Ja, Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich zum Vorgehen der NSA und des GCHQ geäußert. Ja, sie hat viel vor sich hin palavert. Aber hat sie etwas konkretes gesagt? Nein. Wohin man auch blickt, nach dem ARD-Sommerinterview am gestrigen Abend ist man immernoch nicht schlauer, was uns Frau Merkel eigentlich erzählen will. Und man ist nur noch mehr davon überzeugt, dass die Bundesregierung von den Abhörmaßnahmen der Amerikaner gewusst haben muss und sie sogar unterstützt hat.
Angela Merkel hat ein unglaubliches Talent. Sie redet nämlich unheimlich viel, ohne etwas zu sagen. Damit, so habe ich es oft genug bei Beobachtern gelesen, will sie übertünchen, dass sie von PRISM und Tempora gewusst hat. Bemerkenswert ist das stoische Verhalten, mit dem sie derzeit die Demokratie volle Wucht gegen die Wand fährt.
Stefan Niggemeier ist einer der Beobachter. Seine Kenntnis und seine Beobachtungen sind bei deutschen Internetnutzern immer sehr angesehen. Der Journalist (u.a. bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung) und Herausgeber des viel beachteten BILDBLOGs und seines eigenen Blogs hat sich jetzt kolossal über die Unfähigkeit von Angela Merkel, Dinge beim Namen zu nennen und Farbe zu bekennen, aufgeregt.
Er zweifelt unter anderem Merkels Überraschung über das tatsächliche Ausmaß an, in dem uns ausländische Dienste offenbar ausspähen. Ich glaube eben auch, dass Angela Merkel Bescheid gewusst haben muss. Denn der Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, praktisch der Minister des eigenen Hauses, ist Chef der Geheimdienste. Und diese haben ja Daten von NSA und GCHQ bekommen.
Mit den Abhörmaßnahmen speziell der NSA sollen 50 Terroranschläge vereitelt worden sein. Es ist doch aber so, dass so etwas nicht publik geworden ist. Kein Mensch hat von Verhaftungen in Folge von 50 Terror-Versuchen erfahren. Auf konkrete Fragen dahin, redet sich Merkel erstaunlich eloquent heraus.
Die mecklenburgische Pastorentochter schwafelt derzeit auch erstaunlich viel von Zwecken, welche die Mittel heiligen. Es ist dabei aber anzumerken, dass es sich hierbei um verbale Klimmzüge handelt, denn erst erzählte sie, dass der Zweck die Mittel heiligt, gestern in der ARD erzählte sie das Gegenteil. Und vielleicht erleben wir in der nächsten Zeit, dass man doch Mittel heiligen muss, um einem Zweck zu dienen. Oder so. Jedenfalls ertüchtigt sich Angela Merkel derzeit in unglaublicher Wortakrobatik.
Und jetzt ist für die Bundeskanzlerin ja auch klar, warum Edward Snowden kein Asyl in Deutschland bekommen hat: Es lagen Formfehler vor und keine Gründe für die Rechtfertigung von Asyl. Soso. Und selbst wenn man sie darauf anspricht, dass prominente Beispiele aus der Vergangenheit beweisen würden, dass Bundeskanzler auch an formalen Kriterien vorbei der Humanität wegen Asyl gewährten, bleibt sie bei Formfehlern. Ich bin hier bei Asterix und Obelix und dem berühmten „Passierschein A38„.
Stefan Niggemeier stellt in seinem Blogartikel von gestern deutlich klar, dass der Kanzlerin so ziemlich alles in der Abhör-Geschichte egal ist: Die Medien, die Meinungen, das Volk, ob man ihr glaubt. Die Quintessenz, die er aus einem Interview mit der ZEIT zog, ist:
Geht mir am Arsch vorbei, sagt die Bundeskanzlerin.
Ich habe das Interview in der ZEIT aufgrund des Artikels gelesen, es ist – ACHTUNG, Schenkelklopfer! – bei der Bundesregierung zu finden. Und ich muss sagen, dass es wohl nie in Deutschland einen Staatslenker gab, der eloquenter mitgeteilt hat, dass er auf Interview-Partner, Verfassung und Volk scheißt. Tut mir leid, aber so jemanden kann man nicht gut finden. Und mir ist völlig unklar, dass die Union bein Umfragen weiterhin bei um die 40% landet.
Wenigstens bleibt Angela Merkel im gestern ausgestrahlten Sommerinterview in der ARD dabei, dass sie mit der FDP weiter regieren will. Auch wenn ich die FDP nicht ausstehen kann, hat das etwas gutes, denn die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gehört dieser unsäglichen Partei an. Und die will – das hat sie in mehreren Talkshows ohne Verklausulierungen mitgeteilt – gegen den Überwachungs- und Abhörwahn vorgehen.
Der Verein „Digitale Gesellschaft“ wiederum formuliert etwas sarkastisch, dass man sich darüber freue, dass die Bundesregierung sich nun für stärkeren Datenschutz auf EU-Ebene einsetzen würde, obwohl Deutschland doch bisher eher der Bremser vom Dienst war. Hintergrund ist, dass Angela Merkel in eben jenem Sommerinterview mitgeteilt hat, man würde sich bei Verhandlungen über die europäische Datenschutzgrundverordnung dafür stark machen, dass Internetunternehmen (gemeint sind Facebook, Google, Twitter, Microsoft, Apple, Amazon und Co.) darüber Auskunft geben, an wen sie welche Daten weitergeben würden.
Aber es ist nun einmal so, dass Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich das eigentliche Problem ist, wenn es um den Umgang mit Daten geht. Denn der findet nach wie vor gut, dass die NSA so umfangreich den Datenverkehr absaugt und filtert. Das hat er in mehreren Interviews zum Besten gegeben. Und der wird sich nicht für eine bürgerfreundliche Behandlung von Benutzerdaten einsetzen. Denn die sind ihm doch egal, denn das Internet ist böse.
Bei der bevorstehenden Bundestagswahl muss etwas gewaltiges passieren. Glaubt man aber den Umfragen der Meinungsforscher, wird dies nicht eintreten. Also wird auch nach September 2013 der dann herrschenden Bundesregierung völlig egal sein, wie mit Bürgerrechten umgegangen wird. Super, kann ich da nur sagen.