Manches ist allgemeingültig. Und diese Dinge währen immer fort. Heute vor 18 Jahren erschien das bisher ungewöhnlichste Album von OMD, das dann eine Durststrecke von geschlagenen 14 Jahren einläutete. „Universal“ ist das etwas andere OMD-Album, es klingt so überhaupt nicht nach der Band. Und es ist das persönlichste Album von Combo-Leiter Andy McCluskey.
Das Album muss hart erarbeitet werden. Hat man aber einmal den Zugang zu dem komplexen Gemisch aus Britpop, New Wave, Elektronik und Psychodelic gefunden, lässt man die 50 Minuten nicht mehr so einfach los. Das hatte trotzdem nicht dazu beigetragen, den Rang als erfolglosestes OMD-Werk zu verändern, was sehr schade ist. Auf der Scheibe arbeiten nämlich allerhand gute Leute mit, unter anderem Karl Bartos (Mitbegründer von Kraftwerk) oder Anne Dudley (Kopf der Industrial-Legende The Art of Noise), und es kam zu einer Zusammenarbeit mit Paul Humphreys, mit dem sich Andy McCluskey so böse zerstritten hatte. Und hier haben wir mal das Album.
Begonnen wird das Album mit dem Titelstück „Universal„, auf dem Album in einer famosen Version. Das Thema ist die Gleichheit aller Menschen. In uns fließt das gleiche Blut, und wir brauchen alle die gleiche Liebe. Und niemand fährt in den Himmel auf, wenn er stirbt. Eingenordet in „das große Ganze“ wird der Zuhörer tief beeindruckt mitgenommen auf eine Reise in die McCluskey’sche Nachdenklichkeit.
Es folgt der an sich große Hit des Albums, „Walking on the Milky Way“, das über die gute, alte Zeit erzählt. Wenn man jung ist, hat man den Kopf voller wilde Ideen und ist das erste Mal vielleicht verliebt. Und dann ist man auf dem Weg zur Venus und geht auf der Milchstraße spazieren. Und wenn man älter wird, verliert man sich vielleicht aus den Augen, andere Dinge zählen. Was immer auch passiert, niemand kann die Jugend zurückbringen.
Leider kann ich Ihnen dann das sehr hörenswerte „The Moon & The Sun“ nicht vorspielen. Es handelt sich um ein psychodelisches Stück in Zusammenarbeit mit Karl Bartos. Die Vergänglichkeit wird behandelt. Man soll nicht einfach mal die Schuld auf etwas anderes schieben, sondern sich lieber an die eigene Nase fassen. Schade, dass man das Abspielen des Liedes unterbunden hat.
„The Black Sea“ beschreibt orchestral die Fahrt ins Nirgendwo. Nichts bleibt, egal wie groß das Verlangen ist. Es ist ewiger Herbst, und er ist innerlich zerrissen und besorgt, als Lügner dazustehen. Denn er hat einfach verschiedenes – und damit auch sich selbst – versteckt.
Mit „Very close to far away“ ist es dann wieder so, dass ich Ihnen das Lied nicht vorspielen kann. Die McCluskey-Humphreys-Zusammenarbeit ist wieder phychodelisch angehaucht und erzählt davon, fast am Ende einer Gemeinschaft angekommen zu sein. Und dessen sollte man sich zu jeder Sekunde bewusst sein: Es kann augenblicklich zu Ende sein.
„The Gospel of St. Jude“ ist dann wieder in Deutschland nicht abspielbar. Ursprünglich war es das Lied „Early my God without delay“, das auseinander genommen und mit neuem Text versehen wurde. Mit den Richard Allen Singers singt Andy McCluskey über die Straße der Liebe, die er entlang gegangen ist und die felsig war. Und Frieden wird aus Weisheit geformt, und die Tränen bleiben mit Träumen umklammert.
Leider geht die Video-Blockade auch beim besten Lied des Albums, „That was then“, weiter. Das wütende Blues-Stück darüber, dass er nächtelang wach gelegen und über das böse Ende einer Beziehung gegrübelt hatte und dass diese Zeiten nun überstanden und vorbei sind, glänzt durch einen dramatischen Anstieg der Spannung und donnernde Gitarren. Die Zeit ist abgelaufen, sich über längst vergangene Dinge den Kopf zu zerbrechen.
