„Das Narrenschiff“ ist eine bitterböse Moralsatire des deutschen Juristen Sebastian Brant, die1494 gedruckt wurde. Es geht um eine Reise von Narren in das fiktive Land Narragonien, bei der der Gesellschaft der Spiegel vorgehalten wird. Erasure hatten 1988 auch ein Narrenschiff. „Ship of Fools“ hieß die Nummer damals. Das Lied war damals die Hauptsingle des dritten Albums „The Innocents“ von 1988. Und auch Andy Bell und Vince Clarke hielten der konservativen britischen Gesellschaft den Spiegel vor. „Ship of Fools“ ist bis heute schwer beeindruckend, wie ich finde.
Do we not sail on a Ship of Fools?
Ich kann nicht glauben, was mir passiert. Mein Kopf dreht sich. Die Blumen und Bäume umhüllen mich, und ich drehe mich um. Er war der Liebling der Klasse, weißt du? Er hatte wirklich keine Ahnung, dass eins und eins zwei macht und zwei und zwei vier. Er war der Liebling der Klasse, und er wusste das wirklich nicht. Oh, was für eine arme Seele! Segeln wir denn nicht auf einem Narrenschiff? Warum ist das Leben so wertvoll und so grausam?
Ich schließe meine Augen und versuche, mir vorzustellen, was du träumst. Warum kannst du nicht sehen, was du mir antust? Meine Welt dreht sich. Du warst der Liebling der Klasse, weißt du? Du hattest wirklich keine Ahnung, dass eins und eins zwei macht und zwei und zwei vier. Du warst der Liebling der Klasse. Du warst so jung und so unsicher. Leidet, kleine Kinder! Oh, was für eine arme Seele! Segeln wir denn nicht auf einem Narrenschiff? Warum ist das Leben so wertvoll und so grausam?
Erasure auf dem Höhepunkt
Das Album „The Innocents“ ist ein sagenhaft gutes Album von Erasure. Und es gibt nicht wenige, die behaupten würden, dass es das beste Album der beiden Herren ist. Es klingt zum Teil schwer melancholisch und nachdenklich. Es werden wieder ernsthafte Themen angesprochen, wie ich schon mal zu „Hallowed Ground“ geschrieben hatte. Andy Bell und Vince Clarke hatten es sich mit dem gesamten Album nicht einfach gemacht. Und so kommt auch „Ship of Fools“ daher.
Im konservativen Großbritannien war es nicht einfach, mit Homosexualität umzugehen. Dieses Thema bestimmt das Lied. Erasure hatten immer schon versucht, Homosexualität zu thematisieren. Ob es „Oh, l’amour“ vom ersten Album war, das atemberaubende „Hideaway“ aus „The Circus“ oder eigentlich das gesamte Album „The Innocents“: Überall werden die Schwierigkeiten thematisiert. Wie die Gesellschaft selbst damit umging, konnte man ihr eigentlich nur als Spiegel vorhalten und sie auf ein Narrenschiff setzen.
Im Schüleralter ist einem Menschen die eigene Sexualität wohl nicht bewusst. Und wenn sie einem dann klar wird, wird man vermutlich unsicher. Vor allem, wenn es mit der gesellschaftlichen Einstellung nicht in Einklang zu bringen ist. Das stimmt melancholisch. Und diese Melancholie lässt eigentlich nur die eine Frage zu: „Warum ist das Leben so wertvoll und so grausam?“ Schade, dass Erasure nichts mehr derartiges zustande gebracht haben. Und eins ist mal sicher: Pop ist das bei weitem nicht.
Das Lied