„Uncle Sam does the best he can“ – Ich glaube, die Zeiten sind nun vorbei, dass für die Welt Produkte und Dienstleistungen der USA gut sind. Ich sehe das gar nicht mal nur vor dem Hintergrund der Eskalation zwischen Selenski und Trump / Vance vor ein paar Tagen. Ich denke, wir müssen uns endgültig klarmachen, dass es mehr und mehr ohne „The arms of America“ gehen muss. Und ich hoffe, dass sich Europa nicht so vorkommt wie das kleine Kind, das ins Wasser geschmissen wird. Aber ich habe Zweifel.
Viel zu viel Uncle Sam
Nein, ich meine nicht die Marke. Die ist ja vor allem nicht mal etwas amerikanisches, sondern witzigerweise eine deutsche Marke von ROOOOOOOOOOOOOOOOOOOBEEEEEEERRRRT. Nein, Uncle Sam ist eine Werbefigur, mit der für alles mögliche in den USA geworben wird. Die kennt ihr alle, denke ich. Mit der Zeit wurde der Begriff „Uncle Sam“ auch immer mal sarkastisch verwendet. Denn es ist nun einmal so, dass viel zu viel US-Produkte und -Dienstleistungen hierzulande selbstverständlich sind.
Und das kann man ja reduzieren. Bei ein paar Sachen geht das nicht so ohne weiteres. Aber ganz Europa darf sich gern von den USA abnabeln, nachdem sie das so gern wollen, seitdem Trump mit seinem Gefolge dort sein Unwesen treibt. Und nachdem sich die USA jahrzehntelang als Weltpolizei hingestellt haben, finden sie das jetzt ungerecht und lassen nun nach und nach alle Welt hängen. Das ist eben auch mit „Uncle Sam does the best he can“ gemeint.
Nein, die Welt muss sich abnabeln. Es spricht nicht viel dafür, US-Dinge als einzige Möglichkeit anzusehen, wenn es Alternativen in Europa gibt. Wie gesagt: Das ist nicht in jedem Fall und für jeden einfach so möglich, das ist mir schon klar. Aber es spricht nichts dagegen, sich zumindest mit europäischen Alternativen zu beschäftigen. Und davon gibt es einige. Wie gesagt, man muss sich abnabeln. Dann machen wir es doch mal konkret.
Es gibt doch keine Alternativen zu den Amis!
Wie oft lese ich das: Welche Alternativen gibt es denn zu US-Produkten und -Dienstleistungen? Naja, fangen wir mal mit Amazon an: Mal abgesehen von der Video-Plattform, aber eine Alternative zum Versandhandel ist zum Beispiel OTTO, die sich gewaltig gemausert haben. Als Musikstreaming könnte man SoundCloud mit Hauptsitz in Berlin hernehmen. Nein, niemand ist auf Spotify angewiesen. Ich könnte sogar für nicht-Mainstream-Musik die Plattform Bandlab empfehlen, das aber nur am Rande.
Soziale Netzwerke können wir alle sein lassen. Niemand „muss“ Facebook, Instagram und X nutzen. Absolut niemand. Dafür gibt die größtenteils in Europa entwickelten und offenen Plattformen des Fediverse, vor allem (in der gleichen Reihenfolge) Friendica, Pixelfed und Mastodon. Das Fediverse, liebe Freundinnen und Freunde, ist die europäische Antwort auf Datenspionage, Datenmissbrauch und Manipulation der US-Netzwerke. Und sie sind mittlerweile eine echte Alternative.
Wenn ich nicht aus beruflichen und musikalischen Gründen auf Windows angewiesen wäre, würde ich vermutlich jederzeit ein Linux empfehlen. Das System wurde ja in Finnland entwickelt, und es gibt einige europäische Distributionen wie Ubuntu. Mit anderen Worten: Es gibt die Alternativen zu Produkten und Diensten, die uns Uncle Sam immer so schmackhaft machen will. Wir müssen ja den Kram aus den USA nicht mehr ohne zu hinterfragen annehmen, es gibt halt europäische Alternativen.
Aber nicht überall
Bleiben wir in der IT. Es gibt eben nicht für alles europäische Alternativen. Android von Google und iOS von Apple haben de facto den Markt der mobilen Betriebssysteme unter sich aufgeteilt. Der ehemalige europäische Musterschüler Nokia hatte mit Symbian eine durchaus taugliche Alternative, sich aber mit Mann und Maus auf Windows Mobile gestürzt und ist daran zerbrochen. Das ist nur eines der Beispiele. Und dabei wäre das Alles problemlos möglich gewesen.
Keine Sau hatte damals ein Android Smartphone oder ein iPhone gebraucht. Ich war – so lange es funktionierte – großer Fan meines Nokia E63. Wie so viele andere Produkte wurden eben keine Smartphones in Europa mehr hergestellt. Es war eben immer einfacher, sich auf Uncle Sam, China oder Südkorea zu verlassen. Das hat Europa nicht gut getan. Aber es wurde ja nun erkannt, dass man sich aus dieser Umklammerung lösen muss. Und jetzt bin ich gespannt, was passiert.
Europa muss neu denken
Wer an Computer denkt, denkt an Apple oder Microsoft. Wer an Flugzeuge denkt, denkt an Boeing. Und wer an Versandhandel denkt, denkt an Amazon. Europa muss anfangen, das Alles neu zu denken. Und Uncle Sam muss sich darüber im Klaren sein, dass die selbstverständliche Denkerei der Europäer aufhört. Als Unternehmen muss man nun mal nicht auf Office 365 setzen, es geht genau so gut NextCloud aus Berlin und Stuttgart.
