Corona-müde, geh zur Ruh‘

Leute, was bin ich genervt. Ich bin so unsagbar corona-müde, das glaubt mir niemand. Ich kann diese ganzen Nachrichten und Wortmeldungen nicht mehr aufnehmen. Weder visuell, noch über Ton und Text. Ich habe den Kanal voll. Lobpreisungen über nichts. Unklare Aussagen. Falschmeldungen und verbogene Tatsachen. All das tagein, tagaus. Ich kann und will es einfach nicht mehr hören. Ich will einfach nur noch wie bisher halbwegs schadlos durch die Pandemie kommen. Was soll man denn sonst noch erwarten?

Wenn das Volk corona-müde wird, ist es zu spät

Die Mehrheit der Deutschen hat mitgezogen. Da wurden bisher fleißig Masken getragen, Abstände eingehalten, Hände gewaschen und all das. Wo es ging, arbeitete man von zuhause aus. Bei mir ist das nun fast ein Jahr her. Man hat viel höhere Kosten in Kauf genommen, weil der Verlust der Gesundheit oder gar des Lebens viel teurer gewesen wäre. Ohne zu murren, hat die Mehrheit alles mögliche mitgemacht. Als Konsequenz wurde man als „Schlafschaf“ beschimpft.

Als Gegenleistung erwarteten wir eigentlich, dass die führenden Politiker dieses Landes irgendeine Strategie entwickeln würden, wie man denn jemals wieder aus dieser Dauerschleife herauskommen würde. Ich habe vieles nicht mitbekommen, da ich froh bin, auch mal abschalten zu können. Ihr erinnert euch? Man nennt es JOMO, Joy of Missing Out. Aber dann kann man doch nicht aus seiner Haut. Die Nachrichten verkünden dies, das und jenes. Und eigentlich weiß man schon, wie es weitergeht.

So geht das praktisch seit Monaten. Mit der Unterbrechung den Sommer 2020 über befindet sich Deutschland seit ungefähr einem Jahr im Fundbüro und möchte von dort abgeholt werden. Und das macht unfassbar corona-müde. Die Beschimpfungen bleiben, eine Gegenleistung für’s Durchhalten hingegen bleibt aus. Wenn die führenden Politiker so weiter machen mit ihrer Nebelfahrt, verlieren sie all diese, die bisher mitgezogen haben. Dann ist es leider zu spät.

Von Teststrategien und einer unnützen Task Force

Ja, es gibt nun – ca. ein Jahr nach Beginn – eine Task Force, die – nun ja, was soll die eigentlich machen, was bisher nicht gemacht wurde? Und es gibt so lustige Sätze wie: „Wir werden bis <beliebigen Zeitpunkt einsetzen> eine Teststrategie entwickeln“. Das ist alles? Also so nach 12 Monaten Wegsperren? Der Publizist Sascha Lobo hat neulich im SPIEGEL etwas sehr richtiges geschrieben:

Nach der Wut kommt die Müdigkeit, aber irgendwann ist man selbst für Müdigkeit emotional zu erschöpft, und dann bleibt ein tiefer, dumpfer Dauergroll.

Sascha Lobo im SPIEGEL

Und damit hat er Recht. Ich habe mich bisher wirklich nicht beklagt. Ich habe das Alles irgendwie hingenommen. Aber ich bin nun einmal corona-müde. Und da habe ich nun einmal diesen dumpfen Druck in der Magengegend. Das ist dieser tiefe, dumpfe Dauergroll, von dem Sascha Lobo schrieb. Immer wieder das gleiche Mantra aufzusagen, hilft doch niemandem weiter. Vielleicht hätte man wirklich mal in andere Länder gucken sollen, wie die das so machen. Nur so als Idee.

