Wissen Sie, was Neusprech ist? Ich bin mir sicher, Ihnen ist schon oft Neusprech untergekommen. Aber Sie haben vielleicht nicht gewusst, wie man solche Sprachabsonderlichkeiten nennen mag. Wenn dem so ist, machen Sie sich nichts draus. Ich hatte diesen Begriff auch lange unterdrückt. Aber nun muss ich einfach mal etwas dazu schreiben.
Was ist Neusprech?
Es gibt Situationen, in denen werden neuartige oder selten seltsame Wortschöpfungen geschaffen. Es ist im Allgemeinen so, dass die Sprache durch das vorherrschende Regime verändert wird. Mit Neusprech soll die Wortvielfalt verringert werden und so das Volk in der Kommunikation eingeengt werden.
Ein gutes Beispiel ist das Wort „Aufstand“. Im Neusprech wäre ein solches Wort nicht vorhanden. Und das würde wohl dazu führen, dass niemand einen Aufstand organisieren würde, weil er diesen gar nicht ausdrücken kann.
Neusprech ist eine ganz gefährliche Sache. Und wenn ich mich so umschaue, stelle ich fest: Neusprech hat man immer als Fantastereien von George Orwell angesehen. Aber Neusprech ist immer vorhanden. Und man findet es immer wieder. Vor allem, wenn das Volk mürrisch wird, wird mehr Neusprech eingesetzt. Ein paar Beispiele gefällig?
Neusprech im deutschen Alltag
Die wohl schlimmste Neusprech-Entgleisung erlaubte sich – soweit ich mich erinnere – irgendein so genannter Experte in irgendeiner Nachrichtensendung. Dort ging es um irgendeinen Konzern, der wohl ein mieses Ergebnis erzielt hat. Die Empfehlung des Experten war, und das brannte sich mir ins Gehirn ein, ohne dass ich eine Quelle habe:
Um den Konzern wieder auf Spur zu bringen, ist es angezeigt, kostenintensive Elemente freizusetzen.
Es wurde nicht einmal versucht, das Wort „Mitarbeiter“ zu verwenden. Grob gesagt, hat also dieser so genannte Experte empfohlen, Leute zu entlassen. Aber man kann es durchaus auch so ausdrücken.
Schön sind auch solche Dinge wie die Anschlussverwendung. Dabei geht es um Leute, die arbeitslos werden. Die sollen sich schnell darum bemühen, wieder irgendeiner Tätigkeit nachzugehen. Und also sollen sie sich darum bemühen, dass sie verwendet werden können. Finden Sie nicht auch, dass das Ganze danach klingt, als ob die Arbeitslosen einfach nur noch Gegenstände sind?
Und weil wir eben auch den Experten am Wickel hatten: Kennen Sie den folgenden Ausspruch?
Wenn du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis.
Ein Experte – oder noch besser: eine Expertenkommission – ist genau so ein Bollwerk. Nur nennt man das nicht so. Ein Experte war früher mal jemand, der ein großes Genie auf seinem Gebiet war. Heute nennt man jeden einen Experten, der eine so unbedeutende oder eben eine so komplizierte Bezeichnung für sein Tun hat, dass da kein Mensch mehr durchblickt. Und solche Anhäufungen von Leuten, die den Begriff „Experte“ als Alibi für ihre Beschäftigung mit sich herumtragen, nennt man dann Expertenkommission.
Derlei Beispiele finden sich zu Unmassen. Da gibt es einen kleinen, aber feinen Blog, der solche sprachlichen Entgleisungen sammelt und erklärt. Es handelt sich dabei um den Neusprechblog von Professor Martin Haase von der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg und Kai Biermann von ZEIT ONLINE.
Braucht eine Demokratie Neusprech?
Ganz sicher braucht keine Demokratie Neusprech. Wie ich schon schrieb, wird mit Neusprech das Volk in der Kommunikation eingeengt. Um es klar und deutlich zu sagen: Neusprech ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit.
Und da unsere bundespolitische Kaste durch die Bank weg und „über Parteigrenzen hinaus“ Neusprech pflegt, können wir mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass wir in einem Zeitalter leben, das man guten Gewissens als „Post-Demokratie“ bezeichnen könnte. Also hören Sie einmal auf die Politiker, was sie so absondern. Sie werden feststellen, dass sich das alles irgendwie „doppelplusungut“ anhört.