Dorothee Bär wird die oberste Digitalisiererin der nun doch kommenden Bundesregierung, die eine ganz kleine große Koalition ist. Die bayrische Politikerin wird im Kanzleramt sitzen. Und sie machte von sich Reden. Fliegende Taxis sollen ihrer Meinung nach kommen. Au weia, wurde sie dafür ausgelacht. Aber ist das alles? Ich weiß nicht so richtig, ob es nicht etwa ein Fehler ist, sich ausschließlich auf diese Idee zu versteifen. Denn vielleicht ist Dorothee Bär sogar die richtige Besetzung für das Thema Digitalisierung?
Fliegende Taxis – Ehrlich?
Das ganze Internet-Publikum lacht sich derzeit einen fetten Ast über die Aussage von Dorothee Bär bei Marietta Slomka im „heute journal“ ab, als sie etwas von autonomen Autos und fliegenden Taxis erzählt hatte. Das Ganze wurde schnell zu einem viralen Hit. Aber ist es denn wirklich so gewesen? Hat sich da nicht etwa ein Schlagwort verselbständigt, das man nur schwer wieder einfangen kann? Was hat denn die Mutter dreier Kinder eigentlich erzählt?
Marietta Slomka, der große Star des Nachrichtenmagazins des ZDF, fragte die bayrische Politikerin, wie es denn eigentlich mit dem Breitband-Ausbau weitergeht, jetzt wo sie „Staatsministerin für Digitales“ sei. Bär antwortete nicht direkt darauf. Und wenn man ein paar Takte darüber nachdenkt, ist die Antwort gar nicht so blöd. Sie antwortete sinngemäß, dass man das Thema der Digitalisierung nicht auf die Frage nach dem Breitband verengen dürfe, sondern die folgenden Fragen mit einbeziehen muss:
- Kann ich mit dieser Infrastruktur, die wir dann haben, auch mal autonom fahren?
- Habe ich die Möglichkeit zum Beispiel auch mit einem Flugtaxi durch die Gegend fahren zu können?
Beides sind rhetorische Fragen. Denn jeder weiß, dass Deutschland noch nicht so weit ist. Und das liegt daran, weil dieses Thema jahrelang keinerlei Rolle gespielt hatte. Ich habe Dorothee Bär aber auf Twitter so erlebt, dass sie da durchaus Licht ans Rad bringen kann. Denn sie kennt sich ihren Tweets und Retweets zufolge schon halbwegs bei den Themen Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Geoblocking, Internet-Fernsehen und all dem aus. Man sollte sie nicht unterschätzen und ihre Kompetenz auf das fliegende Taxi reduzieren.
Wer ist eigentlich Dorothee Bär?
Die Bambergerin wird im April 40 Jahre alt. Ja, sie ist ein „junges Huhn“ in der deutschen Spitzenpolitik, wenn wir uns ihre Kollegen so anschauen. Sie hat Politikwissenschaft studiert und war unter Bundesdatenautobahnminister Dobrindt Staatssektretärin. Dass ihr Chef nicht unbedingt die beste Besetzung für die Themen Verkehr, Infrastruktur und Digitales war, war jetzt nicht unbedingt ihre Schuld. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob sie den Breitband-Ausbau hätte beschleunigen können.
Sie kennt sich auf den Gebieten von Voice over IP, virtuelle private Netzwerke oder Geoblocking aus und macht den alten Männern innerhalb der CSU schon länger Beine, digitale Themen nicht so schwachbrüstig zu betrachten. Und wer weiß, vielleicht diskutiert man in ein paar Jahren nicht nur über fliegende Taxis, sondern auch über Bio-Drucker oder Nanoroboter. Das sind alles Zukunftsthemen. Wenn ich aber denke, dass Politik etwas für die Zukunft ist, dann muss auch Politik über solche Themen einfach mal spinnen dürfen.
Ich komme um den Eindruck nicht herum, dass sie gern ein richtiges Ministerium geleitet hätte. Und ich glaube, dass sie die Digitalisierung als einzige Regierungspolitikerin ernst genug nimmt. Bei den Grünen und bei der FDP gibt es noch Politiker mit entsprechendem Hintergrund-Wissen. Aber in der großen Koalition sehe ich doch einigermaßen schwarz. Und deshalb ist es abseits von fliegenden Taxis eine sehr gute Idee, dass Dorothee Bär die Digitalisierung voran bringen soll.
Einschätzungen greifen daneben
Es gibt nichts wichtigeres, als die Digitalisierung. Darüber sind wir uns einig. Und die ist dann irgendwann abgeschlossen. Ich fragte mal, was danach kommen könnte. Mit Dorothee Bär ist nun jemand in der Bundesregierung zugegen mit einer möglichen Antwort darauf. Und diese Antwort zeigt eigentlich auch, wie jämmerlich der Zustand der Digitalisierung in Deutschland ist. Wir können uns das fliegende Taxi heute noch nicht vorstellen, und sicher gibt es momentan dringendere Aufgaben. Aber wenigstens hat Dorothee Bär mal eine Idee.
Deshalb greifen meiner Meinung nach die spöttischen Tweets zu kurz und eigentlich auch ziemlich weit daneben. Auch kann ich nicht erkennen, wieso sie eine „überforderte Pseudo-Ministerin“ sein soll. Sie ist vielleicht mit einer (momentan noch) spinnerten Vision etwas zu weit gegangen. Und vielleicht hat sie als (nur) Staatsministerin gar nicht die Möglichkeiten, die Digitalisierung so voran zu treiben, wie sie und „die Internet-Gemeinde“ es gern hätte. Aber sie spricht wenigstens die Themen an. Daher finde ich diese Einschätzung besser.
Es wird ihr sicherlich nicht gelingen, Deutschland komplett zu digitalisieren. Dazu wird wahrscheinlich der neue Bundesdatenautobahnminister Scheuer auch bloß zu lahm sein. Die restliche Regisrungstruppe gleich mit. Aber wenn es ihr gelingt, dem ganzen Laden ein wenig Feuer unter die Allerwertesten zu machen, ist schon etwas erreicht. Und notfalls bleibt uns halt die Bully-Parade: