Nun ist es soweit, der Gesetzentwurf zum Anti-Google-Gesetz ist verabschiedet. Er ist so schwammig gekommen, wie man es vermutet hatte. Das von vielen Seiten (wie ich las) als „Keese-Gesetz“ bezeichnete LSR wird noch für einiges an Zündstoff sorgen. Darüber müssen wir mal sprechen.
Christoph Keese
Zunächst einmal: Warum „Keese-Gesetz“? Der Begriff stammt nicht von mir, ich habe ihn nur aufgeschnappt. Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs des Axel Springer Verlags, gilt als „Erfinder“ des Leistungsschutzrechts. Anfang August schrieb das Magazin „Werben und Verkaufen“, dass der Manager ausschließlich Google „im Visier“ hätte. Allenorts kommt Christoph Keese ob seiner Aussagen immer wieder unter die Räder. Und deshalb, so vermute ich, der Begriff.
Und nein, mir steht es nicht zu, über Christoph Keese zu urteilen. Wohl aber äußere ich meine Meinung über diesen Gesetzentwurf, weil man so etwas nicht einfach ohne Diskussion über sich ergehen lassen darf. Herr Keese darf also ruhig weiterlesen, wenn er denn möchte, denn es geht hier nicht um seine Person.
Was sind die Aussagen des „Leistungsschutzrechtes für Presseverlage“?
Im Online-Bereich sollen Presseverlage nicht schlechter gestellt sein als andere Werkvermittler. Darum soll es dieses Recht geben.
Das Zugänglichmachen von „Presseerzeugnissen“ soll ausschließlich den Presseverlagen vorbehalten sein. Es geht aber wohl nur um den Schutz vor „systematischem Zugriff auf die verlegerische Leistung“, und zwar der von „Anbietern von Suchmaschinen und Anbietern von solchen Diensten im Netz“, „die Inhalte entsprechend einer Suchmaschine aufbereiten, da deren Geschäftsmodell in besonderer Weise darauf ausgerichtet ist, für die eigene Wertschöpfung auch auf die verlegerische Leistung zuzugreifen“.
Im Entwurf ist ausdrücklich davon die Rede, dass Nutzer wie Blogger, gewerbliche Unternehmen, Verbände, Rechtsanwaltskanzleien sowie private und ehrenamtliche Nutzer nicht erfasst werden. Also bin ich nicht genötigt, mit Organen des Springer-Verlags ein Abkommen, das mich viel Geld kostet, abzuschließen. Die genannten Anbieter, die da „erfasst“ werden sollen, können nun – nun ja – belangt werden und müssen Lizenzen kaufen. Allerdings nicht für die reine Verlinkung oder für das Zitat.
Und wie immer gibt es selbstverständlich keine Alternativen. Das Ganze heißt dann Urheberrechtsgesetz, § 87f – h. Die Anbieter, die es betrifft, sind Suchmaschinen wie Google, Bing oder Yahoo und News Aggregatoren wie Rivva. Jan Mönikes, Justiziar des Bundesverbands deutscher Pressesprecher befürchtet aber, dass da noch viel mehr kommt. Was ist denn mit RSS-Feeds? Was ist mit Twitter-Meldungen?
Der Blog „e13“ lässt sich darüber aus, dass komplette Rechtsunsicherheit herrschen dürfte, was den neuen Entwurf betrifft. Was ist denn bitteschön ein „Gewerblicher Anbieter von Diensten“? Die Autorin mutmaßt, dass sie wegen ihres Flattr-Buttons als gewerbliche Anbieterin gewertet wird und ihre Linkschau nicht mehr bringen kann, ohne dass sie zur Kasse gebeten wird. Die Konsequenz ist dann eben, dass die Links zu den Verlagsangeboten nicht mehr auftauchen.
Das Leistungsschutzrecht ist etwas für mich?
Ich will nicht unnnötig viel auf Verlagsangebote verlinken. Das habe ich oft genug geschrieben. Aber der Heise-Verlag hat sehr gut ausgearbeitet, dass Blogbetreiber, wie ich einer bin, von dem Leistungsschutzrecht profitieren können. Und zwar schreibt Autor Stefan Krempl wie folgt:
Ferner werde die angemessene Beteiligung des Urhebers an der Vergütung gewährleistet, die durch Lizenzen generiert werden könnten. Wenn ein Blog sich als eine redaktionell ausgewählte Sammlung journalistischer Beiträge darstellt, die fortlaufend unter einem Titel erscheint, werde auch dessen Autor durch das neue Leistungsschutzrecht geschützt und sei damit vergütungsberechtigt, wenn andere sein Online-Journal nutzten.
Aber es stellt sich nun einfach mal die Frage: Wo fängt das LSR an und wo hört es auf? Es gibt so viele Ansatzpunkte, wo man über den Gesetzentwurf spekulieren kann. Man kommt nicht umhin, dass man nun hoffen möchte, dass der Entwurf im Bundestag zerpflückt und verworfen wird.
Trotzdem dürfte sich Christoph Keese über den Entwurf freuen. Auch das ZDF berichtet mit dem „Elektrischen Reporter“ über ihn und sein Baby.
Die Nebenfolgen des Leistungsschutzrechtes
Es ist ja nicht unbedingt allein so, dass sich Google und die Verlage keilen. Es geht um den Werbekuchen, von dem alle etwas abhaben wollen. Aber: Dieser Gesetzentwurf führt zu einer immens großen Unsicherheit und dazu, dass diverse Sachen einfach mal so aus dem Internet verschwinden werden und man ungern etwas veröffentlichen möchte:
- RIVVA – Werbefinanzierter News-Aggregator
- Commentarist – Werbefinanzierter News-Aggregator
- Rechtliche Unsicherheit für Blogs
- Rechtliche Unsicherheit für Twitter-Nutzer, Facebook-Nutzer, Google+-Nutzer und Nutzer von anderen sozialen Netzwerken
Was das Ganze für Bookmarking-Dienste wie Mister Wong oder Delicious etc. bedeutet, kann ich noch nicht sagen. Aber da dort die gespeicherten Lesezeichen auch ein so genanntes „Snippet“ anzeigen (also einen Auszug aus der Webseite), könnte ich mir vorstellen, dass es auch hier zu Problemen kommen kann.
Michael Schmalenstroer hat auch ausgearbeitet, was das alles bedeuten könnte. Er hat z.B. eine Presseschau zu historischen Themen. Diese funktioniert wie eine Linkliste, die das Leistungsschutzrecht betrifft. Die nimmt er jetzt vom Netz, weil er einfach kein Risiko eingehen möchte.
Mögliche Abhilfe für Webseitenbetreiber
Also nicht, dass wir uns hier falsch verstehen, liebe Presseumherschleudererverlage. Ich sehe mich nicht als News-Aggregator oder Suchmaschine. Ich greife nichts systematisch ab. Ich recherchiere selbst und verlinke auf selbst recherchierte Webseiten. Ihr wart auch mal dabei. Sehr häufig sogar. Ich verkneife mir das seit einiger Zeit soweit es geht. Wenn ich einen Link setze, dann im Rahmen von Weiterleitungen zu weiterführenden Informationen bzw. als Quellenangabe. Das möchte und muss ich tun.
Da aber das Gerangel um das Leistungsschutzrecht immer undurchsichtiger wird, muss man sehen, wie man sich vor explodierenden Kosten schützen kann. Und das bedeutet für mich:
- Ich verlinke nur noch sehr wenig auf Presseerzeugnisse und versuche, diese weitgehend von Weiterleitungen auszuschließen. In diesem Sinne verweise ich gern auf mich selbst. Nachrichten können – man staune – auch aus der Bloggerszene selbst bezogen werden.
- Ich setze ein WordPress-Plugin des Zentrums für digitalen Fortschritts D64 ein, das „Verlinkungen zu Onlineangebote[n] von Presseverlagen automatisch auf eine Landingpage umleitet, die auf die möglichen Folgen des Leistungsschutzrechtes hinweist“.
Es ist traurig aber wahr, man muss sich immer mehr schützen. Dabei will man eigentlich nur schreiben und informieren. Man will nichts böses. Man raubt keinen aus, auch wenn es immer wieder heißt „Text geklaut“, „Inhalt geklaut“. Ich will jetzt nicht davon anfangen, dass das Original ja nicht geklaut sein kann, wenn es noch am ursprünglichen Ort gefunden werden kann. Nein, so kleinkariert möchte ich nicht sein.
Aber mit der immer weiter ausufernden Verschärfung des Urheberrechts, ohne dass auch nur der Hauch einer Reform überhaupt durchdacht wird, verhärten sich die Fronten. Und der Blogger mit seiner privaten Webseite kämpft unbewaffnet bzw. mit stumpfem Schwert gegen die Verlagshäuser. Obwohl, ein Kämpfen ist es auch nicht, denn dann würde man ja gegen die Verlage operieren. Eigentlich will man mit den Verlagen arbeiten, z.B. wenn man einen Artikel in der Zeitung XYZ kommentiert.
Scheinbar möchten aber die Verlagshäuser weder, dass man Besucher zu ihnen schickt, um sich weitere Informationen zu holen, noch dass man den Informationsgehalt der Artikel von ihnen kommentiert und ggf. um zusätzliche Informationen erweitert.
Dann halt nicht.
Der Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage
Ich habe ja noch gar nicht darauf verwiesen, den Entwurf einmal zu lesen. Ich gebe gern Originalquellen an, liebe Presseverlage. Daher kommt hier der Link zum PDF des Bundesministeriums der Justiz: