Ich beobachte aus sicherer Distanz die Plattformen. Ich nenne sie soziale Sümpfe. Denn es kommt viel verkommener Mist darin vor, den ich nicht mehr haben will. Gleichwohl muss ich aber auch wirklich zugeben, dass ich mich nie ganz von Social Media verabschiedet habe. Am wenigsten von Twitter. Worauf ich aber gut und gern verzichten kann, sind Pinterest und Facebook. Wie komme ich darauf? Ich hatte mich von den Plattformen zurückgezogen. Und mir geht es gut damit. Aber es fehlt halt auch was.
Sind soziale Netzwerke nichts weiter als soziale Sümpfe?
Als ich vor 75 Jahren nach Leipzig zog, gab es zwar meinen Blog, aber eben noch keine sozialen Netzwerke. Ich nenne die ganzen Plattformen auch soziale Sümpfe, weil man eben da rein rutschen kann und sich gar nicht so ohne weiteres befreien kann, wenn man das nicht klug anstellt. Und ich hatte es nicht klug angestellt. Anfangs einfach nur mal probiert, hing ich dann fest. Der Modder hatte quasi meine Gummistiefel angesaugt und hielt sie fortan fest.
Keith Weed ist seit Jahren der Marketing-Chef von Unilever. Und der kam 2018 auf die Idee, die Plattformen als soziale Sümpfe zu bezeichnen. In einer Keynote schwadronierte er daher, dass die Plattformen ein Sumpf aus Intransparenz, mit toxischen Inhalten, Fake News, Hass und Rassismus sind. Und das, obwohl er mit 10 Milliarden Dollar den zweigrößten Werbeetat der Welt verwaltet. Für die Instant-Nudelsuppen-Bude. Das war damals schon ein starker Move, oder?
Nein, war es nicht. Keith Weed wollte nur nicht mehr so viel Geld pro Werbeplatz aus dem Fenster hauen. Ansonsten ist sein Laden ja immer gut mit den Plattformen zurecht gekommen. Nein, dem Keith ging es nicht darum, irgendwelche hehren Werte zu vertreten, sondern ums Geld. Das ist bei mir ja etwas völlig anderes. Mir geht es um den Seelenfrieden, um die seelische Gesundheit und all das, was dich krank macht, aber kein Arzt diagnostiziert.
Mit Abstand zum Anstand
Wir hatten in diesem Jahr aus einem bekannten Grund ein sehr ruhiges Weihnachten. Ich hatte dann aber dennoch mal auf Facebook einen Post abgesetzt, der die ganze Stille dieser Weihnachten verdeutlicht. Was war ich überrascht, dass man mich doch vermisst. Wer weiß, wie das kam, und ich will das jetzt auch nicht zu hoch hängen. Aber das hatte mich dann schon einigermaßen überrascht. Haben dann doch meine Kontakte Anstand? Die meisten sicherlich.
Ich kam auf die Idee, mal auf Twitter und LinkedIn herumzufragen, ob denn jemand die Postings zu meinen Blogartikeln vermissen würde. Aber da zeigte sich schon wieder die Algorithmen-Allmacht der Plattformen. Die sind nämlich soziale Sümpfe geworden, weil die bestimmen, was gezeigt wird. Jedenfalls kam dabei heraus:
- Auf Twitter folgen mir 494 Menschen. Davon haben 12 an der Umfrage bisher teilgenommen. Davon möchte die Mehrheit von 8 von meinen Artikeln bei Twitter erfahren.
- Bei LinkedIn folgen mir 203 Menschen. Davon haben 5 an der Umfrage bisher teilgenommen. Zwei folgen meinem Blog anderweitig, drei wollen gern von den Artikeln über LinkedIn erfahren.
Da wird es jetzt keine großen Änderungen mehr geben. Man könnte jetzt sagen: Oh, wow, insgesamt will eine Mehrheit deine Artikel wieder in den Plattformen herumfliegen sehen. Aber das stimmt ja nicht. Bei Twitter sind es 1,6% meiner Follower, bei LinkedIn 1,5%. Der Rest hat die Umfragen nicht gesehen. Oder es ist ihnen wurscht.
Wenn ich aber wieder in soziale Sümpfe steigen sollte, dann mit Abstand. Anstand habe ich – glaube ich – ohnehin. Aber ich muss mir den Abstand wahren. Aber bislang sehe ich es noch nicht ein, wieder zurück zu gehen. Dazu ist mir die Resonanz einfach zu dürftig.
Was heißt das jetzt?
Ich beobachte die Plattformen weiter. Die Weihnachtszeit hat vielleicht den einen oder anderen ein wenig zur Besinnung gebracht. Aber das muss ich dann noch weiter beobachten. Und selbst wenn ich wieder in soziale Sümpfe hinabsteige, muss ich Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Ich werde nicht mehr irgendwelchen Debatten folgen und mir die Zeit versauen, nur um irgendwelchem Geschimpfe auf den Plattformen zu folgen.
Aber es ist ja tatsächlich noch nicht soweit. Meine Heimat im Internet ist mein Blog. Und das wird auch so bleiben. Die sozialen Netzwerke haben noch nie so die große Rolle gespielt, was die Zugriffe betrifft. Und ich habe auch so weder Zeit noch Lust noch Nerven, mich pausenlos in irgendein Minenfeld zu begeben. Deshalb bin ich momentan nicht davon überzeugt, mich wieder in das gefährliche Terrain soziale Sümpfe zu begeben.
Ganz loslassen kann ich aber irgendwie auch nicht. Ich beobachte sie also weiter. Und wer weiß, vielleicht wollen ja noch mehr an diesen Umfragen teilnehmen. Wenn nicht, ist es auch egal. Ach ja, Facebook fällt raus, weil ich da in meinem Profil keine Umfrage machen kann. Tja, und Pinterest ist eigentlich egal.