Es gibt so Geschichten, die kann man sich nicht ausdenken, die passieren einfach. So auch die zur Entstehung von „Die Tänzerin“ von Ulla Meinecke von 1983. Mit 10 Jahren bin ich durchs „Westfernsehen“ und „Westradio“ mit dem Lied in Berührung gekommen. Und seitdem hat es mich nicht mehr losgelassen. Und das, obwohl man als Kind eher weniger solche Musik hört. Ich weiß bis heute nicht, was mich damals an dem Lied faszinierte. Aber es dauert an.
Du bist die Tänzerin im Sturm…
Das Lied ist deutsch, deshalb muss ich den Text jetzt nicht übersetzen. Er ist so schön subtil und spielt mit der Fantasie. Jeder kann sich das Beste herausnehmen. Was meinte Ulla Meinecke damit, als sie ihrer Tänzerin sang, dass diese mit Liebe nur so um sich wirft und immer sie – also Ulla – trifft? Was ist das für eine herrlich schräge Geschichte, die da in dem Lied erzählt wird!
Nein, die Tänzerin im Lied ist keine Liebschaft. Ich glaube, das wäre in der ersten Hälfte der Achtziger auch nicht vermittelbar gewesen. Es ist meiner Meinung nach die Geschichte einer Frau, die in einem abgeranzten Kokser-Laden nicht mehr ihren Körper zur Schau stellen will und sich mit der Erzählerin Ulla Meinecke anfreundet. Sie fliegen durch die Nacht und spielen mit dem Risiko. Und wer weiß, vielleicht ist es mehr, als dass man sich mag. Aber dieses Thema wird gnadenlos verschwiegen.
Aber das ist vielleicht auch ganz gut so. Was muss man denn immer alles auspalavern? So bleibt „Die Tänzerin“ auf ungefähr sechs Minuten komplett im Vagen. Der Sinn ist, dass man den Moment leben soll, auch wenn das Eis mal sehr dünn ist. „Ihre Sätze wie Torpedos und jedes Lachen saß“ bringt das sehr gut zum Ausdruck. Und egal, wie stark der Wind geht, man muss immer weiter tanzen.
Du, Edo, ich hab da einen Text…
Wenn nötig, können Sie hier den Text nachlesen. Aber die Geschichte soll ungefähr diese gewesen sein: Komponist Edo Zanki (Söhne Mannheims, Joy Fleming, Nina Hagen, Udo Lindenberg) hatte sich ganz neu damals das Keyboard Yamaha DX7 gekauft. Damit klimperte er herum und machte sich damit vertraut. Ein paar Tage später kam Ulla Meinecke mit dem Text „Die Tänzerin“ daher und wollte Musik dazu haben.
Edo Zanki fummelte die Begleitung innerhalb von ein paar Stunden zusammen und schaffte damit ein komplett zeitloses Werk, das noch heute von Tontechnikern für den Soundcheck verwendet wird. Es besteht aus dem klaren Gesang von Ulla Meinecke, dem E-Piano des DX7 von Edo Zanki und ein bisschen Perkussion wie Händeklatschen. Eine kristallklare Produktion machte dieses Lied dann zu dem, was es heute ist.
Ulla Meinecke und Spliff
Da fliegt mir doch das Blech weg! Das sangen Spliff in den Achtzigern. Die Band war eng verbunden mit Ulla Meinecke. Trommler Herwig Mitteregger produzierte für Meinecke und empfahl Musiker für ihre Band. Sie lieferte Lied-Ideen für die Band. Und so weiter und so fort. Das Ganze ging viele Jahre so, soweit ich das nachlesen konnte. Aber mit dem Lied „Die Tänzerin“ hatte der singende Schlagzeuger irgendwie nichts zu tun.
Deutschsprachige Popmusik
Das war wirklich ein Novum vor 35 Jahren. All das, was Revolverheld, Silbermond, Max Giesinger etc. gesungen haben, hat alles seinen Ursprung im Lied „Die Tänzerin“. Ulla Meinecke verfasste einen intelligenten, subtilen Text, Edo Zanki hochklassige Musik. Die Nummer ist bis heute ein Meilenstein der Popmusik. Und sie ist nicht wirklich erreicht. Erst recht nicht von so vielen Stars und Sternchen, die meinen, dass sie es besser können.
