Upload Filter und Leistungsschutzrecht: Gekaufte Demos

Ja, ich langweile. Denn es geht mal wieder um Upload Filter und Leistungsschutzrecht. Ach ja, und um die Enteignung von Urhebern in Europa. Gestern war ein denkwürdiger Tag. Seit einiger Zeit ist der offene Verbal-Krieg zwischen allerlei Stimmen entbrannt, in dem schon lange die Wahrheit ihre Daseinsberechtigung verloren hat. Mittendrin die Christlich-Demokratische Union, CDU. Das muss ich im Abwasch der Woche dann doch kommentieren.

Upload Filter und Leistungsschutzrecht: Die Neuzählung der Artikel in der Urheberrechtsrichtlinie

Wir reden bei all der Kritik an der Europäischen Urheberrechtsrichtlinie im Wesentlichen eigentlich über drei Artikel. Es handelt sich um den Artikel 11, der das Leistungsschutzrecht für Presseverlage nach der Vorlage des deutschen LSR regelt und damit Einnahmen aus der Google-Suche für Verlage generiert. Es handelt sich ferner um den Artikel 12, der Tantiemen aus Kopierabgaben zwischen Urhebern und Verlagen aufteilt und Urheber enteignet. Und es handelt sich um den berühmt berüchtigten Artikel 13 mit seinem Upload Filter.

Die drei haben nun – oh Wunder – neue Artikelnummern erhalten. Ich habe das im Laufe der Woche mitbekommen, wie sofort eine riesige Verschwörung und ein Versteckspiel gemutmaßt wurden. Kein Wunder, nachdem der Termin zur Abstimmung über die Urheberrechtsrichtlinie einige Male hin und her geschoben wurde. Aber es soll bloß eine Neunummerierung sein, um Unter-Artikel zu vermeiden.

Aber anhand solcher Kleinigkeiten merken wir alle, dass die Diskussion um Upload Filter und Leistungsschutzrecht schon lange jegliches Maß verloren hat. Und wenn wir uns dann umschauen, was gestern bundes- und europaweit geschah, und die Berichterstattung dagegen halten, passt auf einmal alles zusammen. Und die Politik klatscht in die Hände und freut sich daran, wie sich die Akteure gegenseitig fertigmachen.

Ein paar gekaufte Demonstranten

Gestern fanden in vielen Städten Demonstrationen gegen die Urheberrechtsrichtlinie statt. Im verlinkten Artikel von T-Online ist die Rede von „mehr als 100.000 Menschen“. Andere Schätzungen gehen von mindestens 150.000 Teilnehmern allein in Deutschland aus. München, Köln und Berlin allein sollen wohl die „100 K“ geknackt haben. Aber sei’s drum. Was macht der „Twitter-Kanal der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament“ daraus? Folgenden Tweet:

CDU/CSU in Europa bei Twitter

Bei den Demonstrationen sollen also gekaufte Demonstranten dabei gewesen sein. Worauf stützt sich diese Behauptung? Auf eine von einer Nicht-Regierungsorganisation (NGO) finanziell unterstützte Reise von 20 Netzaktivisten zum Europäischen Parlament, wie ARD-Korrespondent Arnd Henze twitterte:

Arnd Henze, ARD, bei Twitter

Nehmen wir aber mal an, die Schätzung von 150.000 Demonstranten trifft zu. Und nehmen wir an, Google hätte jedem dieser Demonstranten 450 € bezahlt. Dann hätte Google der gestrige Aufmarsch 67.500.000 Euro gekostet. Siebenundsechzigmillionen! Um gegen eine Richtlinie auf die Straße zu gehen. Kein Gesetz. Und diese Richtlinie würde Google, Facebook und Co. sogar nützen. Für wie doof werden die Menschen eigentlich gehalten?

Und unterm Strich handelt es sich um die Erstattung von Spesen, wie man nachlesen kann: Fahrtkosten und Hotelkosten wurden übernommen. That’s it. Im Vergleich zu dem, was Verlage den Politikern zukommen lassen, dürfte das Kleinkram sein. Selbst wenn die 67,5 Millionen oben auch nur ansatzweise stimmen würden, wie Rechtsanwalt Thomas Stadler twittert:

Rechtsanwalt Thomas Stadler bei Twitter

Es bleiben also Falschinformationen, die von der Union verbreitet werden. Und es bleiben Falschinformationen, die durch den Axel Springer Verlag in Form der BILD verbreitet werden. Das nennt man ja Fake News. Und gegen die wollten wir ja kämpfen. Wenn nun unsere Regierung da mitmacht, was ist das dann? Eine Meinungsdiktatur? Ich weiß es nicht.

#Yes2Copyright – Die Scheinheiligkeit der Verwertungsgesellschaften

Neulich machte die GEMA von sich Reden. GEMA steht für „Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte“. Das ist die Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung von Verwertungsrechten aus Musikwerken. Die ließ unter dem Hashtag #Yes2Copyright etliche Musiker zu Wort kommen. Alle finden die Aktion gut.

