Katar – Oder: Jetzt tut nicht so!

In rund zwei Monaten beginnt die große Fußball-Sause im Wüsten-Emirat Katar. Und JETZT fällt es Sportlern, Funktionären und allen anderen ein, darüber zu reden. Dazu fällt mir eigentlich nur ein, dass man doch jetzt nicht plötzlich so tun soll, als ob der Emir und seine Scheichs ganz plötzlich zu großartigen Demokraten geworden sind und die Menschenrechte am Persischen Golf nun plötzlich die hauptsächliche Währung auf den elfeinhalb tausend Quadratkilometern sind. Das ist alles Augenwischerei, und ich muss darüber mal was aufschreiben.

Was ist denn überhaupt dieses Katar?

Katar ist ein Emirat am Persischen Golf. Es ragt als Habinsel in das Meer hinein. Es flanscht südlich an Saudi-Arabien an und ist von dem riesigen Land dann doch ziemlich entfernt. Grund sind Salzpfannen, die irgendwie daran erinnern, dass es mal eine Zeit gab, in der Katar eine Insel war. Im Land wohnen 2,6 Millionen Menschen, knappe die Hälfte davon in und um die Hauptstadt Doha. Sonst ist das Land mehr oder weniger Wüste. Ach ja, und es gibt unfassbare Bodenschätze. Noch.

Das hat das Land – und vor allem die Scheichs und den Emir – unfassbar wohlhabend gemacht. 90% der Einwohner sind Migranten, die zum Arbeiten nach Katar kamen. Die haben meistens keinen Pass. Die Menschenrechte gelten in der Wüste nicht mal einen feuchten Pfifferling. Man redet von moderner Sklaverei. Das hatte in der langen Geschichte der Region erst keine Rolle gespielt, als das Gebiet reichhaltig bewachsen war und in der Steinzeit seine Blütezeit hatte.

Als sich das Klima veränderte, wurde Katar eine Wüste. Das Gebiet verwaiste. Dann kamen die Christen und wurden später vom Islam vertrieben. Ende des 18. Jahrhunderts kamen die streng gläubigen Wahhabiten von Saudi-Arabien, und nach und nach wurde Katar zu einer Art Piratenküste. Die Briten machten das Land dann zur Kolonie und fanden 1939 Erdöl. 1971 wurde Katar in die Unabhängigkeit entlassen. Die Scheichs wurden dann Emire. Und das Land wuchs und prosperierte.

Das Land steht im Verdacht, den weltweiten Terror zu unterstützen. Das hatte dann sogar Donald Trump behauptet. Mittlerweile hat man sich wohl mit dem Land arrangiert. Aber Katar setzt eben gewaltige Geldmengen ein, um in der Welt etwas zu gelten. Es werden Nationalmannschaften zusammen gekauft. Und auch die Handball-Weltmeisterschaft der Männer 2015 wurde angeblich dorthin verschachert. Und jetzt kommt die Fußball-WM, und plötzlich sehen viele dort die lupenreinen Demokraten?

Eine Fußball-WM ist kein Hort der Glückseligen

Ihr wisst ja, wenn ihr diesem Blog schon länger folgt, dass ich immer viel für Fußball übrig hatte. Ich verfolge auch nach wie vor das Treiben von RB Leipzig und einigem anderen. Bei vielem tut man sich mehr oder weniger schwer, ein Auge zuzudrücken. Aber irgendwie hat man dann doch halbwegs interessiert immer wieder hingeschaut. Nein, ich habe mir nie Pay-TV angeschafft, um die Spiele alle zu sehen. Mir reicht die Sportschau und dergleichen aus. Dennoch habe ich eine Meinung.

Es konnte einem schon einigermaßen mulmig werden, als die letzte Fußball-WM nach Russland verschoben wurde und sich Putin anschickte, diese zu nutzen, um sich als lupenreinen Demokraten hinzustellen. Aber die bevorstehende WM in Katar toppt das Alles noch um ein Vielfaches. Ob es die katastrophalen Arbeitsbedingungen dort sind, der katastrophale Umgang mit der Klimakrise, es ist egal. Der Emir von Katar trocknet die Tränen von FIFA-Chef Infantino mit ein paar Geldscheinen.

Ja, so eine Fußball-WM ist kein Hort der Glückseligen, es geht immer nur ums Geld. Aber mit der WM in Katar zeigt die FIFA eindrucksvoll, wie scheißegal ihr Menschenrechte, Umwelt und gesellschaftlicher Konsens sind. Und dann kommen ein paar Nationalmannschaften mit einer Armbinde um die Ecke, auf der ein falscher Regenbogen in einem Herz zu sehen ist, kombiniert mit dem Schriftzug „1 Love“. Die sollen mal nicht so tun, als ob da nicht mehr möglich gewesen wäre.

Wenn Franz Beckenbauer bei einer Besichtigung der Baustellen trotz vielfacher anderslautender Beweise keinen einzigen Zwangsarbeiter gesehen haben will, muss der Mann blind gewesen sein. Was ich damit sagen will: So eine WM dient auch immer der Völkerverständigung. Man hätte Katar an die kurze Leine nehmen müssen und streng kontrollieren müssen und Verfehlungen, die es ja gab, mit Entzug der WM bestrafen müssen.

Katar schert sich doch einen feuchten Dreck darum, was irgendeine dahergelaufene Menschenrechtsorganisation von sich gibt. Die sagen „Scharia“ und sind damit am Ende der Argumente. Ja, Katar ist ein eigenständiges Land mit eigenen Gesetzen. Alles schön. Aber den Vorwürfen hätte man konsequenter nachgehen müssen. So hat die bevorstehende WM den Beigeschmack des Tanzes auf den Gräbern der Opfer.

Was mache ich jetzt mit der WM?

Das Alles hinterlässt mich relativ ratlos. Einerseits sage ich immer, dass ich einfach boykottiere. Das gelingt mir mit den Bayern wunderbar, die ich gut ignorieren kann, selbst wenn sie frei empfangbar übertragen werden. Die WM wird aber so viel Raum ab dem Totensonntag einnehmen, dass man sich dem Ganzen wohl nur schwer entziehen kann. Vor allem, wenn einem Fußball echt am Herzen liegt. Dennoch wird sich mein Konsum wohl ganz stark in Grenzen halten.

Das Eröffnungsspiel wird schon ein Leckerbissen: Katar (FIFA-Rang 48) gegen Ecuador (FIFA-Rang 46). Das wird ganz großartig. Nee, macht das mal ohne mich. Und das sage ich, der bei mancher WM alles stehen und liegen gelassen hat, nur um „Fußi“ gucken zu können. Nee, das fällt aus. Es gibt zu viel, was mir Bauchschmerzen bereitet. Und diese ganze Unschulds-Show, die Katar und die FIFA so abziehen, muss ich mir nicht antun. Mir würde das wohl nicht gut tun. Und wie seht ihr das?

One Reply to “Katar – Oder: Jetzt tut nicht so!”

  1. Henning, Ich gucke mir die WM zwar an, aber eine WM in Katar ist eigentlich ein No Go. Ziemlich zwiespältig. Auf einer Seite freue ich mich auf die schönen Spiele und auf der andere Seite ist da eben Katar.

    Lorenzo

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert