Wenn sich Licht bricht, kommt es zu einem optischen Phänomen, das man im Englischen und Französischen „Mirage“ nennt. Im weitesten Sinn ist es die Fata Morgana. Es ist eine Art Lichtspiegelung. Die Luft- und Lichtverhältnisse spielen uns dabei einen Streich. Karl May schrieb dazu im Zyklus „Satan und Ischariot“, dass eine Mirage durch zwei Luftschichten von unterschiedlicher Wärme und Dichtheit entsteht, und diese „malt ihre Gemälde in sehr verschiedener Weise“. Und schon sind wir ja irgendwie im Märchen. Und hier setzt mein neues Stück Musik an.
Eine wilde Idee
Ich weiß gar nicht mehr so richtig, wie ich auf „Mirage“ gekommen bin. Ich wollte irgendwie wieder etwas mystisches machen, so wie bei dem Stück in BandLab damals. Aber wenn wir mal ehrlich sind, geht rockige Musik eben nicht mit Computern. Also dann vielleicht irgendwas in Richtung Trance? Irgendwie auch nicht. Ich hatte so die wilde Idee, dass am Horizont irgendeine Gestalt aufwacht und dann so mit der Zeit anfängt, wie ein Derwisch zu tanzen. Und zum Ende legt sich die Gestalt wieder hin.
Jaja, lacht nur, das klingt alles viel zu bescheuert, als dass so etwas der rational denkende Uhle im Sinn haben könnte. Aber ich schwöre euch, genau so war das. Und wie setzt man so etwas um? Es sollte dann ja auch noch diese mystische Note haben. Und schon war ich irgendwie in der Welt der Märchen. Naja, und weil wir da einen Derwisch haben, sind wir bei den Märchen aus 1001 Nacht. Genau dort geht es ja auch um Wüsten. Und dort kann man gern mal eine Mirage beobachten. Und das war am Ende die Idee.
B-Moll oder B-flat minor
„Düster, dumpf, rau, aber edel“: So wird die Tonart B-Moll beschrieben. Zumindest beruft sich die Wikipedia auf Hector Berlioz, der das so beschrieben hatte. Und was mache ich daraus? Ich habe mit Arpeggios gespielt, einen gewaltigen Spannungsbogen gezogen und einfach mal drauflos eskaliert. Und ich habe es vermieden, den Grundton, den I-Akkord, die Auflösung wenigstens mal anzuspielen. Niemals wird dem Hörer der Boden gegeben. Das erzeugt noch zusätzlich Spannung.
Im Prinzip könnte man sagen, da nie der B-Moll Akkord erreicht wird, kommt es nie zu einem Finale. Und oben der Derwisch tanzt und tanzt und tanzt, bis er selbst zur Fata Morgana wird. Vor diesen Gedanken hatte es phänomenalen Spaß gemacht, das Stück „Mirage“ zu bauen. Das waren alles so Gedanken, die ich im Sinn hatte, während ich die Arpeggios feilte, mit Geschwindigkeiten spielte, Regler auf und zu schob und einfach kolossal viel in dem Stück veranstaltet hatte.
Aber was ist da nun so besonders?
Ehe ich mich versah, war „Mirage“ knapp 9 Minuten lang. Jetzt könnt ihr denken, was ihr wollt. Klar, bei jungen Musikhörern mit einem Kurzzeitgedächtnis wie ein Goldfisch müssen die Lieder kürzer als 3 Minuten sein. Das sieht man auch an aktuellen Spotify-Charts. Aber Stücke wie „Mirage“ sind eben mal nicht für die Charts gedacht. Und sie sind auch nicht für das Formatradio gedacht. Es sind einfach Stücke, die ihr Eigenleben haben müssen. Ich glaube, das Stück wird nie langweilig.
Inspiriert zu „Mirage“ wurde ich durch das monumentale Meisterwerk „Opus“ von Eric Prydz von vor ein paar Jahren. Wenn ihr das jetzt abspielt und danach unten mein Stück, werdet ihr feststellen: Joar, die Spielereien mit der Geschwindigkeit macht ja auch der Uhle. Aber sonst hat mein Stück nicht viel mit „Opus“ gemein. Aber seitdem ich das Ding vor ein paar Monaten zufällig gehört hatte, wollte ich sowas machen. Jetzt war es mal soweit.
Mirage – Ein musikalisches Märchen
„Opus“ wird gemeinhin als Soundtrack des Lebens bezeichnet: Es beginnt langsam mit wenigen Eindrücken und wird immer schneller und hektischer, bis man am Ende dann wieder immer langsamer wird und dann stirbt. Bei mir erwacht der Derwisch und tanzt um sein Leben, bis er sich am Ende wieder hinlegt. Nur ist dies eine traditionelle Meditation, um das Leben zu feiern. Feiert mit mir im Land von 1001 Nacht.