Das Jahr 1990 erlebte die Heimsuchung des Albums „I do not want what I haven’t got“ von Sinéad O’Connor. Und hierauf möchte ich gern mal Bezug nehmen. Das Album ist grandios. Es ist eins der besten Alben, die es geschafft haben, in ganz Europa auf Platz 1 der Verkaufscharts zu gelangen. Und es beginnt mit dem sagenhaften „Feel so different“, einer hypnotisierenden Nummer, die irgendwo zwischen Dream Pop, Folk und Alternative Rock liegt. Mit diesem Lied wird der Zuhörer direkt einmal eingenordet, denn es beginnt mit dem Gelassenheitsgebet von Reinhold Niebuhr.
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Sie ist nicht mehr wie früher, obwohl sie das nie geglaubt hat. Sie hatte nicht mehr zugehört, trotzdem wurde sie weiter beeinflusst. Sie gab es nicht zu, aber sie dachte nicht mehr nach. Sie sagte, dass sie wegen schlechter Erfahrung nicht mehr will. Aber nun empfindet sie anders. Sie sah noch nie zuvor die Freiheit und hatte sie auch nicht erwartet. Sie will nicht vergessen, dass sie jetzt hier ist. Sie braucht Hilfe, um zu helfen, dass sie ihn behalten kann. Sie fing mit vielen Freunden an, verbrachte lange Zeit mit Reden. Sie dachte, sie würden jedes Wort so meinen, das sie sagten. Aber sie hielten sie nur hin, wie andere auch. Und jetzt erscheinen sie so anders. Sie sollte Ekel und Hass für ihn empfinden, aber so ist es nicht. Sie hat ihn immer geliebt, er hat sie vieles gelehrt. Die ganze Zeit hatte sie es nicht gesehen: Alles, was er vor ihr ausgebreitet hatte. Alles, was sie braucht, ist in ihr drin. Jetzt empfindet sie anders.
„Feel so different“ lässt den Hörer eintauchen in eine Welt, wie sie sich Sinéad O’Connor darstellt. Eine Welt voller Intrigen, schlechtem Einfluss, Trennungen, Verlusten. „Feel so different“ ist der Abschluss eines längeren Zyklus des Trennungsschmerzes. Sie fühlt sich nun anders, nachdem sie die Trennung von „ihrem Drummer“, die mit der berühmten Träne im Video von „Nothing compares 2 U“ thematisiert wurde, abgeschlossen und verarbeitet ist. „Feel so different“ ist somit der Morgentau nach einer endlosen Nacht. Und so wirkt das Lied auch. Es wirkt auch wie ein Stück Verarbeitung des Missbrauchs, den sie von Geistlichen am Internat der „Sisters of Our Lady of Charity“ erleiden musste.
Das Lied hinterlässt den Hörer ohne Kenntnisse der englischen Sprache tief erschüttert. Hier muss etwas schlimmes passiert sein. Ja, DIE Trennung schlechthin. Mit „Feel so different“ ist der Hörer von „I do not want what I haven’t got“ letztlich eingestimmt auf ein Album voller Trübsinn, der dann gleich im zweiten Stück, der gälischen Volksweise „I am stretched on your Grave“ gipfelt. „Feel so different“ ist der Funken Hoffnung, der dann im nachfolgenden Titel wie Glas zerspringt. Und das macht dieses sagenhafte Album von Sinéad O’Connor aus.