Zeit, dass sich was dreht – Herbert Grönemeyer hat heute seinen Jubeltag. Der gebürtige Göttinger kommt zwar nicht aus Bochum, schuf aber eine prächtige Hymne. Der Mann der großen Schicksalsschläge hat immer wieder gezeigt, wie man wieder den Hintern hoch bekommt. Und das muss man ihm hoch anrechnen. Damit ist er einer der bedeutendsten Musiker Europas geworden. Es wird Zeit zur Gratulation.
Herbert Grönemeyer hatte es immer wieder verstanden, die Leute mitzureißen. Das lag einerseits an seinen Kompositionen und andererseits und vor allen Dingen an seinen Texten. Dabei lief es für ihn erst alles andere als glatt. Seine ersten Alben wurden verlacht und wurden Flops. Und dann kam der beeindruckende Film „Das Boot“ aus dem Jahr 1981, der ihn weithin bekannt machte. Der ebnete den Weg für die zwei Jahre später erschienene Platte „Gemischte Gefühle“ als seinen Durchbruch.
Die Durchbruchssingle „Musik nur wenn sie laut ist“ brachte ihn in aller Munde. Aber dann kam das beachtliche „4630 Bochum“ von 1984. Ich schrieb oben, dass er gar nicht aus Bochum kommt, aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Denn die Familie Grönemeyer zog in den Ruhrpott, als Herbert 1 Jahr alt war. Man kann also sagen, dass er da schon aus der „Blume im Revier“ kommt. Es folgten die unglaublichen Gassenhauer „Bochum“, „Männer“, „Flugzeuge im Bauch“, „Alkohol“ oder eben auch der „Mambo“ aus dem Album. Und Grönemeyer hatte es geschafft.
Fast hätte man gedacht, dass es nicht erfolgreicher geht. Aber dann kam „Sprünge“ zwei Jahre später und gebar einen neuen Grönemeyer, der gesellschaftskritisch mit „Kinder an die Macht“, „Tanzen“ uns dem beeindruckenden „Angst“ sowie persönlich mit „Mehr geht leider nicht“, „Nur noch so“ oder „Unterwegs“ um die Ecke kam. Mit dem Album zeigte Grönemeyer, dass er kein Liedermacher ist, auf dessen Kompositionen Texte transportiert werden, sondern ein Musiker, der aus Text und Musik einen Guss macht.
Mit „Ö“ wurde er 1988 noch rockiger und kam mit Beziehungskisten daher. Unvergessen sind die Stücke „Was soll das?“, „Vollmond“, „Halt mich“ oder „Herbsterwachen“. Er war zu der Zeit der hellste Stern der Deutschrock-Welt und stellte alles in den Schatten, was zu der Zeit sonst so Rang und Namen hatte. Er kam auf dem Album mit Witz und Charme daher und setzte seine Stimme bewusst ein.
Das Album „Luxus“ war dann von der deutschen Wiedervereinigung geprägt. Er machte auf der Scheibe darauf aufmerksam, dass er sich um den Osten sorgt und einen Ausverkauf der Regionen östlich der ehemaligen Grenze befürchtet. Er konnte aber trotz „Deine Liebe klebt“ und dem Titelstück nicht ganz den Erfolg der bisherigen Veröffentlichungen wiederholen. Auch trotz einer englischen Version des Albums.
Es folgte dann das gitarrenlastige „Chaos“ im Jahr 1993. Die großen Knaller der 80er Jahre fehlen dem Album. Aber Grönemeyer klang frischer, härter, wütender. Das äußerte sich vor allem in „Chaos“, „Die Härte“ oder „Grönland“. Er sang auch für seine Kinder und sprach auch wieder von den großen Gefühlen wie in „Fisch im Netz“. Das Album an sich ist sehr geschlossen und in sich kompakt, was ihm sehr viel positive Resonanz einbrachte.
Nach 5 Jahren Pause kam er dann mit „Bleibt alles anders“ um die Ecke. Zwei Jahre hatte er sich für die Platte Zeit gelassen. Das Titelstück und die Lieder „Nach mir“ und „Stand der Dinge“ werden immer mit dem persönlichen Schicksal Grönemeyers verbunden bleiben. Die beiden Lieder hatte seine Frau mitgeschrieben, die während der Tour starb. Und mit „Bleibt alles anders“ wurde er zynisch. Das Album, das am Wochenende 18 Jahre alt wird, gilt als traurigste und komplexeste Scheibe im Schaffen Grönemeyers. Und bedeutete auch einen Wendepunkt.
Nachdem während der Zeit der Tour sowohl Grönemeyers erste Frau als auch sein Bruder starben, zog sich Grönemeyer zurück. Er hatte Sorge, auch die Musik zu verlieren. Und er begann, die Trauer zu verarbeiten. Das Ergebnis war „Mensch“ aus dem Jahr 2002. Jeder erinnert sich an den Eisbären und die Behelfs-Karaoke-Bar am Strand und das tief traurige Titelstück. Jeder erinnert sich an das Abschiedslied an seine Frau Anna, „Der Weg“. Das Album ist das erfolgreichste Album in Deutschland und gleichzeitig das, was den Hörer mit dem größtmöglichen Kloß im Hals zurücklässt.
5 Jahre später hatte sich Grönemeyer wieder gefangen. Die Fußball-WM in Deutschland 2006 war gegessen, und „Zeit, dass sich was dreht“ wurde zum Gassenhauer“, als er mit „12“ um die Ecke kam. Inzwischen würde er die CD „Kopf hoch, tanzen“ nennen. Es wurde ein optimistisches Album, das sich mit Liebe und Hoffnung beschäftigt. Und so wurde „Lied 1 – Stück vom Himmel“ für die Fans des Rockers zum Silberstreif am Horizont. Und das macht das Album insgesamt besonders.
Und dann ging er 2011 wieder zurück zum Deutschrock. Die Trauer war abgeschlossen, weshalb er wieder lauter und bissiger wurde. Und er wurde positiver. „Schiffsverkehr“ mit dem zugehörigen Titelstück wurde vielerorts als Grönemeyer-der-Achtziger-Jahre-Album angesehen. Mit „Fernweh“ und „Zu Dir“ wurden wieder Gefühle ausgegraben. Und dabei ist er geblieben. Auch beim aktuellen Album „Dauernd jetzt“.
Schwer beeindruckt hatte mich das Fernweh-Lied „Land unter“, das eine Liebeserklärung ist. Seine Frau war immer sein Leuchtturm, wenn die See schwer ging und der Sturm hereinbrach. Er spielt mit wunderbaren Bildern. Ich denke, er hat hier den Seemann und die Heimkehr umgesetzt, wie sonst niemand. Aber über all seinem Schaffen steht natürlich das Lied, das beschreibt, wie ihm die wichtigsten Menschen in seinem Leben durch Krankheit weggerissen wurden.
Happy Birthday, Herbert. Wir wollen noch viele großartige Stunden mit dieser Musik verbringen.