Mit „Too late“ wird es wieder verträglicher. Die Beziehung ist beendet, das Kind ist in den Brunnen gefallen. Und es ist zu spät, nach dem Ende einfach nur gute Freunde zu sein. Es tut ihm leid, dass er nicht der Richtige war. Alle Träume sind durch die Hände gerutscht. Und eigentlich ist beiden klar, dass das Ende erreicht ist.
Das einzig wirklich elektronisch-poppige Stück ist dann „The Boy from the Chemist is here to see you„. Es ist das Lied über den Jungen aus der Apotheke, also den Typen von nebenan, der sie immer wieder sieht und sie jetzt treffen will. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Lied als Vorlage den Hit „Disco 2000“ der Band Pulp hatte. Wieso OMD mit dem Lied keinerlei Resonanz von Seiten des Labels Virgin erhielt, wird wohl ewig ein Rätsel bleiben.
Tja, dann können wir wieder nichts abspielen, aber „If you’re still in love with me“ ist durchaus hörbar. Wieder eine McCluskey-Humphreys-Kooperation, allerdings stammt das Lied in rudimentärer Urform bereits von 1987, als es noch die originalen OMD gab. Die Streichernummer, bei der Anne Dudley mitwirkte, behandelt die Hoffnung, dass doch nicht alles zu spät ist und er endlich frei kommt. Wenn sie also noch Liebe für ihn übrig hat, soll sie ihn gehen lassen.
„New Head“ als vorletzte Nummer kommt im psychodelischen Britpop-Gewand daher. Simon Fung schrieb hier mit. Alles führt zu einer Lektion. Und diese Lektion lautet, dass alles nur gekommen ist, weil man nicht sich selbst treu geblieben ist. So gehen auch perfekte Abende schief. Wer kennt das nicht? „Sei, was du sein willst, zähl bis 3, ABC“ klingt so mystisch, wie es ist. Das Lied entstand auf einer Reise durch China.
Abgeschlossen wird das sehr gute Album mit „Victory Waltz„, einem ruhigen Walzer über das Ende eines Traums. Man soll ihn festhalten und die Gedanken fürchten, die er aussendet. Mit diesem Lied verabschiedete sich Andy McCluskey als Kopf, Sänger und Macher von OMD. Man hatte ihm übel mitgespielt, und Musik der Art, wie sie OMD fabriziert hatte, war nicht mehr erwünscht. Er verlässt die Bühne mit einem Stinkefinger.
„Universal“ ist kein Album für Leute, die OMD nur mit „Pandora’s Box“ oder „Maid of Orleans“ verbinden. Das Album ist dicht und ganz anders. OMD wurden immer geschätzt, weil sie sich nie haben verbiegen lassen. Am Druck durch die Plattenfirma, den Misserfolg „Liberator“ vergessen zu machen und ein neues Glanzstück zu fabrizieren, muss Andy McCluskey fast zerbrochen sein. Dass „Universal“ auf lange Zeit das letzte OMD-Album bleiben würde, muss für ihn schon während des Schreibens festgestanden haben. Anders lässt es sich nicht erklären, dass die Inhalte fast ausnahmslos nachdenklicher Natur sind und immer wieder vom Ende erzählen.
Die Single „Walking on the Milky Way“ wurden vom Label nirgendwo beworben und erfuhr auch wenig Resonanz in den Medien. Trotzdem ist die bärenstarke Nummer überall bis mindestens in die Top 20 gelaufen. Die zweite Single „Universal“, fast noch stärker, wurde dann „unter ferner liefen“ abgehandelt. Wären beide Singles von Bands wie Oasis veröffentlicht worden, wären es Welthits geworden. Das gab Andy McCluskey auch in einem Interview so kund. Und so gab ein resignierter, brillanter Kopf der Musikgeschichte auf.
Der Misserfolg des Albums spiegelt bei weitem nicht wider, um welche hohe Qualität es sich bei der Musik handelt. Man merkt dem Album an, dass es „sein Baby“ war. Und Andy McCluskey hat mit dem Album unumwunden der Welt gesagt: Werdet selig mit Oasis, Nirvana und Scooter. Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt. Und so muss ja auch sein, oder?
One Reply to “18 Jahre „Universal“ von OMD”