Der Meister der Wünsche – das dritte Album der Band Nightwish – fast auf den Tag genau vor 15 Jahren erschien es. Und es war der Durchbruch. Hatte man vorher von den spektakulären Symphonic-Rockern außerhalb Finnlands kaum Notiz genommen, änderte sich das schlagartig mit dieser Stunde Bombast-Rock. Das Eigenartige an dem Album ist, dass Band-Kopf Tuomas Holopainen die Scheibe als unpersönlichste im Schaffen der Band ansieht. Und das trotz der Tatsache, dass das Signatur-Stück der Band hierauf zu finden ist.
Auf „Wishmaster“ finden wir Tragödien, Fantasie, Herr der Ringe und Walt Disney. Und so kämpfen wir uns durch ein Epos, das ziemlich viele Themen anspricht.
Los geht’s mit dem kraftvollen „She is my sin„. Man soll sich vor ihr hüten, die sie weder ihn noch sie berührt. Sündige Gedanken, von denen jeder eine Blume ist. Brennende Schleier für die Braut, die zu teuer für ihn ist. Er ist es, der ihre Sünden einschließt. Und die Lust ist nicht so kreativ wie ihre Entdeckung. Die rasante Nummer macht irgendwie wach, klingt aber irgendwie nach Bon Jovi mit klassischem Frauengesang.
Etwas wilder geht es dann noch mit „The Kinslayer“ zur Sache. Der schnelle Song über den Mörder der Verwandten kommt in akkuratem Stakkato-Gesang um die Ecke und erzählt von Geschützen und der Verbeugung vor einem Krieg, die schon Religion genannt werden kann. Es wird über Todesschreie von Freunden und Kindern erzählt. Familienfehden sind so ziemlich die ältesten Schlachten der Welt, oder? Ich halte das Lied für ziemlich gelungen.
Mit „Come Cover Me“ wird es etwas friedlicher. Aber nur etwas. Denn im „Kinslayer“ wurden Witwen gemacht. Und diese Witwe weint. Ihre Nacht soll mit Liebe bedeckt werden. Er soll sie mit sich bedecken. Und selbst wenn dieser Traum nur eine Nacht lang dauert. Und plötzlich erscheint ein November wie ein Mai. Dieses Intermezzo ist recht optimistisch nach all dem Gemetzel des vorherigen Liedes, oder?
Hörenswert ist dann „Wanderlust“ – also das Fernweh. Ein rasantes Opus mit schnellem Schlagzeug und melodischem Gesang und verspieltem Klavier. Sie hört den Ruf der Wildnis und will für immer weg. Und sie will bei der blauen Lagune lieben. Irgendwie reist man da gerade mal mit zu den Korallen oder zu den Delfinen, durch den Tunnel, oder direkt nach Alaska. Ein Ohrenschmaus ist der Frauenchor der letzten Minute.
Mit „Two for Tragedy“ haben wir dann aber wirklich eine Ballade. Der gefallene Sohn soll in Frieden ruhen, denn dann wird der Schmerz verjagt. Für die Krankheit gibt es eh keine heilende Hand. Das Lied aus Sicht einer Mutter, die um ihr totes Kind trauert, klingt so traurig, wie der Sinn des Liedes gemeint ist. Es ist eine sehr gefühlvolle Ballade, die jede Mutter in der gleichen Situation gut nachvollziehen kann, vermute ich.
„Wishmaster„, das Titelstück ist dann ein Lied für den Krieger im Fantasy-Epos. Das Lied ist inspiriert durch „Herr der Ringe“ und andere ähnliche Romane, was durch die Nennung von Elbereth, Lorien oder Dalamer deutlich wird. Elben singen und führen den „Herzensgeborenen“ auf einen hinterlistigen Weg. Ich finde, das Lied ist ein gutes Titelstück, ist es doch irgendwie sehr kraftvoll und erzählt uns über Wünsche, für die es einen Meister gibt.
Dann haben wir es in „Bare Grace Misery“ mit Elend zu tun. Irgendwie klingt das Lied so, als könnte es auch von Rockern der 70er und 80er stammen. Die nackte, anmutige Misere, in der sie sich befindet, ist die Mischung aus Lüge, Verlockung – und das bis zum Ende der Tage. Am Ende wird hier Bezug auf William Shakespeare genommen, der in der „geschändeten Lukretia“ genau dieses Thema anspricht. Ziemlich gut vertont, wie ich finde.
Im sehr treibenden „Crownless“ sind wir in hohem Tempo unterwegs und hören die Geschichte einer Königin und eines Königs, die beide ohne Krone sind. Es müssen Rätsel gelöst werden. Der Thron wird an sich gerissen. Die rassante Nummer ist all jenen egoistischen und arroganten Menschen gewidmet, die übersehen, dass alles vergänglich ist. Denn Hochmut kommt vor dem Fall.
Die einzige echte Single des Albums ist dann „Deep Silent Complete„. Erzählt wird von Sirenen am Meer aus schwarzem Samt. Der stolze Tag versinkt in endloser Nacht. Und der Sand am Ufer ist viel zu trocken. Man hört als Refrain den bezaubernden Gesang der Sirenen, die verlockend am Ufer auf ihre Opfer warten. Ich finde schon, dass das eins der besten Lieder der frühen Nightwish ist.
Die Signatur von Nightwish wurde aber mit „Dead Boy’s Poem“ geschaffen. In epischen 7 Minuten wird das Gedicht des toten Jungen besungen. Man soll nie eine bessere Welt herbei säuseln. Sie wurde bereits geschaffen, durchgespielt und erzählt. Man soll sich nicht an die Hand erinnern, die dieses Lied geschrieben hat, sondern an die Verse, an die Schreie des Liedermachers. Es ist ein bitterer Abschied. Fortan bestimmen die Themen tote Jungen, Liedermacher oder Tod an sich immer wieder Lieder von Nightwish. Und der Bombast-Sound dieses Liedes hat viel mit künftigen Produktionen zu tun.
Mit „FantasMic“ klingt das hörenswerte Album aus. Hier kommt das volle Können der Band zum Vorschein. Man hat Wünsche, die man zu den Sternen schickt. Man will ins Reich der Fantasie eindringen. Man möchte im Königreich sein, wo das Kriegerherz rein ist und Geschichten wahr werden. Wir werden von „Dornröschen“ zu „Die Schöne und das Biest“ geschickt. Auch weitere Märchen der Welt kommen zu Gehör, und überhaupt findet hier Walt Disney viel Platz.
Auf der japanischen Version ist dann noch „Sleepwalker“ enthalten. Die verträumte Nummer erzählt vom Schlafwandler, der sie festhalten soll in der gemeinsamen Ekstase. Es ist irgendwie ein Lied mit einer besonderen Stimmung. Und ich meine hier nicht den angedeuteten Sex. Ich meine das, was man gemeinhin als blaue Stunde bezeichnet, die Zeit kurz vor dem Morgengrauen.
Ja, es gibt andere Alben von Nightwish, die mehr Wow-Effekt hervorrufen. Aber wer sagt denn, dass dieses Album schlecht ist? Fantasy war immer schon für viele Menschen interessant. Und Fantasy und Heavy Metal passen auch wunderbar zusammen. Insofern ist das ein ziemlich rundes Ding, was da den Finnen vor 15 Jahren gelang. Oder sehen Sie das anders?