Ich meine damit nicht die Musterschüler Taiwan, Neuseeland oder so. Das sind Inseln. Aber wie kam es eigentlich, dass in anderen Ländern eher und umfassender geimpft werden konnte, als in Deutschland? Ich meine, es ist für mich keine Frage, dass ich abwarten kann. Aber nur durch einen Deal des Pflegedienstes kommen derzeit ältere Menschen dazu, wenigstens eine der zwei notwendigen Impfungen zu erhalten. Wieso können das andere Länder besser? Das macht so corona-müde, sag ich euch.

Man kann auch direkt den Laden an die Wand fahren

Ja, wir haben alle die Nase voll von der ganzen Pandemie-Geschichte. Und wir sind alle mehr oder weniger corona-müde. Wir wollen alle mal wieder in die Kneipe, ins Kino, in die Disco, shoppen, verreisen et cetera peh peh. Ich weiß, wir müssen uns da gedulden. Aber wäre es dann nicht Aufgabe der Politik, einen Weg vorzugeben? Immer nur auf Sicht zu fahren, wird da nicht sinnvoll sein. Wo ist die Strategie? Also abseits von jämmerlichen Durchhalteparolen.

Ich bin corona-müde. Und ich fürchte, dass mit dieser geballten Erbärmlichkeit der Laden namens Deutschland an die Wand gefahren wird. Keine Sorge, ich biege nun nicht falsch ab und leugne und fabuliere und mache sonstwas für dummes Zeug. Den Gefallen tue ich den Querlenkern nicht. Aber wenn man so weitermacht, dann wird der Anteil derer, die das weiter tragen, immer kleiner. Und das kann niemand wollen. Zumindest traue ich das keiner politischen Führungspersönlichkeit zu.

Ob man letzten Endes jeden impfen muss, weiß ich nicht. Das ist auch nicht meine Aufgabe. Meine Aufgabe ist es, meinen Job zu machen, für meine Angehörigen da zu sein, einen kühlen Kopf zu bewahren und zuhause zu bleiben. Gerade die letzten beiden Punkte fallen aber immer schwerer. Das ist leider so, wenn man mehr und mehr corona-müde wird. Und wie geht es euch dabei? Macht ihr klaglos so weiter? Zumindest gibt es Licht am Ende des Tunnels. Hoffen wir, dass da kein Zug entgegen kommt.