Ulla Meinecke ist bis heute auf der Bühne. Sie machte beim Kinder-Musikprojekt „Giraffenaffen“ mit. Aber „Die Tänzerin“ wird immer mit der Sängerin aus dem Taunus verbunden bleiben. Die Platte „Wenn schon nicht für immer, dann wenigstens für ewig“ mit diesem Lied ging in ihre eigene Geschichte als erfolgreichster Tonträger ein. Und Mitte August wurde Ulla Meinecke 65.
Das Lied
Nehmen Sie sich was zu trinken, setzen sich bequem hin und schnippen mit dem Finger mit. Machen Sie das am besten über Kopfhörer. Das Lied wurde mit erweitertem Datenschutzmodus eingebunden.
Ich glaube Ulla singt den Text, von dem Sie wünscht, dass ein Mann ihn über sie geschrieben hätte. Der Textinhalt ist aus Sicht eines Mannes, der sich in eine Frau – widerwillig – verliebt. Einen Mann – gegen seinen Willen – zu verführen, das ist wohl die ultimative weibliche Macht…
Das ist die Entwicklung der Geschichte:
„…Am Anfang war ich (Mann) sicher, dass ich Sie (Frau) nicht mag“
Die Frage stellt sich nicht für eine Frau… – außer sie ist lesbisch –
„Ihre Sätze wie Torpedos und jedes Lachen saß….“
„Du schmeißt mit Liebe nur so um Dich,
und immer triffst du mich“
Der Liebende ist also Opfer Ihrer Liebe…
„Inzwischen bin sicher, du weißt,
dass ich Dich mag,
jetzt sitze ich neben Dir,
fahren durch die nasse Stadt,
eh, jetzt fahren wir Deinen Tank leer,
bis es ausgeregnet hat…“
Für mich ist das die einzige schlüssige Interpretation des Liedes.
Ulla ist vom anderen Ufer. Da spielt kein Mann eine Rolle…
Die Interpretation ist ja jedem selber überlassen, das mal aussen vor.
Für mich, wo ich dieses Stück von Beginn an kannte ( Wurde im Radio ja selten gespielt, Internet war nicht so dolle damals ) , war es für mich eine klare Aussage. Habe mit einer Frau Spaß. Ob nun Männlein, oder Weiblein. Ich habe das immer als eine Beziehung zwischen 2 Frauen empfunden . Ob die Kokser nun an der Wand stehen… glaube ich eher nicht. (kann man als Regiefehler einordnen ) . Ich glaube, dieses Lied hat viele Lesben inspiriert , und das war auch gut so . Macht Euer Ding, geht voran.
Meine Interpretation: Der Laden war in Berlin-Charlottenburg, die Kokser standen da, Tänzerin war Petra, das Auto eine schwarze DS…
Super Text mit nur einer kleinen technischen Anmerkung: Es wahr wohl ein Yamaha GS 1, ein Vorläufer des DX7 von Yamaha, den Edo Zanki bei dieser Aufnahme verwendet hat. http://tastronauten.de/YAMAHA-gs-1.html
Wie auch immer – ein zeitloser ‚EverGreen‘ ist da einst entstanden…
…ich bin jetzt 58, und seitdem ich jenes Lied (kurz nach seiner Veröffentlichung) das erste Mal hörte, begleitet es mich…
…die technische Perfektion in Gesang UND Musik erschloss sich mir erst viel später…
…und den Song immer nur genossen habend aber nicht wissend, dass Edo Zanki ‚dahintersteckt‘, hörte ich eben „Gib mir Musik“ von ebendem und dann „Die Tänzerin“ hintereinander – mich dünkte da etwas – und, tatsächlich, nach ein wenig googeln bestätigte sich meine Vermutung hier auf dieser WebSite…
…also weiter damit – auf das uns dieses wundervolle Stück auf Immer begleite – und…danke, Ulla und Edo.