Liebe Leser, ich brauche mal Ihre Hilfe. Ich suche nach einer Erklärung, wieso es dem deutschen Michel eigentlich so herzlich egal ist, was mit seinen Daten passiert. Vielleicht haben Sie ja eine für mich. Denn so, wie sich der Deutsche verhält, ist es für mich nicht nachvollziehbar.
Die Älteren werden sich erinnern
Wir nehmen einmal die westlichen Ländereien der Bundesrepublik Deutschland her. Zum Stichtag am 25. Mai 1987 wollte man eine Volkszählung durchführen. Man liest bis heute darüber, obwohl eine Volkszählung nun nicht wirklich der Rede wert ist. Aber diese Volkszählung wurde von Boykott-Erklärungen und Bürger-Protesten und so etwas begleitet. Das Volk hatte sich aufgelehnt. Dabei ging es um solche Daten:
- Geburtsdatum
- Familienstand
- Wohnort
- Geschlecht
- Bildungsstand
- Arbeitsstätte
Und so etwas. Wonach nicht gefragt wurde, war z.B. der Name. Trotzdem wurde von Überwachungsstaat geredet. Es gab hier sogar ein Gerichtsurteil, dass die Volkszählung durchgeführt werden durfte.
Das hat die Menschen bewegt, das hat sie umgetrieben, hier ging es um ihre eigenen Daten. Da musste man in jedem Fall etwas dagegen tun. Nicht wahr?
Überwachung ist nicht mehr interessant?
Jetzt wissen wir ja auch spätestens seit dem letzten Sommer – ja, eigentlich schon immer – von den Abhöraktivitäten der Geheimdienste. Es kam zwar zu einem Aufschrei. Aber der kam nur von so Netzvolk, also von Leuten, die beruflich und so sehr viel mit dem Internet zu tun haben oder die eben Netzwerk-Junkies sind.
Irgendwie hat das Thema sonst keinen interessiert. Und pünktlich zum halbtoten Wahlkampf zur letzten Bundestagswahl wurde die Überwachungsaffäre der NSA sogar für beendet erklärt. Und der deutsche Michel sitzt rum und zuckt teilnahmslos mit den Schultern.
Die ganze Sache rund um NSA, GCHQ, BND und deren Programmen, die den Rechtsraum sehr stark verkrümmen, war nie interessant genug, dass der deutsche Michel von seinem Blumenbeet aufsah. Es interessierte ihn schlichtweg nicht. Die Volkszählung war ein Kindergeburtstag gegenüber der Allzeit-Überwachung der Geheimdienste und Konzerne. Und das interessiert niemanden?
Ist mir doch schnuppe, was der Friedrich plant
Der Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU hat ein paar Fieberträume gehabt. Und dabei ist sogar etwas herausgekommen. Nachdem man in Deutschland eh kein Interesse an dem Thema hat, könnte man das auch übergehen, nicht wahr?
Denn bis jetzt ist es in Deutschland noch so, dass jemand für etwas bestraft wird, was er begangen hat. Künftig soll sich das aber ändern, wenn es nach Friedrich geht: Künftig könnte es soweit gehen, dass derjenige belangt werden kann, von dem eine Sicherheitsbehörde denkt, er könnte man etwas unerlaubtes tun. Und deshalb muss man schnüffeln. Möglichst viel und umfassend.
Das stellt aber jeden Bürger erst einmal unter Generalverdacht. Das interessiert aber niemanden. Andreas Hoose schreibt sich bei Root & Meyer dazu die Finger wund. Er vermutet u.a. die sozialen Netzwerke hinter dieser Teilnahmslosigkeit. Denn es wird ja eh alles öffentlich breit getreten:
Katzenbilder, Bilder von Kleinkindern, Abwesenheitsinformationen (bin von … bis … im Urlaub), alles mögliche schreibt man bei Facebook rein. Der Kern in Hooses Text ist folgendes:
Sind die Menschen inzwischen tatsächlich so abgestumpft, dass ihnen alles egal ist? Privatsphäre war gestern. Hauptsache die Glotze flimmert, das Handy piept, im Kühlschrank ein paar Bier und nachher kommt Fußball…
Macht doch, was ihr wollt
Da die Pläne des lieben Onkel Hans-Peter wohl schon ziemlich weit gereift sind, könnte man jetzt denken: Die machen doch eh, was sie wollen. Nein, auch Regierungen dürfen nicht alles. Und auch nicht Auftragnehmer der Regierung. Was soll man denn jetzt am besten gegen die ansatzlose Überwachung tun?
Sich aus dem Internet zurückziehen? Das hätten manche Regierungen gern. Es ist besser, uninformiertes Stimmvieh zu dirigieren als Leute, die sich über unzensierte Medien informieren.
Alles geheim halten? Das wäre ein Ansatz. Aber die Geheimdienste beschaffen sich ganz sicher auch Daten, auf die niemand außer der Daten-Inhaber zugreifen kann.
Daten verschlüsseln? Könnte man tun. Aber wenn ich etwas einschließe, muss ich dem Empfangsberechtigten auch einen Schlüssel geben. Und irgendwie muss man seinem Empfänger auch erzählen, wie rum er den Schlüssel drehen muss. Außerdem ist es inzwischen bewiesen, dass die Geheimdienste an jeden beliebigen Schlüssel gelangen könnten.
Nein, es gibt rechtliche Grundlagen. Sei es die nationale Verfassung oder das Völkerrecht oder was auch immer. Wer dagegen verstößt, muss dafür haftbar gemacht werden. Es müsste halt nur jemand den ersten Schritt machen. Denn wo kein Kläger, da kein Gericht.
Und so lang die Regierungen und Geheimdienste nicht in die Schranken gewiesen sind, werden die immer so weitermachen, egal, was sie dem Bürger erzählen. Und so lange werden sie natürlich auch machen, was sie wollen.
Es ist langsam an der Zeit, dass man aufhört, mit den Schultern zu zucken, und anfängt, sich so wie 1987 zu verhalten.
Ich sehe das ähnlich wie Du. Wenn ich das in meinem Bekanntenkreis anspreche stelle ich fest, dass ich wohl der einzigste bin, den das stört. Ständig höre ich, die NSA bekommt doch sowieso alles mit. Woran wir (also die es stört) arbeiten können ist dieser Punkt. „Daten verschlüsseln? Könnte man tun. Aber wenn ich etwas einschließe, muss ich dem Empfangsberechtigten auch einen Schlüssel geben.“ Hier muss ich mich leider einschliessen, denn auf sehr wenigen Webseiten sehe ich Angabe eines öffentlichen PGP Schlüssels. Hier sollten wir alle ansetzen.