„I am… I said“ ist vermutlich die größte Nummer von Neil Diamond. Zumindest fällt mir von dem Amerikaner nichts größeres ein. Was für ein beeindruckendes Lied. Ich habe dieses Lied schon als kleiner Junge geliebt. Irgendwie gehört es zum Soundtrack meines Lebens dazu. Aber gut, was so an Ansichten über Lieder gibt, da ist man ja eh nie einer Meinung. Und gerade bei Musikern wie Neil Diamond ist das ja nicht so einfach. Also schauen wir uns mal dieses besondere Lied von 1971 einfach mal an.
„I am….“, I said
Los Angeles ist ganz gut, die meiste Zeit scheint die Sonne. Und das Lebensgefühl ist ziemlich entspannt. Hier wachsen die Palmen. Und die Mieten sind niedrig. Aber, hey, weißt du was? Ich denke trotzdem immer wieder darüber nach, wieder weg zu gehen. Gut, ich bin in New York City geboren und aufgewachsen. Aber heutzutage komme ich mir verloren zwischen den Küsten vor. Los Angeles ist OK, aber es ist nicht zuhause. New York ist zuhause, aber es nicht mehr meins.
Hast du jemals die Geschichte von Frosch gehört, der König sein wollte und es dann auch noch wurde? Nun, abgesehen von den Namen und ein paar anderen Änderungen ist die Geschichte dieselbe, wenn man von mir spricht. Aber ich habe eine Leere in mir. Und ich habe es versucht, aber sie lähmt mich komplett. Und ich bin kein Mann, der gern schwört. Aber ich sag dir eins: Der Klang der Einsamkeit war nie so mein Ding.
„Ich bin“, sagte ich zu niemandem. Und niemand hörte zu, nicht mal der Stuhl. „Ich bin“, schrie ich. „Ich bin“, sagte ich. Und ich bin verloren und kann nicht mal sagen, warum. Ich fühle mich immernoch einsam.
Neil Diamond auf der Suche nach sich selbst
Neil Diamond kennen wir alle durch Lieder wie eben jenes „I am… I said“, aber vor allem durch „Sweet Caroline“ oder „Song sung blue“. Und wenn jemand wie ein Diamant heißt, kann doch eigentlich nichts schief gehen. Und dann liest man den Text zu seiner größten Nummer und ist etwas verunsichert. Wie kann dem Sonnenschein denn so eine Geschichte einfallen? Jawohl, Neil Diamond war mal auf der Suche nach sich selbst.
Er hatte mal in einem Interview gesagt, dass „I am… I said“ davon handelt, wie es in ihm aussieht, wovon seine Träume handeln und was bei seinem Therapeuten herauskam. Wie er im Lied so schon erzählt: LA ist zwar super, aber es ist eben keine Heimat. New York ist zwar Heimat, aber nicht mehr seine Heimat. Also ist er verloren zwischen Ost- und Westküste der USA. Aufgrund der Tatsache, dass dieses Stück so persönlich ist, hatte es ihn immer geplättet, wenn er es gesungen hatte.
Wer weiß, vielleicht hatte diese ganze Sache mit dem Lied auch damit zu tun, dass der Erfolg immens groß wurde. Er hatte ja vor seinen eigenen großen Liedern Hits für die Monkees und andere geschrieben. Veröffentlichungen, an denen der Name Neil Diamond klebte, waren erst nicht so der riesige Reißer. Das änderte sich erst mit „Sweet Caroline“ 1969. Naja, und dann kamen „Shilo“ und „Cracklin‘ Rose“, und plötzlich war er der große Star.
Die große Hymne
Jaja, „I am… I said“ war für Neil Diamond nicht der Preise-Lieferant wie „Sweet Caroline“. Aber die Nummer schwebt irgendwie über allem. Irgendwie lief das Lied in meiner frühesten Kindheit ständig im Radio. Es hat mich jedenfalls enorm begleitet. Mir hatten immer die großen Kaskaden im Refrain gefallen. Da steckt bis heute eine gewaltige Kraft drin. Findet ihr nicht auch? Insofern hat doch Neil Diamond mit „I am… I said“ eine große Hymne geschaffen, die noch dazu sehr persönlich ist.
Neil Diamond wird bis heute noch in den höchsten Tönen für den Inhalt gelobt. Seit 2018 hat er nun Parkinson. Vermutlich wird er auch hier wieder singen: „Ich bin, sage ich!“ – Ich glaube, man muss immer wieder zeigen, dass man da ist, dass man es hinbekommt. Egal, wie doof das Leben zwischen den Welten ist. Und ich denke, das wollte uns der Musiker vor 50 Jahren beibringen.
Das Lied
Ja, ich könnte euch irgendeinen Live-Auftritt hier reinpacken. Aber es geht bei „I am… I said“ um das Lied, nicht um irgendwelche Bilder. Darum nehmt einfach das hier:
Sehr schöne und absolut zutreffende Beschreibung dieses Welthits. Mich hat die Melancholie dieses Liedes auch schon immer angesprochen. Es zeigt, dass selbst größter beruflicher Erfolg und Wohlstand kein Garant für ein glückliches Leben ist, sondern das Gefühl, eine Heimat, sei es regional und sozial, viel wichtiger sind. Abgesehen davon hat Neil Diamond eine sehr markante und wunderschöne Stimme.