Autos können die Europäer auch günstig bauen, wie Stellantis (Peugeot, Citroen, DX, Opel etc.) zeigt. In Sachen Chemie und Schwerindustrie haben die Europäer auch diverse Vorteile, in der Medizintechnik ohnehin. Und in Kriegszeiten wie jetzt können die europäischen Unternehmen auch liefern. Ich will damit halt sagen, dass sich Europa vor Uncle Sam nicht kleiner machen sollte, als es ist.
Und die europäischen Dienstleister – für was auch immer – sollten echt ernsthaft darüber nachdenken, mehr die europäischen Dienstleistungen und Produkte zu bevorzugen statt den Dingen aus den USA. Ein Warenwirtschaftssystem, das in einem Browser läuft, dem ist es völlig egal, ob User es von einem Windows Computer oder einem Linux Computer bedienen. Und so sollte man an die Sache herangehen.
Gleichwohl ist mir bewusst, dass eben solche vollständigen Lösungen, die alles enthalten (Stichwort: Microsoft 365), noch nicht so wirklich gut in Europa entwickelt werden. Aber wer weiß, vielleicht ändert sich da ja auch noch einiges. Man soll niemals nie sagen. Aber die Trump-Sekte und die ganze IT-Oligarchen-Bande darum herum muss lernen, dass Uncle Sam nicht der Nabel der Welt sein kann, wenn es Europa endlich mal ernst nehmen würde.
@laberer "Soziale Netzwerke können wir alle sein lassen. Niemand „muss“ Facebook, Instagram und X nutzen. Absolut niemand."👍 💯
Stefan
Im Filmbereich stelle ich mir das äußerst schwierig vor. Die relevanten Streaminganbieter (Amazon Prime, Netflix, Disney+, Paramount+) kommen alle von dort. Nur mit WOW oder Sky wäre das Angebot sehr dürftig, wenn man mit Magenta nichts zu tun haben möchte.
Well, also mir reichen die Mediatheken des ÖRR. Die bieten jede Menge gute Inhalte. Ich habe das Konzept hinter den Netflixens und so eh nie verstanden. Als ich mal Netflix als Abo hatte, wiederholte sich ständig alles, sodass man nichts neues mehr fand. Dafür war mir mein Geld zu schade.
Hallo Henning,
danke für den Beitrag und Du ahnst, dass ich Dir zustimme. Bei dem Thema soziale Netzwerke sehe ich leider ein großes Problem. Viele Freunde und Bekannte in meinem Alter sind auf Facebook, weil sie dort Beiträge finden, die sie interessieren. Das reicht von den Gartenfreunden über den Fussballverein bis hin zu Lokalnachrichten. Auch bleiben sie so mit Freunden in Kontakt, lokal oder gar weltweit, und kriegen mit, was die so treiben.
So etwas findet jenseits unserer Tech-Nerd-Blase im Fediverse bisher nicht statt. Solange wir es nicht schaffen, dass Kommunen, Bund, Länder, Verwaltungen, demokratische Parteien, Behörden, Vereine, der Öffentlich Rechtliche Rundfunk das Fediverse mit ihren Inhalten bespielen, solange wird es nicht gelungen, die Älteren rüber zu ziehen. Und das ist extrem schwierig, unmöglich? Hoffentlich nicht. Ich glaube noch immer, dass es möglich wäre aber bisher fehlt gerade in der Exekutive die Initiative und der Wille.
Und nein, ich glaube nicht wie es mein Kumpel Gunnar geschrieben hat, dass wir die asozialen Netzwerke von Herrn Saggerbörg von innen aushöhlen können.
Ich denke auch, dass das extrem schwierig ist. Ich habe bei Instagram einen Beitrag mit einem Bild fallenlassen, in dem steht, dass hier geschlossen ist. Bei Facebook ähnliches und keinerlei Posts. Dennoch bekomme ich Nachrichten, als ob man einfach nicht lesen kann.
Nein, aushöhlen wird nicht funktionieren. Denn das müsste ja der Algorithmus mitmachen. Und daran dürfte dieser Teil der US-Tech-Sekte kein Interesse haben.
Bei den Social Medias sehe ich noch eine Schwachstelle. Wenn es einen Fediverse-Dienst geben würde, der geschlossene Gruppen wie bei FB zur Verfügung stellt, würde ich zahlreiche Menschen kennen, die sofort wechseln würden.
Wir wollten zusätzlich schauen, dass es mehr europäische Lösungen für viele IT-System und Landschaften gibt. Allerdings sehe ich auch die Hürden dafür. Kosten, Vorschrifte, übermäßige Regularien und Bürokratie. Da muss die Politik dringend ran, um die Schwellen zu senken. Sonst wird das nichts.
Exakt meine Meinung. Es muss für europäische Firmen „eine Freude“ und jedenfalls ganz einfach sein, europäische IT-Produkte zu nutzen.
Was die geschlossenen
EchokammernGruppen betrifft, so hoffe ich auch, dass uns das erspart bleibt. Ich habe aber auch nicht wirklich mitbekommen, dass es solche Bestrebungen gibt.Ich sitze gerade auf dem Sofa und konfiguriere mein deutsches Tuxedo Linux auf dem Laptop. Für Notfälle hab ich mir noch eine Virtualbox mit Win11 angelegt. Statt Adobe verwende ich jetzt Skylum Luminar. Wenn man wirklich will, dann findet man auch Wege. Bei den Smartphones wäre ein Fairfone mit LineageOS eine Alternative. VG Patric
Bzgl. Spotify: Die sind in Luxemburg und Schweden, also tatsächlich sehr europäisch.
Das weiß ich doch. Mir ging es hier aber um Spotify an sich, die nicht wirklich gut für Musiker sind.
Gut geschrieben, Henning!