Wir sind ihnen überall in den sozialen Netzwerken begegnet: Falschmeldungen und Hassreden. Vor einem halben Jahr gab es einen Codex, der diskutiert wird. Es heißt, dass es Zensur sei, diese Ergüsse zu unterbinden. Und es heißt, dass die Europäische Kommission die Internetkonzerne „zur Zensur zwingen“ würde. Ist das so? Oder ist es vielleicht doch ein wenig anders? Auch vor dem Hintergrund von Quellenangaben.
Brüssel, 31. Mail 2016: Die Europäische Kommission hatte an diesem Tag gemeinsam mit Facebook, Twitter, Youtube und Microsoft einen Verhaltenskodex vorgestellt. Darin enthalten sind auch eine ganze Menge Verpflichtungen der Unternehmen zur Bekämpfung und Verbreitung von Hetze. Der Handlungsbedarf besteht in jedem Fall. Irgendwie ist aber dazu noch nicht allzu viel geschehen. Ich habe es selbst mitbekommen, dass offensichtliche Hetze nicht als solche vom jeweiligen Betreiber des Netzwerks erkannt wurde, selbst wenn dieser direkt darauf hingewiesen wird.
Im Zuge der Fake News Debatten wird nun angegeben, dass die sozialen Netzwerke „die Kontrolle des Internets“ aufgegeben haben sollen und an „den Staat“ abgegeben haben sollen. Alles zum Schaden der „ganzen alternativen Nachrichtenszene“. Als Quellen werden unter anderem die Breitbart-News angeführt, die als neue Gefahr in den Medien angesehen werden. Politisch steht diese in der Ecke „rechtskonservativ bis rechtspopulistisch“. Eine weitere Quelle, die angeführt wird, ist eine Seite, die über nichts verfügt, das wie ein Impressum aussieht.
Ich habe selbst schon über die Macht der Fake News geschrieben. Und ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass die sozialen Netzwerke Teil des Problems sind. Ich kann es nun einmal nicht anders feststellen. Wenn verklausulierte Äußerungen bei Facebook, in denen zur Gewalt gegenüber Andersdenkenden und anders aussehenden Menschen aufgerufen wird, nicht gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen und mit einer ganzen Menge falschen Informationen unterfüttert sind, dann fördert Facebook diesen Zustand.
Ich weiß nicht, vielleicht soll hier auch nur provoziert werden, wenn gemutmaßt wird, dass die deutsche Regierung Angst vor Plänen der „Neuen Weltordnung“ habe. Ist es denn die „Demontage der freien Rede“, wenn Einträge gelöscht werden sollen, die zum Mord an Muslimen auffordern? Ist es denn die „Demontage des freien Internets“, wenn nachweisliche Falschmeldungen als solche deklariert und daraufhin entfernt werden sollen? Vielleicht können Sie mir das mal erklären, denn ich kann das als solches nicht erkennen.
Die Leute, die sich für die Schaffung und Umsetzung von Regeln im Internet einsetzen, werden von bestimmter Seite zu Zensurpredigern gemacht. Wahrscheinlich sind bei den Versuchen, dem Phänomen sinnvoll zu begegnen auch Fehler gemacht worden. Diese Art von Herausforderung gab es schließlich bisher noch nicht.
Ich weiß nicht, ob die Kontrolle über dieses komplexe Thema besser bei denen aufgehoben wäre, die die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung stellen. Ebenso wird es staatliche Instanzen vor große Probleme stellen, wenn diese mit den millionenfachen Verstössen, die es vermutlich geben wird, befasst würden. Da nutzen selbst verbesserte Algorithmen vermutlich nicht viel. Manche Bewertungen müssen Menschen treffen und bei dem Aufkommen von Nachrichten in den sozialen Medien (allein bei FB werden in Deutschland ca. 50 Mio. Statusmeldungen täglich abgesetzt) wird dies kaum zu bewältigen sein. Die Staatsanwaltschaften und die Richter sind ohnehin überlastet und kommen ihren Aufgaben nicht mehr in zufriedenstellendem Umfang nach.
Wenn wir uns als mündige Bürger bezeichnen, werden wir wohl gezwungen sein, die Sache selbst irgendwie in den Griff zu bekommen. Alles in allem plädiere ich dafür, die „Zensurmaßnahmen“ einzustellen und damit den Eindruck zu vermeiden, politisch unliebsame Aussagen aus dem Verkehr ziehen zu wollen.
Das Rückgrat sich von den wild diskutierten Maßnahmen wieder zu lösen und andere Wege zu suchen, werden die Verantwortlichen wohl leider nicht zeigen (Maas, Schwesig, Kahane). Die aktuellen Erfahrungen wirken eher kontraproduktiv.
Wir müssen lernen, wieder in einigermaßen vernünftiger Art und Weise zu kommunizieren. Dann wäre viel gewonnen. Die Fake News kriegt man auf die Art natürlich nicht weg. Da hilft nur Aufklärung und quellenkritisches Verhalten der Nutzer. Ich weiß, davon sind wir weit entfernt.
Hallo Horst und danke für deinen ausführlichen Kommentar.
Maß halten ist das Stichwort. Aber was ist das richtige Maß? Ich glaube, das ist die wichtigste Frage. Ob das Thema bei den „Carriern“ richtig aufgehoben ist, weiß ich auch nicht. Bei den Behörden jedenfalls auch nicht. Ich glaube, es muss eine Art Instanz dazwischen sein. Irgendwas unabhängiges. Du hast die Probleme richtig skizziert. Facebook wird das Aufkommen an Meldungen nicht bewältigen können, die Staatsanwaltschaften können das Aufkommen an Verfahren nicht bewältigen.
Das mit der unabhängigen Instanz kann natürlich auch von den Nutzern selbst gestemmt werden. Allerdings hat man dann das Problem, dass das Alles schnell wie Selbstjustiz wirken kann. Man kann eigentlich nur wirksam etwas machen, wenn man es wie in deinem letzten Absatz tut. Aber wie viele würden da mitmachen?