7 Replies to “Corona-müde, geh zur Ruh‘”

  1. Hi Henning,
    willkommen im Club! Da ich selber zur Risikogruppe gehöre mit meinen ü60, Diabetes, Herzschrittmacher und Adipositas – weswegen mich meine Firma direkt in HO geschickt hat, wo ich nun seit einen Jahr ohne Unterbrechung rumhocke – habe ich mich schon aus Eigenschutz an die Regeln gehalten. Wie es sich für einen ITler gehört streng logisch: andere Menschen sind gefährlich und als infiziert zu betrachten? Meide ich. Gruppenansammlungen von Menschen sind ein Risiko? Meide ich.
    Die Folge: Einkaufen von Lebensmitteln erfolgt über das Internet (was erstaunlich gut funktioniert) – und Hilferufe von Nachbarn, die PC-Probleme haben werden von mir strikt abgeblockt: „ich lasse niemanden in meine Wohnung und ich gehe zu Niemandem in die Wohnung. ENDE!“. Mein denken ist da sehr pragmatisch – vielleicht bin ich deshalb noch am leben. Wegen der Rücksichtsnahme von anderen Menschen bin ich es sicher nicht…
    Bei den Querdenker-Demos habe ich immer nur verständnislos den Kopf geschüttelt. Auch weil nach deren fröhlichen maskenlosen Happenings die Infektionszahlen wieder nach oben schossen. Das war für die Eindämmung des Virus natürlich nicht förderlich. Und was passierte? Die Demos wurden bundesweit weiter zugelassen.
    Immer war ich der Meinung, dass irgendwann sich der Verstand durchsetzen muss – aber auch, dass es seitens der Ordnungsämter, Polizei oder anderer Kontrollorgane eine strikte Durchsetzung der Maskenpflicht geben würde.
    Doch irgendwie scheint es egal zu sein, ob man eine Maske trägt oder nicht – Repressalien scheint es ja nicht zu geben.
    Letztens twitterte die Dortmunder Polizei, dass Sie am Wochenende „auf dem Hombrucher Markt die Bürger höflich an die Maskenpflicht erinnert hätte“. Das ist fußläufig von mir 2 Kilometer entfernt. Eine Dortmunderin, twitterte zurück, dass Sie das nicht verstehen würde.
    Und da gebe ich Ihr vollkomen Recht: es ist das falsche Signal! Es ist ja nicht so, dass dieses Virus erst seit einer Woche bekannt ist. Die Schutzmaßnahmen sind doch nun auch seit einem Jahr weltweit bekannt und weitestgehend gleich – da kann keiner sich rausreden, er wüsste nicht von Maskenpflicht. Abgesehen davon stehen in der Fußgängerzone genügeng Hinweis-Schilder, und auch im wöchentlich erscheinenden Einkaufsflyer wurde darauf hingewiesen.
    Von daher kann ich das lasche Vorgehen nicht verstehen. Eine freundliche Ansprache mache ich, wenn jemand sein Kaugummi auf den Gehweg spuckt und nicht in den Abfalleimer, der nur 2 Meter neben einem steht. Aber hier geht es um ein verficktes, höchst ansteckendes Virus, das Menschen auf hässliche Art tötet.
    Außerdem ist es für die – noch die Regeln respektierenden Bürger – ein Schlag ins Gesicht. Grade bei denen, die „auf der Kippe stehen“ sehe ich die Gefahr, dass Sie sich auch nicht mehr an die Regeln halten und ins Querdenker-Lager abdriften.
    Ich glaube ich werde in Zukunft auch nur noch diese Hoteldating-Show schauen über die Du immer twitterst..
    Oder ich schreibe böse Blogbeiträge – oder Beides.. :-)
    CU
    Peter

    1. Siehst du, jetzt verstehst du, wieso ich so einen Schwachsinn gucke. Das hat ja nichts mit Bildungsfernsehen oder ähnlichem zu tun. Aber bei den ganzen Irren da draußen und in der Politik mache ich die besten Therapie. Ich gucke mir die Irren im Dating-Hotel an. Aber irgendwie war die Dosis zu gering, weshalb der Blogartikel entstand.

      Hier in Leipzig war es ja wohl sogar so, dass die Buslenker Leerdenker Querlenker Querdenker lustig ohne Maske herum geturnt sind, nachdem sie aus dem Allgäu oder aus dem Schwarzwald her gekarrt wurden. Und die Polizei stand tatenlos dagegen und tat „deeskalierend“. Das entmutigt gewaltig.

      Bis auf dass ich meine Einkäufe mit meiner Frau mache, wenn der Supermarkt entweder gerade geöffnet hatte oder kurz vor dem Ladenschluss steht, halte ich es aber sonst so wie du. Das ist frustrierend. Vor allem, wenn du siehst, was sie politisch wieder in ihrer grandiosen Nebelfahrt fabriziert haben. Sorry, aber da habe ich nur noch Groll übrig. Hoffen wir, dass es irgendwann besser wird. Und nein, ich biege immernoch nicht falsch ab.

    1. Das sind witzige Artikel, keine Frage. Und ja, man muss irgendwie aufhören, ständig nach dem Killer-Virus zu gucken. Was soll das denn bringen? Danke dir für die kurzweilige Ablenkung.

      1. freut mich zu hören. Tatsächlich liegt es nahe auch viel über Corona zu bloggen. Aber ich versuche das Thema nur immer wieder mal zu streifen. Ich hatte schon zwei Texte mit eher Corona-Schwerpunkt. Aber nun versuche ich etwas die Kurve zu kriegen ;-)

  2. Hey Henning,

    du hast so Recht. Im Grunde sprichst du aus, was in vielen von uns schlummert. Ich habe bereits den zweiten Lockdown für einen Fehler gehalten. Nicht dass er in der Situation, in der wir waren, nicht notwendig gewesen wäre. Das war er wohl. Doch was haben wir bitteschön den Sommer über gemacht?

    Nun kommt der Frühling, die Inzidenzzahlen steigen wieder, obwohl alle brav auf ihren Hintern zu Hause hockten… das demotiviert. Ebenso wie die Aussagen unserer Kanzlerin, a la: „…es ist nicht wichtig, wieviel Impfstoff wir bestellt haben…“ Also, hallo? Soll das ein Witz sein?

    Es ist nicht bloß wegen mir. Auch wenn mir in Kurzarbeit gepaart mit Homeoffice manchmal die Decke auf den Kopf fällt, hatte ich andererseits soviel Freizeit noch nie seit der Schulzeit. Nein, es ist die Kulturlandschaft Deutschlands, um die ich mir Sorgen mache. Wie wird es aussehen, wenn wir wieder „aufwachen“ aus unserem Dornröschenschlaf? Wie vielfältig wird Deutschland noch sein? Oder wird die einzige Kultur, die wir dann bekommen werden, die Dorfkneipe um die Ecke? Tourismus, Gastronomie… da hängen menschlichen Existenzen daran. Menschen, die nichts verschuldet haben und die ihre Altersvorsorge auflösen müssen, um das Jetzt zu retten. Das kann doch nicht sein…? Und wir bekommen noch nicht einmal die Sache mit dem Impfen auf die Reihe?

    Puh, jetzt habe ich aber viel geschrieben. Und das, obwohl wir uns noch nicht kennen… :-) Langer Rede kurzer Sinn: bin deiner Meinung.

    Liebe Grüße
    Kasia

  3. Hallo Henning,

    ganz vorab, ich bin weder Coronaverharmloser, noch Leugner, sondern ich nehme die Pandemie sehr ernst und somit auch den Schutz meiner Mitmenschen. Aber ja, müde sind wir alle inzwischen (ich denke, dahingehend kann ich von „wir“ bedenkenlos schreiben). Allerdings bin ich nicht müde von Corona, sondern müde, mich jedesmal von neueren Änderungen eigenständig und zumeist auch mühselig informieren zu müssen und wenn ich das geschafft habe, gleich wieder festzustellen, ich muss mich neu informieren, da wieder irgendein Gericht irgendeine Massnahme gekippt hat, irgendeine Massnahme vorübergehend ausser Kraft gesetzt wurde oder auf Landes- oder Kommunalebene neu hinzugekommen ist. Wo ich schon gar nicht mehr zuhöre, sind unsere kleinsten und leider auch dümmsten Randgruppen an extremistischen Querdenkern und rechtsnational völkischen Vollpfosten. Also was machen??? Frauentausch sehen? Youtube nutzen? Fahnenschwenkend rechte Parolen gröhlen? In Stumpfsinn verfallen? Für mich alles sinnfreie und überflüssige Tätigkeiten. Eine Antwort kann ich auch nicht bieten, aber ich denke, wir sollten uns darauf einstellen, dass wir mit diesem Virus und vielleicht auch zukünftig mit weiteren, neuen Viren zu kämpfen haben werden. Asiatische Gebiete haben seit Jahren Maskenpflicht, da es sich anders gar nicht mehr atmen lässt. Wir Menschen haben es geschafft, innerhalb von kürzester Zeit unserem Planeten massiv zu schaden. Also, was erwarten wir dann? Vielleicht einfach etwas umdenken, jeder für sich selber, etwas in sich gehen, etwas für sich und andere tun, Homeoffice geniessen und vor Allem, sich selber nicht zu verlieren.

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