecke. Nicht wahr?

Tja, der November ist so ziemlich das Melancholischste im Jahr. Bevor der Sturm auf Weihnachtsmärkte anfängt und man sich um Weihnachtseinkäufe prügelt, resümiert man über das Jahr. Da im abgestandenen Monat November aufgrund von Nebel und Nässe dafür viel Zeit bleibt, nutzt man also wenigstens dafür die Tage, Carpe Diem.

War es ein gutes Jahr? War es ein schlechtes Jahr? Man sammelt seine Gedanken und türmt die Erinnerungen wie wärmende Decken um sich aufeinander. Meistens kommt man zu dem Schluss: Nächstes Jahr wird alles besser. Und ziemlich genau ein Jahr später steht oder sitzt man an genau der gleichen Stelle und guckt in dem tristen Monat auf ein weiteres Jahr zurück, das nicht viel anders war als all die anderen.

Und dann bleibt man unweigerlich daran hängen, dass doch alles irgendwie mit dem Begriff „Alltag“ zusammenhängt. Also macht man ein Alltags-Carpe-Diem. Die meisten Tage im Jahr, also die Alltage, sind ziemlich genauestens durchgeplant. Alltags geht man seiner Arbeit nach, am Wochenende widmet man sich der Familie. Und von den 3 Wochen Sommerurlaub verspricht man sich mehr, als jemals passieren wird. So geht im Prinzip das Jahr dahin. Und plötzlich ist man im November gelandet.

Irgendwie sucht man ja eigentlich nach Gemütlichkeit. Dieses Kakao-mit-Marshmellows-Mollidecken-Gefühl, wenn draußen der November seine Nebelfratze gegen das Fenster drückt. Warum soll man sich das nicht einfach mal nehmen? Ist doch nichts dabei. Man soll sich ja etwas gönnen. Und so kann man auch den Tag nutzen, Carpe Diem!

Bald blinkert es in den Fenstern und Einkaufspassagen. Dann gibt es – wenn man Glück hat – auch Schnee. Und das Radio wird wieder den Last-Christmas-Gedächtnis-Marathon durchziehen wie jedes Jahr. Dann ist die November-Trübsal vorbei. Oder ist man dann auch noch melancholisch?

Ich disclaime mal noch ein wenig. Denn ich finde es wichtig, dass Sie wissen, dass mich die Eskapistin zu diesem Artikel inspiriert hat.

3 Replies to “Das Ding mit dem „Carpe Diem“”

  1. Pingback: Ulf. Mehr oder minder täglich Privatkram.
  2. Hi Henning,

    Carpe Diem lässt sich auch gut mit dem Wort „YOLO“ (You only live one) verbinden: Halt ihn fest, den Tag, denn er kommt nie wieder.
    Carpe Diem ist eins der schönsten Leitmotive die mir je im Leben begegnet sind.
    Und gerade jetzt in den grauen Wintermonaten braucht man solche Muntermacher-Artikel die einen dazu motivieren, die Freizeit wieder mit sinnvollen Dingen auszufüllen. Vielen lieben Dank dafür!

    LG

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