Jeder kennt das: Man sucht bei dem Video-Portal YouTube nach dem Video seines Lieblingsliedes. Dann findet man es, ruft es auf und… Erhält einen Hinweis, dass das Video in Deutschland nicht verfügbar ist. Dagegen hat das Hacker-Kollektiv Anonymous etwas. Nun ist seit Sonntag-Nachmittag die Seite www.gema.de nicht mehr erreichbar.
Anonymous, das viel beschriebene Internet- oder Aktivisten- oder Hacker-Kollektiv, hat der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (kurz: GEMA) den Krieg erklärt. Das war Mitte Juni. Die Aktivisten beurteilen die hohen Forderungen der Gesellschaft an YouTube bezüglich der Verlagsrechte für Musikvideos als Einschränkung der Netzneutralität.
Der Betreiber und Besitzer von YouTube, Google, konnte sich bislang immernoch auf keinen tauglichen Vertrag einigen, der es deutschen Nutzern ermöglicht, Musikvideos etlicher Labels auf dem beliebten Videoportal anzuschauen. Die Folge daraus ist, dass Nutzern aus Deutschland die bekannte Meldung angezeigt wird, dass „dieses Video“ in Deutschland „leider nicht verfügbar ist.
Scheinbar ist das Hauptproblem, dass die GEMA ungewöhnlich hohe Forderungen stellt. So verlangt die Verwertungsgesellschaft 13 Cent pro Video-Aufruf. Freilich können diese Kosten nicht durch Werbeeinnahmen gedeckt werden, daher musste eine alternative Lösung geschaffen werden.
Leider war die GEMA bislang nicht bereit, auf irgendeinen Kompromiss von Google einzugehen. Stattdessen wurde ein Rechtsstreit angezettelt. Die Gesellschaft verklagte YouTube, da rund 10 Videos auf YouTube nicht gesperrt waren. Nun liegen die Gespräche auf dem Trockenen.
Mitten in diese Situation platzte der erste Angriff von Anonymous auf die GEMA-Webseite. Das Kollektiv hat ein YouTube-Video erstellt, in dem eine computergesteuerte Stimme einen Text verliest. In dem Text heißt es u.a.:
Anonymous empfindet dieses Vorgehen als eine Einschränkung des freien Informationsflusses. […] Wir haben keine Probleme damit, dass sie versuchen den Plattenfirmen und Künstlern einen Gewinn zu verschaffen. Dabei stehen sie sich aber selbst im Weg und dadurch auch den Künstlern.
Wie gesagt, das war Mitte Juni. Allerdings ist die GEMA seit Sonnatg wieder nicht erreichbar. Wenn Sie die Seite der Gesellschaft aufrufen, erhalten Sie Seiten-Ladefehler, Fehler zur Dienstverfügbarkeit etc. Wer das Browser-Plugin „Web of Trust“, also WOT, nutzt, erhält zudem einen Hinweis, dass die Seite einen schlechten Ruf hat und besser nicht aufgesucht werden solle. Dies zeigt der nebenstehende Ausschnitt (bitte zum Vergrößern das Bild anklicken) aus meinem Versuch, die Webseite aufzurufen.
Zudem sind Anonymous wirkliche Spaßvögel. Sie klinkten sich offensichtlich ins Netzwerk von der GEMA ein und manipulierten die Webseite der Verwertungsgesellschaft. Hierbei wurde die Startseite derart verändert, dass das von YouTube her bekannte Bild in veränderter Form erscheint. Da allerdings – wie bereits geschildert – die Webseite sowieso derzeit gar nicht mehr erreichbar ist, können Sie dieses Bild nicht sehen. Aber über pastehtml.com wurde ein Screenshot der Webseite bereitgestellt, den Sie nebenstehend sehen können.
Was sagt die GEMA selbst dazu? Der Musikwoche gegenüber erklärte Bettina Müller, Sprecherin der Gesellschaft, folgendes: „Die gema.de ist seit einigen Stunden wieder Ziel einer Hacker-Attacke und daher teilweise nicht erreichbar. […] Wie lange der Angriff dauern wird, können wir momentan leider noch nicht abschätzen.“
Das Online-Portal gulli.com schreibt darüber, dass es Anonymous aufgrund einer kritischen Sicherheitslücke gelungen ist, die Webseite vom Netz zu nehmen. Angeblich sind keine selbst eingestellten Inhalte mehr einsehbar. Das Portal scheint Kontakt zu den Aktivisten zu hegen. Diese teilten offenbar mit, dass die meisten Drucker der Firma vom Netzwerk genommen und deren Passwörter verändert wurden.
Wie das Gefecht nun weitergeht, steht völlig in den Sternen. So lang sich niemand der Aktivisten zu erkennen gibt, könnte Anonymous den weitaus längeren Atem haben. Für die GEMA selbst ist dies eine unwahrscheinlich desaströse Situation. Ein Hackerangriff ist das Eine, aber aus Unfähigkeit oder mangelndem Interesse eingegangene Sicherheitsrisiken das andere. Möglicherweise bedeutet dies gar das Ende der Verwertungsgesellschaft.