Und dann konfrontiert man sie mit ihrem eigenen Irrglauben. Der Verband der Deutschen Drehbuchautoren macht da auch mit. Jedenfalls hatte Lena Mayer-Landrut auch unterschrieben. Kamerawirksam, versteht sich. Auf Twitter wurde ihr dann mitgeteilt, dass es mit ihrer Hilfe dann Plattformen wie Twitch nicht mehr geben kann. Aber sie hat doch für Urheberrecht, aber gegen Artikel 13 unterschrieben. Ich glaube, sie irrt hier:

Thorsten Schwebcke rät Lena Mayer-Landrut, sich zu informieren, ihre Antwort auf Twitter zeigt, dass das durchaus ratsam ist

Die Urheber – und Lena Mayer-Landrut ist auch einer – werden kräftig draufzahlen, wenn die Urheberrechtsrichtlinie so kommt. Das hat dann nicht nur etwas mit Upload Filter und Leistungsschutzrecht zu tun. Auch die Tantiemen für die Urheber werden beschnitten, weil ein Teil davon den Verlagen zukommen sollen. Und alle finden das gut? Wer will mir das erzählen?

Friedlicher Protest für das Urheberrecht

Ja, Sie haben richtig gelesen: Der Protest richtet sich nicht gegen das Urheberrecht. Man WILL ein Urheberrecht. Kreative, Urheber, Schaffende sollen vernünftig bezahlt werden, da sonst bald keine Kreativität, keine Unterhaltung, keine Berichterstattung, kein gar nichts mehr stattfinden wird. Aber mit dieser Urheberrechtsrichtlinie mit Upload Filter und Leistungsschutzrecht kann das nicht funktionieren.

Wer hier profitiert, ist völlig klar: Es sind einerseits die großen Plattformen wie die sozialen Netzwerke und die Suchmaschinen. Und es sind andererseits die großen Verlage. Die Plattformen deshalb, weil diese das Geld zur Entwicklung dieser Filter haben und sie dann als Dienstleistung anbieten können. Die Verlage, weil sie bei allem und jedem mitverdienen. Und zwar zu Lasten der Urheber.

Dass das unfair ist, stellt niemand infrage. Es geht nun einmal nicht nur um den Artikel 13, der nun Artikel 17 heißt. Es geht um die Freiheit im Internet, um die Finanzierung von Kreativität. Aber es geht eben auch darum, dass ein kommentierendes Kontrollorgan vorhanden sein muss, nachdem die Medien als vierte Gewalt dies nicht mehr sein können.

Sie haben ihre Glaubwürdigkeit verloren. Es sind ja nicht nur privatwirtschaftliche Medienkonzerne, die hier verbrannte Erde hinterlassen. Auch die Öffentlich-Rechtlichen namens ARD und ZDF sind nicht besser. Die lügen nicht direkt, aber sie unterschlagen und relativieren. Und damit können sie kein Kontrollorgan der drei anderen Gewalten – Exekutive, Legislative und Judikative – mehr sein.

Der Protest gegen diese Entwicklungen ist friedlich. Niemand zündet etwas an. Zum Glück haben die Medien – so viel ich weiß – noch nicht behauptet, dass es brennende Barrikaden gab. Wie das zum Beispiel in Köln aussah, kann man im Reisen- und Fotografie-Blog von Thomas Jansen sehen. In Erfurt auch: Dort hat der Buchautor Frank C. Mey die Proteste kommentiert.

Gibt es denn einen Ausweg?

Bis an die Zähne sind alle bewaffnet. Man bewirft sich gegenseitig mit Schmutz, bezichtigt sich gegenseitig der Lüge, verbreitet selbst Unwahrheiten – oder halt: Alternative Fakten, wie es neuerdings heißt. Die Frage ist doch: Wie löst man diesen gordischen Knoten, wie schafft man eine Grundlage, dass jeder etwas davon hat? Kurz: Gibt es einen Ausweg?

Ich weiß, dass das Thema nicht viele Leser interessiert. Ich sehe es anhand der Zugriffsstatistik. Und deshalb ist dieser Artikel mit inzwischen wieder weit über 1000 Worten auch bloß wieder zu lang. Aber das Thema ist nun einmal wichtig. Und es betrifft jeden. Denn jeder, der irgendwas teilt, hochlädt, publiziert, etc., ist von der Urheberrechtsrichtlinie mit Upload Filter und Leistungsschutzrecht betroffen.

Und ganz ehrlich: Das sind wir alle. Ob in den sozialen Netzwerken – also den Plattformen – oder in der eigenen Publikation – also wie ich in meinem Blog. Und deshalb müssen wir uns alle an der Debatte beteiligen. Und wir dürfen es niemandem durchgehen lassen, dass Informationen und Fakten gebeugt, beschönigt oder verfremdet werden.

