Migration als das Topthema der Wahl?

Ein ganzes Land streitet über Migration. Und ich frage mich tatsächlich gerade, ob wir da nicht eine gigantische Nebelkerze angezündet haben. Nicht, dass das Thema unwichtig wäre. Aber ist es denn tatsächlich so groß? Und viel mehr noch: Werden da nicht einfach so Opfer und Hinterbliebene in schamloser Art und Weise als Grund missbraucht? Was denken wir uns eigentlich dabei? Und was denke ich über diese ganze Nummer?

Die Ausländer nehmen uns alles weg

Ich bin begeistert von unseren Auszubildenden. Darunter jemand aus Nordafrika und jemand aus dem Nahen Osten. Als ich von denen erzählt hatte, sagte mir jemand dazu: Wenigstens liegen die dem Sozialstaat dann nicht auf der Tasche. Und jemand anderes entblödete sich nicht zu behaupten, dass diese Ausländer „uns“ alles wegnehmen. Letztere Person ist langzeitarbeitslos und auch nicht willens, irgendwas an der Situation zu ändern. Aber „die Ausländer“ sind schuld.

Ich habe lange Zeit immer wieder versucht, solchen Leuten zu erklären, dass diese Annahme falsch ist. Letzten Endes haben manche Menschen sogar nicht ganz unrecht. Nur eben anders, als sie denken. Es gibt die Migration in die Sozialsysteme. Natürlich gibt es genügend Menschen, die Zuwanderer immer mit Samthandschuhen anfassen, egal was sie tun oder getan haben. Aber: Es sind dann nicht alle so. Und mir fehlt beim Thema Migration immer so diese Erkenntnis.

Im Moment hängt doch vieles an „WIR“ (die Deutschen) gegen „DIE“ (die Zuwanderer). Und ich glaube, hier hat die Politik gewaltig versagt. Und zwar – soweit ich das überblicke – alle Parteien. Es gab in den Neunzigern die Flucht vor dem Balkankrieg und in Nordafrika die Flucht vor der POLISARIO. Man hätte damals schon das ganze System mal ordnen müssen. Seit über 30 Jahren wollen die Menschen hier nichts anderes, als dass die ganze Migration und Zuwanderung geordnet wird. Mehr nicht.

Gut, ein kleiner Teil, wirklich ein kleiner Teil wird immer „Ausländer raus“ brüllen. Das hast du in jeder Nation der Welt. Der allergrößte Teil hier will doch einfach nur, dass das Ganze vernünftig abläuft. Und wenn ich unsere beiden Azubis von oben sehe: Die wollen bei dem Thema auch einfach nur Ordnung. Und die wird es weder mit den Nazis der AFD noch mit den – was eigentlich – also mit denen vom BSW geben. Das ist so meine Meinung.

Ordnung in der Migration

Als der Balkankrieg tobte, gab es in der unmittelbaren Nähe meiner damaligen Hood ein Erstaufnahmelager. Du hast von den Menschen nix mitbekommen. Eigentlich hast du zunächst nicht mal mitbekommen, dass es dieses Lager ganz in der Nähe gibt. Du hast halt nur mitbekommen, dass im Supermarkt dort um die Ecke viele Menschen ganz anders gesprochen hatten und mit vielem hier nichts anfangen konnten. Die damalige Migration war alles andere als geregelt.

Ich hatte dann irgendwann mitbekommen, dass es Proteste gegen das Lager gab. Das befand sich nämlich in Baucontainern auf einem städtischen Sportplatz. Und die Schulen im Umkreis, die ihre Leichtathletik-Stunden dort immer absolviert hatten, konnten das nicht mehr dort tun. Aber sie wussten halt auch nicht, wo sie das sonst tun sollten. Es wurden ja keinerlei Alternativen aufgezeigt. Ich hab das damals erlebt, keine Sorge. Und der Unmut wuchs und wuchs.

Hatte man daraus gelernt? Nein. Bis heute weiß man in Deutschland halt einfach nicht, wie man mit Migration umgehen soll. Dabei gibt es sinnvolle Vorbilder, es gibt positive Beispiele für Ordnung. Und wir müssen nun einmal so realistisch sein und Asyl von Migration unterscheiden. Das Eine ist Völkerrecht, und das Andere muss man sich leisten können. Und man muss es regeln können. Und speziell bei letzterem bin ich eher skeptisch.

Aber ist das Thema wirklich so wichtig?

Jetzt können wir natürlich immer sagen, dass das Thema Migration eminent wichtig ist. Das stimmt auch. Wir müssen das nun mal in den Griff bekommen. Aber muss es deshalb unser ganzes Leben bestimmen? Der rechtsradikale Araber, der in Magdeburg in den Weihnachtsmarkt fuhr, hätte ausgewiesen werden müssen. Viele andere Täter hätten ausgewiesen werden müssen. Mit mehr Ordnung bei der Migration wäre das Risiko für so etwas geringer, aber nicht weg gewesen.

