U2 habe ich aus den Augen verloren. Vor 28 Jahren gab es mit „Rattle & Hum“ den letzten Kracher als Album, und auf ihm das dröhnende „Hawkmoon 269“. Ja, ich weiß, ich habe schon über das Album geschrieben. Aber ich komme nicht umhin, noch einmal explizit auf dieses Meisterwerk aus Rock, Soul, Country und so weiter und so fort einzugehen. Denn irgendwie bedaure ich es, dass nie wieder danach so etwas von der irischen Band zu hören war.
Er braucht ihre Liebe. Wie die Wüste Regen braucht, wie eine Stadt einen Namen braucht, wie ein Landstreicher ein Zimmer braucht in Hawkmoon. Wie ein ununterbrochener Rhythmus, wie Trommeln in der Nacht, wie süße Soul-Musik, wie Sonnenlicht. Wie heimkommen und nicht wissen, wo man war. Wie schwarzer Kaffee, wie Nikotin. Wie ein aufsteigender Phönix einen heiligen Baum braucht. Wie die süße Rache eines verbitterten Feindes. Wie die Hitze die Sonne braucht. Wie Honig auf ihrer Zunge. Wie die Mündung eines Gewehrs, wie Sauerstoff.
Wie Donner Regen braucht, wie ein Priester Schmerzen braucht, wie Zungen der Flammen, wie ein besudeltes Laken. Wie eine Nadel eine Vene braucht, wie jemand schuldigen, wie entfesselte Gedanken, wie ein Zug, der außer Kontrolle geraten ist. Wie Glaube den Zweifel braucht, wie eine Schnellstraße raus. Wie Schießpulver einen Funken braucht, wie Lügen die Dunkelheit brauchen. Wenn die Nacht kein Ende hat und der Tag schon beginnt, dann dreht sich der Raum, und er braucht ihre Liebe.
In meinem oben verlinkten Artikel, der nun mittlerweile auch schon fast drei Jahre alt ist, hatte ich zu „Hawkmoon 269“ das Folgende aufgeschrieben. Und irgendwie stehe ich nach wie vor dazu.
Der vierte Track bringt mit „Hawkmoon 269“ ein rasselndes Meisterwerk über den Hunger nach Liebe. Die dröhnende, dunkle Ballade hämmert mit Pauken und Bonos überwältigendem Gesang über 6 Minuten lang in die Gehörgänge.
Das Lied ist zum Teil eine Hommage an den Schriftsteller Sam Shepard, der im Jahr 1973 eine Geschichtensammlung namens „Hawk Moon“ als Buch veröffentlichte. Aber es gibt auch ein Nest namens „Hawkmoon“ bei der Stadt Rapid City im US-Bundesstaat South Dakota. Angeblich soll ein Straßenschild mit „Hawkmoon 269“ den Ausschlag für den Liedtitel gegeben haben. Andererseits soll das Lied 269 mal gemixt worden sein, bis die Band zufrieden war. Was erst als Witz von Bono Fox angesehen wurde, wurde dann Jahre später vom Gitarristen The Edge so bestätigt.
„Hawkmoon 269“ ist für mich eine der besten Rocknummern der Achtziger Jahre. Bei dem Inhalt des Liedes spricht man von einem „Listenlied“. Pink Floyd Mitgründer Roger Waters soll mal gesagt haben: „Wenn dir gar nichts einfällt, mach einfach eine Liste.“ Nun, das haben dann ja U2 offenbar gemacht. „Rattle & Hum“ wurde in einem Zeitraum von 1,5 Jahren zusammen produziert. Mit Ausschnitten aus der Tour zum vorherigen Album „The Joshua Tree“. Und die meiste Zeit ging für „Hawkmoon 269“ drauf. Ich finde, es hat sich gelohnt, oder?