1999 hatten Alphaville eine Sammlung von bis dahin unveröffentlichten Liedern names „Dreamscapes“ rausgehauen. Darauf die Ballade „Elegy“ aus dem Jahr 1993. Ich bin ehrlich: Mir sagte das Lied so gar nichts. Aber als ich es mal zu hören bekam und den Text las, hatte es mich direkt umgehauen. So etwas großartiges habe ich selten gehört. Alphaville zeigen es eben immer und immer wieder, dass sie es eben einfach draufhaben. Das Stück war quasi eine Art Single im Jahr 1993, aber es wurde dann doch nicht veröffentlicht. Nun gut, dann schauen wir mal.
Elegy – Aber als Lyrik
Er sitzt auf einem Hügel. Eine fahle Nacht kriecht durch das Tal. Die Bäume sind Reißzähne der Vergänglichkeit. Die Dämonen schmieden Hämmer und Nägel. Er wird alle Wege gehen, die zu den unbekannten Ländern führen. Die Zeit hat seinen Blick verzerrt. Ein Amen, das ihm gebührt.
Er starrt in den Himmel ohne Sehnsucht in seinen Augen. Und er wird der unsichtbaren Spur folgen, wenn die Sirenen wieder singen. Der Frühling liegt in der Luft, die Stille in den Himmeln. Der Wind ist in seinen Haaren, der Mond ist in seinen Augen. Die Fledermäuse spielen weiter, aber er wird weg sein, bevor die Welt die Nacht verlassen hat.
Wo kommt das denn her?
Wie ihr vielleicht wisst, habe ich immer zum Besten gegeben, dass Alphaville immer mehr als Pop waren. Klar, das weiß man nicht, wenn man nur auf das Formatradio setzt. Deshalb erzähle ich ja immer wieder: Kauft euch die Alben, da sind manche Schmankerl dabei. Und hört euch B-Seiten an. Aber auch das hätte uns vermutlich nicht zu „Elegy“ geführt, denn das Stück ist Teil der Sammlung „Dreamscapes“, in der auf 8 Doppel-CDs mit 9,5 Stunden Spielzeit 124 Stücke die Alphaville-Werdung dokumentieren.
Ja, ihr werdet euch fragen, wer das hören soll. Naja, für echte Fans stellt sich die Frage nicht. Aber die Sammlung ist auch nicht einfach kaufbar, sie war bei Erscheinung 1999 auf 5000 Stück limitiert. Wohl dem, der eine Ausgabe hat. Jedenfalls genau dort finden wir „Elegy“, diese seltsam entrückte, sphärische Ballade mit diesem mystisch-lyrischen Text über Vergänglichkeit und Trauer und all das. Nur mal so: Eine Elegie ist ein Klagegedicht.
Mich würde nicht wundern, wenn „Elegy“ die Phase des Einhaltens ist und Marian Gold sein wildes Leben überdacht hatte, bevor er via „Love Messiah“ seine neue Liebe öffentlich machte. Er hatte sich aus seinem alten Leben verabschiedet und verschwindet mit „Elegy“ ins Ungefähre. So ungefähr könnte es ja sein. Vielleicht ist es ja auch ganz anders, wer weiß das schon? Jedenfalls ist das Stück ein großartiges Lied, das komplett ins Schaffen von Alphaville passt.
Das Lied
Ja, das Lied dürfte vielen – wenn nicht allen möglichen – Leuten komplett unbekannt sein. Eingebettet auf „Dreamscapes 6ix“ – also auf der sechsten von acht CDs der Sammlung – zwischen dem Stück „Script of a dead poet“ (Also Manuskript eines toten Poeten) und einer „Opera-Version“ von „Pandora’s Lullaby“, das wir bereits von „Salvation“ kennen, kommt „Elegy so unscheinbar wie möglich um die Kurve, nur um dann seine komplette Schönheit auszuspielen.
Und es ist absolut verblüffend, wie Alphaville immer wieder mit derartigen Melodien daher kommen. Wie kommt man auf solche Sachen? Es ist beeindruckend. Mancher wird vielleicht sagen, dass das Lied vielleicht auf dieser limitierten Sammlung verschwendet ist. Aber genau das vermute ich halt nicht. Stellt euch mal vor, das „Das Beste der 80er, 90er und von heute“-Formatradio hätte „Elegy“ zwischen Jingles, Ed Sheeran und Werbung verhackstückt. Nicht auszudenken!
Nun hat es seinen würdigen Platz auf der letzten Veröffentlichung von Alphaville gefunden, nämlich auf dem sinfonischen Album „Eternally Yours“. Das Album kann sich seit letztem Herbst quasi jeder kaufen, der es mag. Und Alphaville sind mit dem ganzen Deutschen Filmorchester Babelsberg unterwegs. Der ganze Alarm, das ganze Brimborium. Und mittendrin das kleine Innehalten „Elegy“. Was will man da mehr?
Ja, manche Lieder hauen einfach um. Das stimmt absolut, Henning. :-)
Grüße, Lorenzo