Gewinn durch Nichtstun. Aufgrund eines unsinnigen und nicht mehr zeitgemäßen Machtmonopols existiert die deutsche Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) wie in einem Schlaraffenland. Und es gibt derzeit nichts, was man dagegen tun kann. Das regt nicht nur Aktivisten auf, sondern auch die Großen der Musikbranche.
Marek Lieberberg wird nicht jedem ein Begriff sein. Aber er ist der bedeutendste Konzertveranstalter, den Deutschland hat. Und der hat sich jetzt in einem Interview über die GEMA aufgeregt. Das kann er auch, schließlich veranstaltet seine Agentur, die „Marek Lieberberg Konzerte (MLK)“ Deutschland-Touren von den größten Acts, die in der Musikwelt zu finden sind: Bon Jovi, Madonna, Bruce Springsteen, Depeche Mode, Guns ’n‘ Roses und so weiter.
Das Hamburger Stadtmagazin Oxmox führte jetzt ein Interview mit Lieberberg. In diesem kam deutlichst zum Ausdruck, dass aufgrund der selbst eingetrichterten GEMA-Reform dem Veranstalter, der wohl am meisten an die GEMA zahlt, der Kragen geplatzt ist.
Er spricht vom „süßen Nichtstun“, für dass der Verein eine Beteiligung „mit Brachialgewalt“ durchsetzen will. Er nennt „Horrorgebühren“ und „künstliche Warteschleifen“ für Komponisten. Besonders bezeichnend, was der Promoter von dem Gebahren des Vereins hält, ist folgendes Zitat:
Großartige Leistung und ein atemberaubendes Geschäftsmodell. 15 – 25% für absolutes dolce far niente. Keinerlei Engagement für die Musik, keinerlei Investition, keinerlei Risiko!
Es klingt so, als spricht Lieberberg von Schutzgeldorganisationen. Ich will keineswegs so wirken, als würde ich die GEMA mit derartigen kriminellen Vereinigungen gleichsetzen, das tun andere zu Genüge. Aber man kann beim Lesen des Interviews durchaus den Eindruck bekommen, dass Lieberberg das ähnlich sieht.
Denn er nennt Verlage und Autoren, die aus der Mode geraten sind, die dann gemeinsam eine „unheilige Allianz“ bilden; „obsolete Schlagerfuzzis“, die als Hardliner in den Gremien in Erscheinung treten usw. Er wird noch deutlicher, er kennt sich ja aus. Das gesamte Interview hat Oxmox auf seiner Internetseite zur Verfügung gestellt.
Es ist ja nicht so, dass Marek Lieberberg einfach mal so auf die GEMA schimpft. In den Gremien des Vereins sitzen ja wirklich ehemalige Aktive der Musikszene. Im Interview ist die Rede von Stefan Waggershausen („Zu nah am Feuer“, „Jessie“, „Es geht mir gut“) oder Frank Dostal (u.a. Schöpfer vom „Lied der Schlümpfe“ von Vader Abraham). Beide, so lese ich es heraus, sind echte Hardliner und die stärksten Verfechter der sich ausweitenden GEMA-Politik, obwohl sie es eigentlich besser wissen müssten.
Jedenfalls vergleicht Lieberberg im Interview die deutsche Verwertungsgesellschaft GEMA mit den amerikanischen Pendants BMI und ASCAP. Wer auf CDs schaut, wird alle drei schon gelesen haben. Und er stellt fest, dass Veranstaltungen mit ungefähr der gleichen Größe bei den US-Firmen rund 500 $ und bei dem deutschen Verein 30.000 – 40.000 € kosten würden. Und bei Größen wie Bruce Springsteen hat er folgende Erfahrung gemacht:
Ein Bruce Springsteen wird für die Aufführung seiner eigenen Musik durchschnittlich mit 150.000,– € zwangsvereinnahmt, die in die GEMA-Töpfe wandern. Die GEMA leistet hierfür gar nichts. Sie nimmt die Anmeldung entgegen, schreibt eine Rechnung und parkt die Einnahmen erst einmal. Nach der besagten Karenzzeit, die durchaus bis zu einem Jahr dauern kann, werden die um den happigen Verwaltungsaufwand verminderten Beträge endlich an den Autor weitergeleitet.
Seiner Ansicht nach kann dieser Wucher nur gelöst werden, wenn die GEMA in Deutschland endlich Konkurrenz erhält. Die oben genannten BMI und ASCAP sind Konkurrenten. Aus diesem Grund herrscht ein Wettbewerb. Denn – das lernt man in Wirtschaftskunde, ohne studieren zu müssen – wo mehr Angebot, da fallende Preise.
Der Oxmox-Bericht enthält im weiteren Verlauf noch Stimmen von GEMA-Mitgliedern. Natürlich ist eine Künstlervergütung nichts verkehrtes, und natürlich sollen Künstler und Autoren würdig vertreten werden. Das steht völlig außer Frage. Aber der Tenor der veröffentlichten Künstlerkommentare sagt aus, dass die GEMA die Musiker schlecht vertreten würde, dass das Verwertungsmodell nicht stimmt und dass schlecht kommuniziert werden würde.
Nun kann man das als Außenstehender schlecht nachvollziehen. Es gab aber einen Bericht, in denen die GEMA vom Musiker Gebühren verlangte, nachdem er nebenher zu seiner GEMA-Pflichtmitgliedschaft Musikstücke unter der freien Creative Commons Lizenz veröffentlicht hatte. Das geht nämlich gar nicht. Einmal GEMA-Mitglied, immer GEMA-Mitglied.
Ich würde mich freuen, wenn der deutschen Politik der Missstand endlich einmal gewärtig werden würde. Sonst können Waggershausen, Dostal und Co. bald selbst versuchen, Deutschland zu beschallen, denn große Stars werden nicht mehr in Deutschland auf Tour geschickt.