Es gibt so Lieder, die immer im Schatten ihrer Vorgänger stehen. So ist das auch mit „Train of Thought“ von a-ha. Die spröde Nummer stand immer im Schatten der Gassenhauer „Take on me“ und „The Sun always shines on T.V.“. Man könnte nun denken, dass das Lied irgendwas mieses mitbringt. Das ist aber gar nicht der Fall. Es ist vielmehr so, dass das ganze Album „Hunting high and low“ sehr viel Potential bietet. Deshalb müssen wir mal über „Train of Thought“ reden. Das hat sich die dritte weltweite a-ha-Single einfach mal verdient.
Train of Thought – Der Gedankengang
Er hat es gern, wenn die Kreuzworträtsel in der Morgenzeitung gelöst werden konnten. Worte gehen hoch, Worten kommen runter, vorwärts, rückwärts, komplett verdreht. Er greift sich einen Stapel Briefe aus einem kleinen Koffer und verschwindet in seinem Büro. Es ist ein weiterer Arbeitstag.
Er liest gern ein wenig in der U-Bahn nach Hause. Ein Radio in der Ferne pfeift Lieder, die niemand kennt. Zuhause erwartet ihn ein Haus. Er schließt die Tür auf. Er denkt sich, dass einst hier ein Meer war, aber dort gab es nie eine Tür.
Und seine Gedanken sind voller Merkwürdigkeiten. Korridore von nackten Lichtern. Und sein Verstand war einst voller Vernunft. Jetzt gibt es mehr als das, was auf das Auge trifft. Und seine Augen sind zu benommen, um zu sehen. Und nichts, wovon er weiß, und kein Ort, an dem er war, war jemals so wie das. Er trägt das Gesicht eines Fremden mit sich herum. Im Innern ist er voller Fremder, die seinem Gedankengang ausweichen.
Irrungen und Wirrungen
Der Protagonist im Lied hat den Faden verloren – oder auf Englisch: „lost his train of thought“. Er ist irgendwie aus dem Konzept geraten. Das Lied ist eine nervöse Achtziger-Jahre-Nummer über Irrungen und Wirrungen. Autor und Gitarrist Pal Waaktaar-Savoy ließ sich hier bei dem Lied von den bedeutenden norwegischen Autoren Knut Hamsun und Gunvor Hofmo, sowie von Fjodor Michailowitsch Dostojewski inspirieren. Von der Schriftstellerin Hofmo wurde relativ wenig ins Deutsche übersetzt. Aber sie war trotz diagnostizierter Schizophrenie eine der bedeutendsten Autoren Skandinaviens.
„Train of Thought“ spielt genau auf das Thema Schizophrenie an. Das „Merkwürdige“ – die „Strangers“ – sind die Begebenheiten, die als „Stimmenhören“ bezeichnet werden. Betroffene fühlen sich vielleicht verfolgt und ausspioniert und ziehen sich so weit zurück, dass es zur sozialen Isolation kommen kann. Es ist nicht möglich, einen Gedanken bis zum Ende zu verfolgen, habe ich mal irgendwo gelesen. Und das wird von dem Lied exzellent skizziert, wie ich finde.
Das Lied ist bewusst spröde gehalten. Es herrscht eine nervöse Untermalung. Das Gemüt wird eingefangen mit der verstörenden Instrumentierung. Und die Flötentöne machen es nicht unbedingt besser. Insofern ist das Thema großartig umgesetzt. Für a-ha-Verhältnisse war die Single weitaus erfolgloser als andere Singles aus „Hunting high and low“. Ein Welterfolg war aber vielleicht gar nicht das Ziel? Vielleicht wollte man auf die Geschichte der Erkrankung hinweisen? Dann jedenfalls ist es den drei Herren gelungen.