Leute, ich wuchs ja in der DDR auf. Man kann über das Land sagen, was man will, aber geile Musik hatten wir schon. So wie „Bataillon d’Amour“ von Silly von 1986. Wir können uns drehen und wenden, wie wir wollen, aber dieses Lied ist das oberste Regal, was wir uns in Sachen Deutschrock und dergleichen vorstellen können. „Bataillon d’Amour“ hat mich von der ersten Sekunde an gefesselt, als ich das Lied das erste Mal gehört habe. Und ich will einfach mal ein paar Worte dazu aufschreiben.
Wer? Bataillon d’Amour?
Ihr könnt ja alle lesen. Also, die Leser aus dem deutschsprachigen Bereich außerhalb der ehemaligen DDR müssen das vermutlich nachlesen, die Bewohner des ehemaligen Landes kennen das Lied sicher aus dem FF. Hier jedenfalls steht der Text. Eigentlich geht es in dem Lied um die Teenager-Liebe, in der man auch gern mal aus den Konventionen ausbricht und Grenzen sprengt. Wie sonst befummeln sich die beiden Teenager in der Geschichte im Hausflur?
Ja, vielleicht haben wir das auch alle in dem Alter gemacht. Aber was wäre denn, wenn das Alles irgendwie auch anders gemeint sein könnte? Was wäre, wenn die nasskalte, vernebelte Stadt im Text die Endzeit-DDR war? Und was wäre, wenn die beiden fummelnden Teenager die Aufbruchstimmung im Land war? Wir wissen doch alle, dass die Künstler im Osten ihr Maul nicht so aufreißen durften, wie sie vielleicht wollten. Wieso sollten Silly und Texter Werner Karma das nicht in so eine Story gepackt haben?
„Bataillon d’Amour“ ist ein sensationelles Stück. Die kalte, spröde Instrumentierung, der über alles schwebende Gesang von Tamara Danz mit dieser ebenso kalten Melodie: Das war mehr als ein geniales Stück Musik. Das war ein Statement. Tamara Danz hat sich dadurch unsterblich gemacht. Exakt 10 Jahre später starb sie, aber nicht ohne das andere Statement der Band: Paradies. Aber ehrlich, „Bataillon d’Amour“ ist irgendwie für die Ewigkeit gemacht.
Das Labyrinth
„Wir können uns nicht wehren, wenn’s einfach nur beginnt“, singt die charismatische Sängerin. Jaja, mir ist schon klar, dass „es“ die erste große Liebe sein konnte. Aber eben auch etwas anderes. Am ehesten kommt „Bataillon d’Amour“ an ein anderes Lied heran, was zu der Zeit aktuell war: „Broken Wings“ von Mr. Mister. Aber Silly behandelt eben die Desillusion. Dazu passt auch die Kälte und der Nebel. Was hat mich das Lied 1986 beschäftigt! Meine Güte!
So lang ich denken kann, habe ich Musik gehört. Ich bin mit der „Märchenzeit“ von Karat aufgewachsen, mit Springsteen und den Beatles. Und ich hatte immer irgendwie den DDR-Jugendsender „DT64“ an. Und irgendwann am Abend im Dunkeln, wenn man die spezielle Musik zu hören bekommt, kam diese eine Bass-Melodie mit dem breiten Keyboard-Teppich daher. Und irgendwie per sofort war es um mich geschehen. Das war der Moment, als ich das erste Mal „Bataillon d’Amour“ hörte.
In der Geschichte taucht man in das Labyrinth ein, was als Liebe geschildert wird. Und irgendwie denkt man, dass Tamara Danz doch eigentlich was anderes erzählen will. Die beiden Teenager im Hausflur ist so eine Art Metapher auf die Friedensbewegung, die es in der DDR gab. Also zumindest in meinen Augen. Und man weiß, dass da etwas geschieht, was der Abschnittsbevollmächtigte mit seiner „MZ“ nicht so sehr gut finden würde.
Joachim Witt anyone?
Der Herbergsvater Joachim Witt hatte im Jahr 2000 „Bataillon d’Amour“ gecovert. Als düstere Dark Wave Nummer erlebte das Lied eine Art Wiedergeburt. Wenn man Silly mit Rammstein kreuzt und der vordergründigen Teenager-Liebe etwas mystisches verleiht, kommt dann sowas dabei heraus. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass viele im Osten mit seiner Version gefremdelt haben. Denn das kalte, ungefähre und höchst zerbrechliche im Nebel von Berlin war nicht mehr da.
Aus der Deutschrock-New Wave-Nummer wurde Neue Deutsche Härte. Es war auch ein regelmäßiger 4/4-Takt, nicht der Rhythmus mit der vorgezogenen Sechzehntel-Note. Alles war irgendwie anders. Nun ja, das war seine Interpretation. Aber das Original bleibt halt das Original. Und das ist nun mal „Bataillon d’Amour“ von Silly. Oder sehe ich das falsch?
Das Lied
Tja, nun, ich muss ja mal das Lied einbauen. Wie gesagt, wer aus dem geografischen Osten Deutschlands kommt, kennt es. Andere müssen es kennenlernen. Es ist eine besondere Nummer, die wunderschön den Charme des Landes widerspiegelt, dass es schon lang nicht mehr gibt. Und egal, ob es die erste Liebe oder das Ende eines Landes ist: Es ist diese unübertroffene Lyrik, die dieses Lied so unvergesslich macht. Und Tamara Danz ist nun 25 Jahre tot, aber auch sie wird unvergesslich bleiben.
In der ARD Mediathek gibt es eine aktuelle Doku anlässlich des 25. Todestags.