Alljährlich zu Pfingsten findet in Leipzig das Wave Gothic Treffen statt. Der düstere Karneval nimmt dabei fast die ganze Stadt ein, und das ist auch OK. Dumm nur, dass sich in diesem Jahr zum 200. Mal der Geburtstag des weltweit anerkannten Komponisten Richard Wagner jährt, der ja in Leipzig geboren wurde.
Man denkt sich, dass es da doch Kontroversen gibt, dass da Welten aufeinander treffen. Ernsthaft gefragt: Gibt es die wirklich?
Man sprach bei der Beobachtung des Aufeinandertreffens von Gothic und Wagner vom „Kampf der Hochkultur gegen die Subkultur“. Gern unterstellt man den Anhängern der Gothic-Szene eine gewisse Nähe zu Schmutzigem, zum Tod, zu allem möglichen. Sie werden oft als Freaks hingestellt. Und deshalb eben auch „Subkultur“. Andererseits sagt man von Fans der klassischen Musik, die Oper und Co. heimsuchen, dass sie elitär seien. Und deshalb sei das die Hochkultur. Ende, aus, fertig.
Aber so einfach ist es nicht. Zum Beispiel ist eine der beliebtesten klassischen Werke unter den Gothic-Fans eben die Oper „Walküre“. Und diese Oper um die Mythen rund um die nordische Schlacht- und Schildjungfer ist ziemlich das bekannteste Werk Wagners. Ebenso der „Tannhäuser“ von Wagner.
Also findet man durchaus Übereinstimmungen. Überhaupt sind viele Gothic Fans durchaus sehr stark kulturell engagiert. Mal ganz davon abgesehen, dass nicht nur Opern-Liebhaber als elitär gelten, von den Anhängern der düsteren Szene wird ähnliches behauptet. Also hat sich das Wave Gothic Treffen durchaus elegant mit den Richard-Wagner-Festtagen arrangiert und sich auch ergänzt.
Zwar spielte auf dem Wave Gothic Treffen Richard Wagner – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle. Aber viele schrill und schwarz gekleidete Leute besuchten kulturelle Veranstaltungen rund um den bekannten und ungeliebten Sohn der Stadt. Soweit ich weiß, war Wagner in Leipzig nie sonderlich beliebt, und auch Wagner hielt nicht viel von seiner Geburtsstadt. Aber Stadt und Sohn sind eben doch ein wenig verbunden, und deshalb die Festtage.
Nun gehen schwarze Szene – wie sie oft genannt wird – und Wagner wieder getrennte Wege. Probleme gab es überhaupt nicht. Der Balance-Akt, den viele im Vorfeld erwartet haben, war dann gar keiner. Die Gothic-Fans wurden in den Wagner-Veranstaltungen als wohltuende Gesellschaft angenommen. Und andersherum wurde auch kein Opernfan aus dem Mittelaltermarkt oder einer anderen Veranstaltung rund um das Wave Gothic Treffen geworfen.
Zwei große kulturelle Veranstaltungen in der Stadt. Man hat gedacht, dass die Gegensätze viel zu groß seien. Aber sie waren kleiner als erwartet.