Und am Ende stellt sich die Frage, ob durch „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ auch nur ein Unternehmen nicht pleite gehen würde. Hätte Putin dann nicht die Ukraine angegriffen? Wäre es ohne Migration zu einer galoppierenden Inflation gekommen? Mir deucht, als ob das Thema „Migration“ immer nur aufgeblasen wird, wenn gerade mal etwas schlimmes passiert oder weil die Politik keine Ahnung hat, wie sie das Land auf Vordermann bringen soll.

Bestätigt sich das, wäre das schäbig. Es gibt eben mehr Themen, die beackert werden müssen. Hätte man so vieles in der Vergangenheit nicht verpennt, wie der Umbau der Energiewirtschaft oder die Digitalisierung, das Land wäre durchaus weiter und hätte nicht noch mehr Baustellen vor der Brust. So liegen so viele Katastrophen auf dem Tisch, dass man denken könnte, das Land stünde am Abgrund. Das ist nicht der Fall, das weiß ich auch.

Aber wie ist es dazu gekommen, dass so viele Themen offen sind, die nun einfach mit der Migration zugedeckt werden? Denkt darüber einfach mal nach, wenn ihr in ein paar Tagen wählen geht. Lasst euch keinen Bären aufbinden, dass geschlossene Grenzen auch nur ein Problem lösen würden. Es ist komplexer. Und das kommt mir entschieden zu kurz. Aber was weiß ich denn schon?

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2 Replies to “Migration als das Topthema der Wahl?”

  1. Ich höre und lese immer nur davon, dass etwas gegen Migration – womit ja alles gemeint ist, also auch die Menschen die auf der Flucht sind und hier Asyl suchen – gemacht werden muss. Dabei braucht der Kapitalismus, den hier ja viele so gut finden, eine jährliche Zuwanderung von mehreren hunderttausend Menschen, damit die Wirtschaft genügend Menschen hat, um die hier frei werdende Stellen zu besetzen. Wir könnten das Thema also eigentlich positiv besetzen, wenn wir wollten. Da kommen Menschen zu uns ins Land, die durchaus motiviert sind, sich hier etwas aufzubauen. Menschen, die zwar erst einmal fremd sind, die aber zu Freunden werden können. Menschen, die hier die Pflege von all den vielen alten Menschen übernehmen könnten, die Pflege brauchen (also so als Beispiel), die hier neue Erfahrungen und Sichtweisen in die Gesellschaft einbringen könnten, die die Kultur bereichern könnten, die also absolut ein Gewinn für uns alle sein könnten.

    Stattdessen belegen wir viele von diesen Menschen erst einmal mit einem Arbeitsverbot, wodurch sie natürlich erst einmal auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Wir stecken sie in Unterkünfte, wo sie zwar viele andere Kulturen kennenlernen, aber eben nicht unsere, wo sie auch nicht unsere Sprache verwenden können, um sie so zu erlernen. In Unterkünfte also, wo viele Menschen mit irgendwelchen Traumata rumlaufen, die – weil die notwendige medizinische Versorgung fehlt – dann irgendwann zu solchen Extremfällen führen, über die wir dann andauernd in den Medien hören.

    Und um es gleich noch einmal deutlich zu machen: Gastronomiebetriebe müssen schließen, weil sie kein Personal mehr finden und dann gibt es Menschen, die würden gerne arbeiten – auch in der Gastronomie – und dürfen es nicht, weil wir diesen Menschen keine Perspektive bieten wollen, weil wir sie so schnell wie möglich wieder abschieben möchten. Die wirklich wichtigen Themen, die auch das Leben der zukünftigen Generationen betreffen, bleiben dabei aber auf der Strecke und unerwähnt.

    Sorry, dass musste jetzt sein und es soll kein Angriff oder so sein, ich hoffe, es wirkt auch nicht so.

    1. Das ist es, was ich meine, dass das doch irgendwie geordnet werden muss. Außer eine gewisse Klientel ist es doch jedem klar, dass es ohne Zuwanderung eben nicht gehen wird. Hier fehlt mir die Ernsthaftigkeit auf so vielen Ebenen.

      Und wie ich schon schrieb: Selbst wenn sie alle weg wären, die hierher kommen, würden die Fragen des Landes offen sein. Und was dann? Auf wen kann man es dann schieben? Und genau das meine ich mit Nebelkerze.

      Nein, das war doch kein Angriff von dir. Alles gut. Entschuldigen muss sich nie jemand, wenn die Meinung fundiert ist. Und das ist deine ja. Also gut so.

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