Exchange Server vNext: Lasst es doch einfach sein

Es ist ein Quell ewiger Freude, wenn man so beobachtet, was Microsoft so treibt. Nun haben sie was von einem Exchange Server vNext erzählt. Was soll das sein? Es hieß ja irgendwann mal vollmundig, dass ein Exchange Server 2022 kommen soll. Den hat Microsoft stillschweigend irgendwann einkassiert, und ich war darüber sehr verwundert. Diese Version des Mailsystems war also eine Totgeburt. Und jetzt soll es eine Version geben, die gar keine Jahreszahl mehr hat? Ich bin doch da direkt beim „Longhorn Server“, von dem Microsoft vor Jahren mal gefaselt hatte. Aber gucken wir mal.

HAFNIUM war schuld

Eigentlich war es schon geplant, einen neuen Exchange Server dieses Jahr auf den Markt zu werfen. Und eigentlich hieß der schon Exchange Server 2022. Ich weiß noch, dass ich da irgendwo auch irgendwelche Updates für die Testversion oder sowas in dem Dreh gesehen hatte. Aber dann kam Corona, und mit Corona kamen die Bedrohungen. Microsoft erzählt uns davon, dass das Jahr 2021 andere Pläne hatte. Die ganzen SSUs, das Mitigation Tool, AMSI und so weiter.

Ganz ehrlich: Was wir während der Corona-Zeit an extremen Problemen beim Exchange Server auf dem Tisch hatten, kannst du echt niemandem erzählen. Der Auslöser war ja wohl die enorme Angriffswelle der Hackgruppe HAFNIUM. Die kritischen Eskalationen griffen wie Funken auf Reisig um sich. Das letzte ganz enorme Problem war dann auch noch, dass das Signatur-Update zum Jahreswechsel schief ging. Das war schon eine wilde Reise.

Und irgendwann muss das Produktmanagement bei Microsoft die Reißleine gezogen haben. Denn ganz plötzlich hieß es dann, dass im Herbst 2022 ein enorm wichtiges Update kommen soll. Ab diesem Zeitpunkt ist der Exchange Server 2013 „End of Life“. Anders als noch im April heißt es nun aber, dass die beiden anderen Versionen, also Exchange Server 2016 und 2019, weiterhin Support erhalten. Oder auch nicht, wer weiß? Und zwar exakt bis zum 14. Oktober 2025. Dann ist Schluss.

Was ist denn nun der ominöse Exchange Server vNext?

Es ist ja das Eine, dass ich nun nicht unbedingt meine Exchange Server auf Biegen und Brechen aktualisieren muss. Aber was ist denn das tolle, neue an Exchange Server vNext? Zunächst einmal: Es wird keine Versionierung mehr geben. Keine Version 2028, 2031 oder sonstwas. Auch wird es kein CU45 mehr geben. Microsoft schmeißt den Exchange Server vNext in die Modern Lifecycle Policy. Mit einer Art Abo-Modell wird es so lange Exchange Server vNext geben, wie es einen substantiellen Markt gibt.

Microsoft empfiehlt, die Exchange-Serverinfrastrukturen auf Exchange Server 2019 zu aktualisieren, da dies die Version sein wird, die am besten den Umstieg auf Exchange Server vNext schafft. Und es gibt eben auch signifikante Gründe, wieso Administratoren diesen einen Schritt noch gehen sollen:

  • Ein völlig neues OWA
  • verbesserte Sicherheit
  • bessere Performance und Skalierbarkeit
  • eine moderne Architektur
  • SharePoint- und OneDrive-Integration
  • neue Nachrichtenrichtlinien und Compliance Features

Dafür war eben auch das aktuellste CU wichtig. Nun könnt ihr eben euren letzten Exchange Server, den Last Man Standing, abschalten und Exchange aus einer PowerShell auf euren Arbeitsplatzrechnern verwalten, wenn ihr eh eine hybride Umgebung habt. Lest euch hier einfach mal mit viel Zeit quer. Das wirkt schon alles ziemlich sinnvoll, was da Microsoft vorbereitet. Und ganz ehrlich: Nachvollziehbar ist es allemal.

