The Cure? Das sind doch diese abgehalfterten Grufties. So habe ich es irgendwo mal gehört, als das Gespräch auf eine der einflussreichsten New Wave Bands aller Zeiten kam. Sie haben eigentlich immer eine Mischung aus New Wave und Alternative Rock gemacht und waren genretypisch dunkel gekleidet. Die toupierten Haare, die weinerlichen Gitarren und Robert Smiths Stimme, die irgendwie immer wie eine schwer betrunkene Maus klang – das waren immer so die Markenzeichen von The Cure. Und mit „Three Imaginary Boys“ fing das alles im Mai 1979 an.
Auf dem Debüt-Album von Robert Smith, Michael Dempsey und Lol Tolhurst entschied damals noch die Plattenfirma Fiction Records, welche Lieder enthalten sein sollen. Das änderte sich dann auf späteren Alben gewaltig. Aber die blutjungen Rotzlöffel (Robert Smith war zu dem Zeitpunkt 20 Jahre alt) waren ja überhaupt froh, einen Vertrag zu haben. Auch das Cover wurde von Fiction ausgewählt, ohne dass es die Zustimmung der Band hatte. Die Lehre daraus war, dass die komplette kreative Kontrolle über sämtliche Folgealben bei Robert Smith lag. Und das waren damals so die Lieder:
Begonnen wird das Album mit dem legendären „10:15 Saturday Night„, einer typischen New Wave Nummer der Briten. Es geht um die Langeweile am Samstagabend. Er wartet darauf, dass sie anruft. Und er weint um das Vergangene. Und dabei tropft der Wasserhahn: Tropf, tropf, tropf…
„Accuracy“ ist ein Liedchen im typischen End-70er-Stil. Es geht um Genauigkeit: Sie sitzen im gleichen Raum nebeneinander. Und er gibt die falschen Noten und fordert dann akkurates Arbeiten. Oder: Er schaut ihr in die Augen, beide lächeln. Und dann tötet er sie ohne es vorher zu üben. Das ist Genauigkeit. Genial, wie ich finde.
„Grinding Halt“ hört sich wie der ultimative Punk der 70er an. Robert Smith zählt auf, was alles nicht da ist. Alles ist schleifend zum Halten gekommen. Das Lied ist fast schon eine Ska-Nummer und macht richtig Spaß.
Und dann kommen die verstimmten Gitarren, die sich dann in eine Ballade ergießen. „Another Day„. Die wenigsten Leute, die sich mit der Band nicht auseinandersetzen, trauen der Band so etwas zu. Es geht um den Winter, der mit Wasserfarben gemalt wird und Schattierungen von Grau ergibt. Das Lied ist ziemlich psychodelisch angehaucht und sehr interessant.
„Object“ wird dann wieder punkig. Mit witzigen und intelligenten Klangeffekten erzählt Robert Smith über jemanden, der oder die ihn antreibt, aber wegen der Lügen niemals mit ihm reden sollte. Dieser Jemand ist nur ein Objekt in seinen Augen. Ein ziemlich wütendes Lied.
Mit „Subway Song“ wird es wieder entspannter. Es geht um die Ängste einer Frau, die um Mitternacht auf dem Heimweg ist. Sie fühlt, dass sie nicht allein ist wegen der Schritte, die sie hört. Sie versucht nicht weglaufen oder sich umzudrehen. Dann klingt das Lied langsam aus. Und dann folgt noch ein berserkerartiger Schrei.
„Foxy Lady“ ist ein Cover des gleichnamigen Jimmy Hendrix Klassikers. Man hört dem Lied an, wie viel Spaß die Band bei dieser Session hatte. Dem klang nach kann es sich nicht um eine „normale“ Produktion handeln, mehr um ein wildes Drauflos-Schrammeln. Und das funktioniert blendend bei The Cure.
In „Meathook“ geht es darum, dass er zum Fleischer geht, um Fleisch zu kaufen. Meathook bedeutet so viel wie Fleischhaken, also der Haken, an dem das Fleisch hängt. Aber eigentlich ist es auch eine Parabel auf eine kaputte Beziehung. Der Fleischer ist eine Frau, die ihm das Herz gebrochen hatte. Und er kann den Fleischhaken nicht verlassen.
Echter ursprünglicher Punk bietet sich dann in meinen Ohren mit „So What?„. Es geht um ein spezielles Angebot, das am 31. Dezember 1979 enden würde. Sprech-singend brabbelt Robert Smith eine Art Werbetext vor sich hin. Es wird ein Set für Zuckerguß und Deko für Kuchen angepriesen, das am Ende auch bestellt wird. Etwas befremdlich, wie ich finde.
Wie die weltbekannten Rocksongs der End-70er kommt dann „Fire in Cairo“ daher. Es klingt fast wie ein „Sultans of Swing“ von den Dire Straits. Es geht grob gesagt um Sex. Tja, das Thema muss natürlich auch einmal Behandlung finden. Aus dieser Zeit ist es aber neben den beiden ersten des Albums das bekannteste Stück des Albums.
Schneller und härter kommt dann „It’s not you“ um die Ecke, in dem jemandem erzählt wird, dass Robert Smith jemand neues sucht, was der oder die Angesprochene nicht ist. Er ist gelangweilt vom Herumhängen. Und das äußert sich auch in der harten Instrumentierung.
Das Titelstück „Three Imaginary Boys“ folgt dann ziemlich zum Schluss des Albums. Das typische Britpop-Stück mit der sparsamen Instrumentierung und der Cure-typischen Echo-Übersteuerung fragt um Hilfe und erzählt über leere Gefühle und eben die „drei erfundenen Jungs“. Soweit ich das verstehe, geht es dumpf um die drei Affen: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Ich kann mich aber auch täuschen.
Als verstecktes Lied ist dann noch „The Weedy Burton“ zu hören, was eine kurze Swing-Nummer ist, die hier live zu hören ist. Mit nicht einmal einer Minute wohl eins der kürzesten The Cure-Stücke überhaupt.
Nein, mit „Three Imaginary Boys“ haben The Cure sicher keine Preise abgeräumt. Aber es ist ein wunderbares Album, das Alltagsgeschichten erzählt und aufzeigt, dass die Band keineswegs düster ist. Es ist mehr die Renitenz, die sie bewegt. Insofern würde ich The Cure zumindest zu dieser Zeit als Punker bezeichnen. Die Platte wurde mit ihren knapp 34 Minuten Spielzeit überwiegend positiv aufgenommen und mehrfach neu aufgelegt. Erst ab dem nächsten Album wurden dann starke Gothic-Elemente wichtig für die Band. Aber das Debüt ist eine sehr gute Chance, sich in das Cure-Universum einzuleben und sich mit dem Genie Robert Smith auseinanderzusetzen.