In letzter Zeit höre und lese ich immer wieder ein höchst seltsames Wort: „Untig“. Und irgendwie ist es mir so, als würde es dem Gefühl nach eingesetzt. Es gibt ja so genannte „false friends“ im Englischen, sodass eben das deutsche Verb „bekommen“ eben nicht zu „become“ wird, wenn man es übersetzt. So verhält es sich eben auch mit dem Wörtchen „untig“. Hier will man ja nicht mit dem Finger auf andere Leute zeigen. Aber ich möchte einfach mal herausfinden, was es mit dem Wort auf sich hat.
Die untigen Informationen sind enorm wichtig
Kennen Sie das? Da erhält man irgendwelche wichtig klingenden Sendungen (Briefe oder Emails oder so). Die haben irgendeinen wichtigen Betreff. Und nach einer irgendwie gearteten Einleitung erhält man die Botschaft „Die untigen Informationen sind enorm wichtig. Hierfür benötige ich Ihre Expertise“. Sie denken, das Wort „untig“ wirkt dabei irgendwie wie ein Fremdkörper? Kann sein. Vielleicht ist ja nach einer Überschrift / einem Betreff so etwas aufgeschrieben worden:
Dem obigen Betreff zufolge…
Dann denkt man sich vielleicht auch, dass dann nach der Einleitung kommen muss:
Die untigen Informationen…
Klar, das ergäbe sich aus der logischen Abfolge von Gedanken. Wenn etwas darüber „obig“ genannt wird, muss das darunter halt „untig“ sein. Wollen wir mal schauen, ob das so stimmt?
Die Auflösung zum Wörtchen „untig“
Ich habe also mal recherchiert, was das Wörtchen betrifft. Vielleicht stimmt es ja, dass das Wort so verwendet wird, wie es sich anfühlt. Und ich bin auf eine Diskussion in einem Forum gestoßen. Und dort wird es klar verneint, dass es das Wort gibt. Also es kommt vor, aber eigentlich hat es keine Daseinsberechtigung. Im freien Wörterbuch der Wikipedia ist es allerdings zu finden, und dort heißt es, dass „untig“ mundartlich zu verwenden ist. Also was nun? Gibt es nun das Wort „untig“ oder nicht? Der Duden kennt es nicht.
Was aber seltsam ist, ist die Tatsache, dass es für das Wort Übersetzungen ins Deutsche gibt. Also gibt es „untig“ doch? Ja, und zwar im Ungarischen. Es bedeutet so viel wie „mehr als genug“. Und da muss ich ganz ehrlich sagen, dass dann das Wort gar nicht so eingesetzt werden dürfte, wie es derzeit geschieht. Denn dann würde es so heißen:
Dem obigen Betreff zufolge habe ich Informationen. Aber hier steht mehr als genug Text, sodass ich gar nicht weiterlese.
Das Wort „untig“ ist also das, was man im Englischen als „tl; dr“ (Too long, didn’t read = Der Text war zu lang, ich habe ihn nicht gelesen) bezeichnet. Wenn aber unten Informationen stehen, die enorm wichtig sind, wäre es ja blöd, wenn man nicht fertig liest, oder? Also muss man es anders formulieren:
Die nachstehenden Informationen sind enorm wichtig.
Oder? Haben Sie eine bessere Idee? Ich meine, es ist zwar klar, was gemeint ist. Aber man verwendet halt ein falsches Wort dafür. Das ist nicht schlimm. Man sollte sich das nur bewusst machen. Und dann könnte man auch andere Worte verwenden, oder?
Also mit untig elég hat das wohl eher nix zu tun… sage ich mal als Wahl-Ungar ;)
Vielleicht wäre es eine Idee mal hier nachzufragen: http://www.belleslettres.eu/
Tja, ich habe auch immer „untig“ als Gegenteil von „obig“ verwendet. Vielen Dank also für die Klarstellung. Man könnte jetzt argumentieren, dass Sprache sich ohnehin im ständigen Wandel befindet, insbesondere in einem Gebiet wie Deutschland, Österreich und der Schweiz mit den vielen regionalen Schattierungen. Mit dieser Argumentation würde uns der Genitiv dann aber auch ziemlich flott abhanden kommen – wenn es nicht schon zu spät ist. Die Frage wäre jetzt aus meiner Sicht, wann eine Wandlung in der Sprache sinnvoll ist und wann nicht. Für mich habe ich entschieden, dass Verbesserungen erlaubt sein müssen. Verbesserungen wären, wenn etwas einfacher und genauer ausgedrückt werden kann. Der Verlust des Genitiv gehört meiner Ansicht nach nicht dazu, die Verwendung von „untig“ vielleicht schon. Da es jedoch Alternativen gibt, werde ich mal eine zeitlang auf „untig“ verzichten – mal sehen, wie sich das anfühlt.
„untig“ ist m.M. wie „obig“ gebildet, beide von oben/unten. Warum im Duden und Österr. Wörterrbuch nur „obig“ steht, aber nicht „untig“, ist seltsam.
Ja, das ist mir schon klar, wie das Wort gebildet wurde. Der Artikel ist auch etwas polemisch gemeint. Aber gut erkannt: Es ist schon seltsam, dass der Duden das Wort nicht kennt.
Einen sehr wichtigen und hilfreichen Hinweis gibt es unter Woxikon, inklusive Gesetzestext von 1782, der das Wort „untig“ ebenfalls als Antonym zu „obig“ enthält. Es ist also tatsächlich verwendbar!
Ah, OK. Es wirkt dennoch in meinem Wortschatz wie ein Fremdkörper. Aber schön, dass es einen wirklichen Verwendungszweck gibt. Dankeschön.