Es hieß auch, dass ein In-Place Upgrade von Exchange Server 2019 eingeführt werden soll, was dann zur Folge hat, dass wir uns nicht für jede Version neue Hardware anschaffen müssen. Außerdem müssen nicht mal die Postfächer verschoben werden. Überhaupt soll alles irgendwie einfacher werden. Und genau deshalb lassen sie sich dieses Mal richtig Zeit und trennen sich lieber von Versionen, die älter als Exchange Server 2019 sind.

Und warum dann „Lasst es doch einfach sein“?

Exchange Server Security Updates und OWA Redirect
Exchange Server Security Updates und OWA Redirect

Das da war eines der schlimmsten Szenarien, seitdem ich mit Exchange Servern rummache. Die Verwaltung war nicht mehr erreichbar, Dienste drehten durch, Emails wurden nicht zugestellt. Diese Server Security Updates, die seit der HAFNIUM-Nummer immer wieder herum geschickt wurden, haben viel Vertrauen kaputt gemacht. Außerdem habe ich das Gefühl, als ob im Support bei Microsoft nicht mehr so viel blickiges Personal sitzt. Wir bekommen es ja tagtäglich mit.

Der Exchange Server an sich ist ein großartiges Produkt, im Funktionsumfang, im Chaos, im Schiefgehen. Und so wird auch der Exchange Server vNext eine launige Diva sein. Vom Gefühl her wird die neueste Exchange-Version „einfach nur“ ein Frontend für Office 365 sein. Man will auf Teufel-komm-raus die Kundenfirmen in die Cloud bringen. Alter, mach das mal mit einer deutschen Behörde! Für mich wirkt das Ganze so, als sei der Exchange Server vNext sowas: Du kannst Cloud machen, musst aber nicht.

Lasst es doch einfach sein, die Kunden für doof zu verkaufen. Ihr wollt meiner Meinung nach eine „On-Premise Cloud“ schaffen. Dann sagt es auch so. Microsoft kann froh sein, dass es eigentlich keinen wirklich guten Gegenentwurf zum Exchange Server gibt. Sonst könnten sie sowas nicht bringen. Es ist gut, dass sie die Reißleine gezogen haben und alles nochmal von vorn machen. Aber dann dürfen sie gern auch Ross und Reiter nennen.

Der Konzern hat eh immer mit Kritik zu tun, die sich auf die Glaubwürdigkeit bezieht. Die Ankündigung von Exchange Server vNext ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Aber meiner Meinung nach müssten sie mal richtig die Hosen runterlassen. Ich erlebe viele Kunden, die immer wieder Fragen zur Strategie von Microsoft haben. Weil jede neue Version ja auch ein paar Mark kostet. Erzählt mal einem armen Landratsamt, dass das Alles so in Ordnung ist, was da Microsoft macht.

Fazit

Ich werde wohl vor allem im Spätsommer unheimlich viel im Support mit Anfragen konfrontiert sein, die sich darauf beziehen, dass irgendeine Organisation „mal eben“ von Exchange Server 2013 auf Exchange Server 2019 aktualisieren will und die dabei irgendwas verwurstet haben. Es wird viele Anfragen geben, die sich in Richtung Torschlusspanik entwickeln. Verschiedene Kunden wollen ihren „Weg in die Cloud“ nun abschließen, krachen aber immer wieder wegen Problemen bei Exchange Online an die Wand.

Ja, ich halte es für eine gute Idee, dass Microsoft nun den Exchange Server vNext propagiert. Gleichwohl muss der Konzern auch noch viele Hausaufgaben erledigen. Inwiefern da die Microsoft-Partner mit im Boot sein werden, müssen wir einfach mal abwarten. Jedenfalls konnte das nicht ewig so weitergehen mit den SSUs, die mit heißer Nadel zwischen Tür und Angel zusammen gestrickt wurden. Der Exchange Server vNext heißt dann am Ende auch: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert