Wenn man den Medien so zuhört, denkt man sich, dass wir jetzt alle einfrieren werden. Es muss ganz schlimm draußen sein. So überraschend kalt und so. Wenn ich mir so anhöre, was sie so zum besten geben, kann ich einfach nur lachen: Eisschrank Deutschland! Ich bin unweigerlich an die Katastrophenfilme aus Hollywood erinnert, in denen innerhalb von Minuten die ganze Welt zufriert. Das passiert sicherlich auch hier in unserem Wohnzimmer zwischen Alpen und Nord- und Ostsee, stimmt’s?
Ja, es ist kalt draußen. Mancherorts fielen die Temperaturen in der Nacht auf minus 20 Grad Celsius. Das war so angekündigt. Und ich erinnere mich daran, dass das immer wieder in der Vergangenheit geschah. Aber nun machen sie in den Medien ein Aufhebens darum, als ob das ein unerhörtes Ereignis ist. Nein, ist es nicht. Vor allem nicht in der ersten Dekade des Januars. In den letzten Jahren hatten wir anderes Wetter, da war es nicht so kalt. Dieses Jahr ist es eben anders. Na und?
Ich weiß es noch, wie das vor ein paar Jahren in Leipzig war. Da fror die Stadt zu und starb vor sich hin, wenn man der Zeitung mit den meterhohen Schlagzeilen glauben kann. Ich musste zu der Zeit morgens kurz nach fünf oder so außer Haus. Es waren mitten in der Stadt minus 26 Grad Celsius. Man sah, wie der Schnee glitzerte, hörte, wie er knirschte. So ähnlich, nur bei rund minus 10 Grad Celsius, ist es derzeit. Damals hat niemand so einen Aufstand gemacht wie heute. Niemand – außer der Zeitung mit den großen Schlagzeilen.
Das Problem damals war, dass es im Raum Leipzig ungewöhnlich viel geschneit hatte und dann der Wind von Nordwesten her in den Trichter der Leipziger Tieflandsbucht hinein fuhr. Die kühlte aus. Danach wechselte die Windrichtung, sodass der Wind über die Tieflandsbucht hinwegzog und die Kälte hier blieb. So wurde es zumindest erklärt. Nun ist es so, dass der Wind von Norden kommt. Das hat ja alles niemand gewusst, nicht wahr?
Es hat niemand gewusst, dass es im Winter auch mal kalt werden kann. Niemand hat auf die Nachrichten Anfang der Woche gehört, als der Temperaturabfall angekündigt wurde. Und nun stellen sich die gleichen Nachrichten hin und faseln einen von „Eisschrank Deutschland“ daher. Und sie zeigen Bilder von Lkw, die im Straßengraben liegen. Wie war das während der Fahrschule? Man fährt der Witterung angepasst, fährt also notfalls eher los, um ggf. langsam fahren zu können. Das Theater um „Eisschrank Deutschland“ können wir doch alle vergessen.
Da wird palavert, dass der „Schneesturm“ den Verkehr durcheinander wehen würde. Ernsthaft? So was macht der? Ich stelle mir gerade vor, dass tonnenschwere Lkw durch die Luft fliegen. Dann ist es ja logisch, dass sie im Straßengraben liegen. Die sollen froh sein, dass die Karren nicht auf Kirchturmdächern gelandet sind. Ehrlich, erzählt den Leuten doch nicht immer so einen Quatsch. Ja, es ist kalt. Ja, es ist windig gewesen, was die Kälte brachte. Aber es war nicht unvorhersehbar. Und es war erst recht nicht überraschend.
Vor 30 Jahren war es schlimm, als Leipzig und auch die halbe DDR im Schneechaos versank. Im Januar 1987 gab es schon mal Temperaturen von minus 20 Grad und darunter. Nur: Damals war die DDR wirtschaftlich am Ende, sodass keine Vorsorge getroffen werden konnte. Die Kohle fror auf Güterzügen ein, die Fernheizung fiel aus, die gesamte Wirtschaft brach zusammen und all das. Das, was da derzeit passiert, ist nun nicht weiter schlimm. Also sollten wir alle vielleicht ein wenig relativieren. Aber können wir das?