Was war das für ein Hype! Die neue Single „Ghosts Again“ von Depeche Mode wurde angekündigt. Und wer sie eher spielt, wird an den Marterpfahl gestellt. Oder so. Und dann wurde sie gestern Abend um 18 Uhr veröffentlicht. Auch wieder: Oder so. Nach der Katastrophe „Spirit“ war ich mit der Band durch. Das wisst ihr ja. Eigentlich war das schon viele Jahre eher der Fall. Quasi nach „Ultra“. Deshalb habe ich das auch nicht so sehr verfolgt. Dennoch möchte ich ein paar Worte zur neuen Single schreiben.
We know, we’ll be ghosts again
Verschwendete Gefühle, zerbrochene Bedeutungen. Die Zeit ist flüchtig. Sieh dir an, was sie bringt: Hallöchen und Abschiede. Tausend Mitternächte, verloren in schlaflosen Wiegenliedern. Gedankenlose Gedanken, meine Freunde. Wir wissen, dass wir wieder Geister sein werden.
Der Sonntag leuchtet einen Silberstreif. Schwerelose Stunden, all meine Blumen: Ein Platz zum Verstecken. Die Tränen, die du geweint hast. Jeder sagt „Auf Wiedersehen“. Der Glaube schläft. Geliebte flüstern am Ende, dass wir wieder Geister sein werden.
Der Himmel träumt. Gedankenlose Gedanken, meine Freunde. Wir wissen, dass wir wieder Geister sein werden. Der Glaube schläft. Geliebte flüstern am Ende, dass wir wieder Geister sein werden.
Gedenken an Fletch?
2022 starb völlig überraschend Andrew Fletcher, der Kleister der Band. Es heißt zwar, dass die Stücke auf dem bevorstehenden Album „Memento Mori“ bereits vor seinem Tod entstanden sind. Aber wenn wir uns so „Ghosts Again“ vornehmen, kommen automatisch die Gedanken, dass das ein Gedenkstück für den stillen „Buchhalter“ ist. Überhaupt muss ja vom Titel her „Memento Mori“ ein sehr melancholisches Werk sein.
Man kann „Memento Mori“ irgendwie übersetzen mit „Sei dir der Sterblichkeit bewusst“ oder „Bedenke, dass du sterben wirst“. Dieser Ausdruck ist wohl eine häufige Grabinschrift. Und wenn wir uns an den Film „Da Vinci Code“ erinnern, fällt uns der Mönch Silas ein, der im Moment vor seinem Tod sagt: „Ich bin ein Geist“. All das und der plötzliche Tod von Fletch fallen mir ein, wenn ich mir „Ghosts Again“ so anhöre. Ich merke gerade, dass ich über neuere Depeche Mode Stücke nie so viel erzählt hatte.
Keine überbordende Experimentierfreudigkeit, aber…
Was mich bei so vielen Stücken von Depeche Mode aus den letzten ungefähr 20 Jahren immer angekotzt hatte, war diese Haudrauf-Experimentiererei. Hauptsache Alternativ! Die Leute kaufen uns das schon ab. Ich habe es gehasst. Aber die Platzierungen in den Charts hatten der Band ja Recht gegeben. Jedenfalls war ich nach „Ultra“ raus. Die letzte große Single, die mich tief gepackt hatte, war „Home“. Danach versumpften sie in meinen Ohren im alternativen Geschrammel.
Ja, das ist nur meine subjektive Meinung, keine Frage. Sie haben die Charts gestürmt, haben die Stadien voll gemacht. Alles gut. Nur konnte ich damit nichts mehr anfangen. Ich empfand vieles nach „Ultra“ als Zumutung. Das wäre mit meinen Helden OMD übrigend nicht anders, wenn die sich so aufgeführt hätten. Naja, und dann stirbt Fletch, und die beiden verbliebenen Musiker, die Testosteron-Monster Gahan und Gore, kommen mit dieser feinen, kleinen Nummer um die Kurve. Bravo!
Nein, ich meine das ernst. Das ist eine großartige Nummer. Kein Schnickschnack, kein Alternativ-Schrammel-Grummel-Abriss. Einfach eine schlichte Moll-Nummer mit viel Melancholie, wie sie auch auf „A Broken Frame“ Platz gefunden hätte. Wir werden alle wieder Geister sein. Alles ist vergänglich. Nehmt euch nicht zu wichtig. „Ghosts Again“ hat mich augenblicklich wieder gepackt. So, wie es damals „Blasphemous Rumors“ oder „Black Celebration“ konnten. Das sind wieder MEINE Depeche Mode.
Ich mag das Stück wirklich sehr. Und so habe ich große Hoffnung, dass „Memento Mori“ ebenso gut wird. Ich wünsche mir einfach ein Album, das nicht vor lauter Testosteron trieft und das nicht vor lauter Alternativ-Sein brennt. Ich wünsche mir ein Album, das vielleicht so melancholisch und leise um die Ecke kommt wie der total unterschätzte Klassiker „A Broken Frame“. Ganz ehrlich: „Ghosts Again“ lässt genau darauf hoffen.
Das Lied
Nochmal: Ihr könnt bei „Ghosts Again“ kein Schrammel-Geblubber wie bei „Sounds of the Universe“ erwarten. Wenn ihr ein Alternativ-Massaker erwartet, geht einfach weiter. Alle anderen sollten sich dieser einfachen, melancholischen und wunderschönen Nummer namens „Ghosts Again“ hingeben. Ich liebe dieses Stück. Und ihr?
Tja, wer hätte gedacht, das Ghosts again noch der beste Song (und ich finde ihn richtig gut) auf dem neuen Album sein würde? Wie schon zuletzt finden sich 2-3 gute bis passable Songs, der Rest tuckert, klackert und mäandert so vor sich hin. Caroline’s monkey fängt vielversprechend an, kommt aber dann nicht aus den Hufen. Das größte und mich aufhorchen lassende Stück auf dem Album ist Speak to me, wenn es einfach in einer grandiosen Kakophonie enden würde, wäre es der beste Depeche Mode Song seit… John the revelator, Precious oder was auch immer von Playing the angel, dem letzten wirklich guten Album der Band. Aber nein, das Lied ruckelt und tuckert sich zum Ende. Sehr schade, aber die hohen Erwartungen hat das Album leider wieder einmal nicht erfüllt.