Ich bin ganz ehrlich: Wenn ein YouTube-Star sein Video mit Musik unterlegt, muss sie oder er das dürfen. So wie ich es dürfen muss, für einen Artikel ein Bild zu verwenden. Haben wir nicht die Erlaubnis, handelt es sich um eine Urheberrechtsverletzung. Aber Satire und Co. müssen mehr dürfen können. Und das zu unterscheiden, dafür sind Upload Filter wohl niemals in der Lage.

Politiker müssen die Gesetzgebung machen. Juristen die rechtlichen Rahmen definieren. Aber die Experten bei so etwas sind die Urheber selbst, die Internet-Experten, die technischen Experten. Nicht die Verlage. Die wollen nur Geld verdienen. Ich denke, der Ausweg könnte sein, wenn man auf die richtigen Experten hört. Da lehnt niemand das Urheberrecht ab. Alle wollen es reformieren.

#SaveYourInternet – Stoppt die Zensur

Ja, es klingt übertrieben. Ist es denn wirklich eine Zensur? Nun ja, man könnte ganz schnell eine Zensur daraus machen, wenn es denn die „Upload Filter as a Service“ einmal gibt. Deshalb gibt es eine Petition auf change.org, an der man sich beteiligen kann. Die soll bewirken, dass die Parlamentarier einfach nochmal darüber nachdenken, was sie abnicken sollen. Über 5 Millionen Stimmen wurden bisher abgegeben:


Stoppt die Zensurmaschine – Rettet das Internet! #Uploadfilter #Artikel13 – auf change.org

Hier geht es zur Petition. Gerade, nachdem Mitglieder der Regierungsparteien sich anmaßen, ihre Bürger zu diffamieren, sollte man ihnen zeigen, dass es so nicht geht. Niemand will das Urheberrecht abschaffen. Aber Filter-Mechanismen und die Enteignung von Urhebern können wir nicht hinnehmen. Deshalb soll man sich mit der Richtlinie erneut beschäftigen.

Am Dienstag, 26. März, soll über diese Richtlinie abgestimmt werden. Die Chancen stehen mittlerweile 50/50, dass sie nicht verabschiedet wird. Aber es weiß niemand, ob dem auch so ist. Die Schmutzkampagnen gehen ja ungebremst weiter. Man kann ja auch den renommierten Medien inzwischen kein Wort mehr glauben.

Die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allgemeine, die Tagesschau, alle möglichen Medien, die nicht im Verdacht stehen, Hetzer zu sein, beugen die Realität. Darum sage ich immer, dass man selbst die Informationen gegenprüfen soll. Möglicherweise soll das ja auch in Zukunft verhindert werden. Und das wäre Zensur. Und genau deshalb gibt es die Proteste. Oder etwa nicht?

2 Replies to “Upload Filter und Leistungsschutzrecht: Gekaufte Demos”

  1. Mal ein paar Gedanken zur Umnummerierung (achtung, ich hab die Alukappe auf):

    Seit Monaten werden die Abgeordneten in der EU mit dem Thema Art. 11, 12, 13 „genervt“. Es gibt offene Briefe, Petitionen, Demos, massenweise eMails… und immer geht es um Art. 11, 12, 13.

    Nun interessieren sich die meisten Entscheidungsträger, die letztlich abstimmen, nicht wirklich für das Thema und ein Großteil hat schlicht keine Ahnung, um was es allgemein und im Detail geht.

    Jetzt schreitet man zun Abstimmung… aber Artikel 13 ist gar nicht mehr Artikel 13, sondern Artikel 18. Ob dann die reinen Knöpfchendrücker (also diejenigen, die im Parlament sitzen, Kohle kassieren und dann nach Fraktionszwang auf ein Wahlknöpfchen drücken) realisieren, dass die Proteste nun z. T. gegen Art. 18 (vormals 13) gingen?

    Ist schon seltsam… ich erinnere an die TPD2, wo massiv protestiert wurde, den Art. 18 (E-Dampfen) aus der TPD2 rauszulassen… und der dann ganz kurz vor Abstimmung wie von Zauberhand zu Art. 20 wurde…

    1. Ja, das weiß ich auch noch. Aber Parlamentsbeobachter und „informierte Kreise“ sagen, dass es wirklich nur die Vermeidung einer zu großen Kaskadierung sein soll. Also statt Artikel 3.1 a) und 3.1 b) und Artikel 3.2 a) und 3.2 b) werden da nun Artikel 4 a) und b) bzw. 5 a) und b).

      Klar gibt es berechtigte Zweifel, ob das so stimmt. Und natürlich habe ich mir ähnliche Gedanken dazu gemacht. Und was am Ende stimmt, werden wir vermutlich nur mitbekommen, wenn wir ganz genau zuhören.

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