Das Album „Lovedrive“ hatten die Scorpions im Januar 1979 auf den Markt geworfen. Die Scheibe endet mit einem sensationellen Stück Musikgeschichte: „Holiday“. Wenn ich eine Nummer von den Scorpions wählen müsste, die ich als bestes Lied hinstellen sollte, dann würde dabei weder „Wind of Change“ oder „Still loving you“ oder „Rock me like a Hurricane“ stehen, sondern eben jenes „Holiday“. Das Lied ist der Lionel-Ritchie-Moment der Hardrocker aus Hannover. Warum, werdet ihr noch erfahren, wenn ihr das Lied nicht kennt.
You’d like a holiday
Lass mich dich weit weg bringen. Du wirst die Auszeit genießen. Tausche die kalten Tage mit der Sonne, einer guten Zeit und Spaß! Tausche den Ärger mit etwas Liebe, wo auch immer du bist. Lass mich dich weit weg bringen. Du wirst die Auszeit genießen.
Sehnsucht nach der Sonne, hier kommen wir jetzt auf die Insel ohne Namen. Sehnsucht nach der Sonne, hier kommen wir auf der Insel an, viele Meilen von zuhause entfernt.
Inhalt? Nö.
Ja, das war schon alles an Text. Inhalt gibt es also nahezu keinen. Das ist ja sowieso oftmals schwierig bei den Scorpions. Aber jetzt auch nicht so schlimm. Es ist unterm Strich einfach die Sehnsucht nach einem Urlaub ganz weit weg auf einer einsamen Insel. Gut, 1979 mag das noch funktioniert haben. Aber gibt es heutzutage noch Inseln, die wirklich einsam sind? Oder ist es nicht eigentlich die Flucht aus dem Hier und Jetzt? Dann ist das Lied quasi omnipräsent.
Auf „Lovedrive“ haben die Scorpions „Holiday“ ans Ende gepackt. Bei der Nummer auch kein Wunder, hat sie doch ein sehr hörbares Ende, was als „Coda“ für das ganze Album durchgehen kann. Es vermittelt den Eindruck von „Ich bin dann mal weg“. Wo hätte man denn sonst die Nummer hinpacken können? Inhaltsleere hin oder her, das Lied bleibt großartig und gehört genau an die Stelle auf dem Album.
Lionel Ritchie und die Scorpions
Ihr habt euch sicherlich gefragt, was ich mit dem Lionel-Ritchie-Moment meine. Kennt ihr von dem US-Amerikaner noch das Lied „Say you, say me“? Das plätschert schmachtend vor sich hin. Blu im Film „Rio“ schmachtet „Ja, sing es, Lionel!“. Tja, und ganz plötzlich stampfen die Drums und Gitarren los. So ungefähr haben das die Scorpions bei „Holiday“ auch gemacht. Das Lied ist eigentlich eine Akkustik-Ballade. Also 3 Minuten lang. Dann wird das Ganze zu einem treibenden Rocksong bis kurz vor dem Ende.
Die Gitarrenfigur der Akkustik-Gitarre ist 5 Takte lang. Am Anfang und am Ende. Dazwischen singt Klaus Meine mantraartig von der Einladung zu einem Liebesurlaub irgendwo im Nirgendwo. Das Lied muss genau so interpretiert werden, da sich das gesamte Album „Lovedrive“ mehr oder weniger mit der Liebe im schweißtreibenden Sinn beschäftigt. Mit „Holiday“ haben also die „Rocker von der Leine“ einen zeitlosen Soundtrack für Sex geschaffen, nur eben im Zeitraffer.
Das kraftvolle Mittelteil des Liedes ist vielleicht die eigentliche Ekstase, wer weiß? Lionel Ritchie hätte seine wahre Freude an dem Stück gehabt. Und da „Say you, say me“ einige Jahre später erschien, ist „Holiday“ vielleicht die Vorlage dafür gewesen. Nur hat der Amerikaner lange nicht so ein grandioses Ende – das Coda – fabriziert bekommen. Für mich eins der besten der Musikgeschichte, wie ich sie bewusst wahrgenommen habe.
Und so können wir festhalten, dass die Scorpions mit „Holiday“ einen Meilenstein in ihrem Schaffen hingelegt haben, der ihnen später leider nicht nochmal so gelang. Nein, auch „Still loving you“ hatte nicht das Zeug dazu. „Holiday“ ist meiner Ansicht nach etwas ganz besonderes in der Diskografie der Scorpions. Auch wenn es keine Single war. Auch wenn der Inhalt eher überschaubar ist.
Das Lied
Meine Fresse, was für ein Lied! Ich komme immer wieder ins Schwärmen, wenn ich mal „Holiday“ von den Scorpions höre. Das erste Mal hörte ich das Lied auf „Rockers and Ballads“, das die Scorpions 1989 veröffentlichten. Und so klingt die Nummer:
Das Cover ist toll. Von STORM THORGERSON
der auch pink floyd Cover designt hat. Ich habe den guten Mann vor seinem Tod per Mail kontaktiert 2011-12 und wir haben sogar paar Mal geschrieben.
Du hast mit Storm Thorgerson gemailt?! Herrje, wie geil ist das denn? Ich verehre Hipgnosis und ihre Kunst, seit ich einen Bildband von denen besitze. Eigentlich schon viel früher fand ich deren Cover sehr beeindruckend – als ich „Wish you were here“ zum ersten Mal in der Hand hielt.
@Henning: was den Text angeht, es geht noch minimalistischer. Bei „At the river“ von Groove Armada gibt es nur folgenden Text:
If you’re fond of sand dunes and salty air
Quaint little villages here and there.
moin zusammen, wahrlich das schönste Stück der Scorpions. Für mich ist es auch ein Liebeslied, obwohl ich es mir auch für meine Beerdigung wünsche. Der Tod ist nicht das Ende sondern der Urlaub ( Holiday) vom Leben.
Der Übergang vom Alten ( kalt,nass,ungemütlich) in etwas neues ( Insel,Sonne,Licht) schönes. Für mich ein schöner und wundervoller Gedanke.
In diesem Sinne 🤘
Stefan