„Songs Of A Lost World“ – Lieder einer verlorenen Welt. Das Comeback-Album der Kapelle Robert Schmidt. Selten war die englische Band besser. Ich muss jetzt auch mal ein paar Worte zu dem Album verlieren. Es ist ja tatsächlich ein Album und keine Aneinanderreihung von x beliebigen Stücken, wie man es sonst so aktuell zu hören bekommt. Die 8 Lieder sind miteinander verwoben und werden umklammert vom ersten und letzten. Es ist der Soundtrack zur Gegenwart. Und ein atemberaubendes Stück Musik, das ihr zwingend als Tonträger haben müsst, nicht in irgendeinen Stream verbuddelt.
„Songs Of A Lost World“: Ein Statement
Ja, da hat die Band um Robert Smith mal anständig abgeliefert. 16 Jahre nach dem Totalausfall „4:13 Dream“ kommt das Album um die Ecke, das man am ehesten mit den Cure-Giganten „Pornography“, „Disintegration“ und „Bloodflowers“ verbindet. Niemand wollte sich ernsthaft vorstellen, dass a) „4:13 Dream“ tatsächlich das letzte Album der Band sein soll und b) die legendäre „Trilogy“ ernsthaft fortgesetzt wird. Und jetzt haben wir weitere Fragen.
„Bloodflowers“ war vielleicht gar nicht der dritte Teil, sondern es ist „Songs of a Lost World“? Oder ist es gar keine Trilogie? Macht Robert Smith etwa einen auf „Lukas-Film“, indem er noch eine zweite Trilogie baut? Jedenfalls ist „Songs of a Lost World“ exakt das Album, das man in dieser irren Zeit braucht, so wie die Welt damals „Disintegration“ gebraucht hat, wie die Welt am Ende der Punk-Ära „Pornography“ gebraucht hat, wie die GenX um die Jahrtausendwende „Bloodflowers“ gebraucht hat.
Die Texte dicht und kryptisch, die Stücke teils ewig lang, so kommt das Alles daher. Die Band, speziell Robert Smith, hat viele Jahre an dem Album gearbeitet. Es sollte schon 2019 kommen. Aber es fühlte sich für die Band noch nicht richtig an. Das Album wirkt ziemlich roh im Mix, es ist keine Hochglanz-Produktion. Genau so war das aber auch beabsichtigt. Gitarren, Drums und Keyboards und Co. hocken alle in ihrer eigenen Tasche, und die Stimme von Robert Smith klebt alles zusammen. Was für eine Scheibe!
Die A-Seite
Über „Alone“ wurde bereits viel erzählt. Auch ich habe meinen Senf dazu gegeben. Es folgt „And Nothing Is Forever“, eine traurige Nummer, die auch von „Bloodflowers“ stammen könnte. Robert Smith hat nie einen Hehl über sein Älterwerden gemacht. Sie soll versprechen, dass sie bis zum Ende da ist und sie zusammen sind. All das geht in die Richtung „The loudest sound“.
„A Fragile Thing“ ist die zweite Single aus dem Album. Die bluesige Nummer erzählt vom ganzen Schmerz über die Welt. Und er soll ihr vorsingen, dass ihre Liebe ein zerbrechliches Ding ist. Fette Disintegration-Vibes und so. „Es ist ein Elend, wie wir uns bekämpfen“, erzählt uns Robert Smith im „Warsong“ mit direkten Kiss-Me-Kiss-Me-Kiss-Me-Bezügen in den fetten Gitarren-Riffs. Was für eine böse Nummer!
Die B-Seite
„Fascination Street“ guckt um die Ecke, wenn wir dann „Drone:Nodrone“ hören. Die Blues-Nummer kotzt sich über eine Drohne aus, die eines Tages auf seinem Grundstück herumkurvte. „I Can Never Say Goodbye“ ist das Abschiedslied von Robert Smith an seinen plötzlich gestorbenen Bruder Richard. Statt nur über Tod und Verlust zu singen, erlebt das Robert Smith alles hautnah. Und exakt so klingt das Lied.
„All I Ever Am“ könnte aus „Pornography“ oder „Kiss Me Kiss Me Kiss Me“ stammen, nur mit dem erwachsenen Blick eines 65-jährigen. Robert Smith thematisiert seine eigene Vergänglichkeit und schafft die Rampe für das Grande Finale. Das heißt „Endsong“ und schließt musikalisch und thematisch den Kreis zu „Alone“. Er ist draußen im Dunkeln und fragt sich, wie er so alt werden konnte. Alles ist weg, er wird sich in der Zeit verlieren und allein ohne irgendwas zurückbleiben. Wow!
Eine verlorene Welt
„Songs Of A Lost World“ ist in jeglicher Hinsicht ein herausragendes Meisterwerk. Ich bin jedes Mal komplett fix und fertig, wenn ich dieses Album höre. Von der ersten Zeile „This is the end of every song that we sing“ bis hin zur letzten Zeile „Left alone with nothing“ ein phänomenales Stück Musik. Die ganzen 50 Minuten lang einmal das Ende der Welt oder der aktuelle Zustand der Welt und seiner Bewohner. Bezeichnend dafür das in die Kälte der Nacht hinaus geschobene „Nothing“ am Ende vom „Endsong“.
Sie mögen alte Herren sein. Und so mancher jammert herum, weil die Produktion so klingt, wie sie klingt. Aber wer „Songs Of A Lost World“ kennt, wird mir zustimmen: Wenn das Album eine Hochglanz-Produktion geworden wäre, wäre es lange, lange nicht so gut gewesen und hätte lange nicht diesen Eindruck hinterlassen. Bei mir verfehlt die Platte ihre Wirkung jedenfalls nicht, für mich rangiert sie auf Nummer 2 nach Disintegration. Und das heißt etwas, oder?