Ja, ich könnte über „Wind of Change“ erzählen, wie es nach 30 Jahren jeder macht. Aber ich nehme einfach das großartige „Send me an angel“ vor. Weil ich es kann. Was für ein wundervolles Stück Musik. Und ein großartiger Rausschmeißer für ein Album. Das Lied halte ich für wesentlich gelungener als das weltbekannte „Wind of Change“. Warum ich das so sehe, werdet ihr noch sehen. Lest also einfach mal weiter, wenn ihr wollt. „Send me an Angel“ ist richtig, richtig gut.
Will you send me an angel?
Der weise Mann sagte: „Gehe nur diesen Weg bis zur Dämmerung des Lichts. Der Wind wird dir ins Gesicht blasen, wie die Jahre an dir vorüberziehen. Hör die Stimme von tief in dir drin. Es ist der Ruf deines Herzens. Schließ deine Augen, und du wirst den Ausgang aus der Dunkelheit finden.“
Der weise Mann sagte: „Finde einfach deinen Platz im Auge des Sturms. Suche die Rosen am Wegesrand, aber hab Acht vor ihren Dornen!“
Der weise Mann sagte: „Erhebe einfach deine Hand und greife nach dem Zauber. Finde die Tür zum gelobten Land. Glaub einfach an dich selbst. Hör die Stimme von tief in dir drin. Es ist der Ruf deines Herzens. Schließ die Augen, und du wirst ihn finden: Den Ausweg aus der Dunkelheit.“
Hier bin ich! Wirst du mir einen Engel schicken? Hier bin ich im Land des Morgensterns.
Crazy World!
You have to realize, we live in a crazy world
(George Bush senior)
Die ganze Welt stand Kopf. Der so genannte Ostblock war zusammengebrochen, die USA hatten plötzlich kein glasklares Feindbild mehr und mussten sich neu erfinden. Das und vieles andere ließ den damaligen US-Präsidenten Bush das weltbekannte Zitat sagen. Als das Schlagzeuger Herman Rarebell hörte, war der Titel des Albums geboren. Das hieß nämlich bis dahin „Restless Nights“. Aber nichts passte zu dem damaligen Durcheinander besser als „Crazy World“ – Verrückte Welt.
Und manchmal ist es eben so, dass man den Kompass neu ausrichten muss, sich selbst auch neu erfinden muss. So, wie es eben die halbe Welt – und nicht nur Deutschland – vor 30 Jahren machen musste. Ich weiß noch, dass damals ein Haufen Wahrsager und Scharlatane und dergleichen ihr Unwesen trieben und der Welt sonstwas vorgegaukelt hatten. Irgendwie wollte man nur seinen Platz finden. Oder halt einen Engel, der das für einen machte. Also: „Send me an angel“.
Während alle Welt „Wind Of Change“ als Maß aller Dinge bei den Scorpions ansieht, bin ich der Meinung, dass die Band gerade mit „Send me an Angel“ neue Maßstäbe definiert hatte. Wer nun erwartet hatte, dass eine Neuauflage von „Still Loving You“ daherkommt, sieht sich getäuscht. Auch die ganzen „Savage Amusement“-Sachen sind vergessen. Es ist der Ausruf, dass ihm jemand zeigt, was der richtige Weg ist in dieser verrückten Welt. Also eine ganz andere Hausnummer als die Schöne mit ihren Higheels.
Doch eine Liebesschnulze?
Ich recherchiere ja immer zu Dingen, über die ich erzähle. So habe ich das auch zu „Send me an Angel“ gemacht. Da erzählt doch die Wikipedia davon, dass es im Lied darum geht, dass dem Erzähler die Geliebte einen Engel schicken soll. Schaut mal nach oben in die grobe Übersetzung. Lest ihr da irgendwas in diese Richtung? OK, hier kommt dann noch jemand auf die Idee, „Send me an Angel“ sei voll von satanischen Versen. Dann doch lieber Liebesschnulze, oder was?
Am Ende ist es doch genau so, wie es sich anfühlt: Anders. Im Kontext der Zeit, in der das Lied entstand (1989 – 1990 etwa) können wir nun einmal nicht ausklammern, dass die unruhigen Zeiten eine Rolle spielen. Ich bin da ganz pragmatisch. Ich bin davon überzeugt, dass es der Wunsch nach Orientierung ist. Der Morgenstern, der den Weg weist. Der Engel, der einen heimbringt. Keine Geliebte, keine Teufel. Oder seht ihr das anders?
Das Lied
„Send me an Angel“ war eine der Singles von „Crazy World“. Und natürlich gibt es ein Video zur Single. Das könnt ihr euch gern mal anschauen, wenn ihr das Lied nicht kennt.
Geiler Song, kann ich mir immer wieder anhören.
„Ich recherchiere ja immer zu Dingen, über die ich erzähle. So habe ich das auch zu „Send me an Angel“ gemacht“… und dann ist die Quelle Wikipedia.😩
In einem Interview hat Klaus Meine, gesagt, das Lied ist seiner Mutter gewidmet, die starb, als die Scorpions auf Welttournee waren. Er konnte nicht nach Hause reisen, weil viele Termine mit vollen Stadien anstanden.