Dani Klein, Sängerin von Vaya Con Dios, sang in den Neunzigern das melancholische Stück „Time Flies“. Es ging darum, dass sich die Zeiten auch mal ändern können. Wenn man mal in sich geht, dann erlebt man selbst diese Melancholie, dass vieles nicht mehr so wie „in der guten alten Zeit“ ist. So ist das auch mit dem Büroleben. Meine Mutter führte jahrelang eins, und ich seit fast 15 Jahren auch. Und darum geht es.
You know that time flies
Es war so ein lustiger Tag. Ich weiß auch nicht warum. Ich ging eine endlose Gasse entlang, und das Leben zog an mir vorbei. Das Morgen ruft, so wie das Gestern. Der Himmel ist ungeheuer klar, aber ich kann die Hitze nicht ertragen. Ich schlafwandle im Nebel, stolpere wie ein Kind. Die Drachen, die ich früher gejagt habe, necken mich innerlich. Die Zukunft ist unsicher, so wie das Gestern. Die Erinnerungen an den Himmel kann mir niemand wegnehmen.
Sie sagen, dass du aus deinen Fehlern gelernt hast. Aber das ist gelogen. Meine Erlösung wurde unzählige Male inszeniert. Aber die Engel der Leidenschaft verspotten mich immernoch im Schlaf. Sie werfen immernoch Blätter und Dornen unter meine Füße. Du weißt, wie die Zeit vergeht. Und die Rebellen werden eines Tages alle still werden. Kein Geld und niemand ist da, der dir Seelenfrieden kaufen kann.
Das Büroleben ändert sich immer weiter
Ja, das Lied „Time Flies“ ist jetzt thematisch nicht so sehr nah am Thema. Aber ich wollte unbedingt das Motto unterbringen. Und ich wollte die Stimmung einfangen. Denn es gibt durchaus Gründe für die Melancholie, wenn man sich heutzutage das Büroleben anschaut. Und irgendwie passt es nicht so richtig zusammen, wenn wir unsere Eltern in ihren damaligen Büros mit uns in unseren heutigen Büros vergleicht.
Das beginnt schon damit, dass ich für diesen Artikel ein Beitragsbild gesucht habe. Ich nutze dafür „Pixabay“, das ist immer unter den Bildern verlinkt. Wenn ich dort nach „Büro“ schaue, sehe ich Home Office Arbeitsplätze, Whiteboards, Konferenztische, Headsets und all das. Die Notebooks sind geputzt, es liegen kunterbunte Büroklammern herum, alles ist per Lineal ausgerichtet. Realistisch bis ins letzte Details, oder?
Nein, mit der Wirklichkeit haben solche Bilder eher nichts zu tun. Ich arbeite normalerweise in einem Großraumbüro mit einem PC und zwei großen Monitoren, habe ein Festnetz-Telefon, eine Kaffeetasse und einen Rollcontainer. Normalerweise, nur nicht seit März 2020, wie es bei unzähligen anderen Menschen auch ist. Aber dazu komme ich noch genauer. Ich will auf etwas anderes hinaus.
Natürlich muss sich die Arbeit verändern. Aber wenn ich mir so überlege, wie meine Mutter früher im Büro gearbeitet hatte, denke ich mir: Wir können das Alles nicht hoch genug respektieren. Sie war Korrektor in einem Verlag in Leipzig, den es seit Jahren mittlerweile nicht mehr gibt. Sie saß am Schreibtisch und hat Vorlage mit Abdruck verglichen und korrigiert. Klingt einfach? Dann vergleicht mal zwei Ausdrucke auf Serbokroatisch, wenn ihr die Sprache nicht kennt.
Lohnbuchhaltung wie zu Kaisers Zeiten
Ja, den Beruf des Korrektors gibt es bis heute. Der Posten wurde meiner Mutter damals angeboten, und so wechselte die gelernte Schriftsetzerin (Das ist dieser schwere Beruf) ins Büro. Mit der Zeit kam dann auch dazu, dass sie ein Stückweit die Lohnbuchhaltung erledigte. Ewig lange Zahlenkolonnen, die sie zusammenrechnen musste. Dazu hatte sie einen Taschenrechner von der West-Verwandschaft bekommen, ich glaube, es war der TI-30 von Texas Instruments.
Wenn ich sie dann und wann nach der Schule besuchte, fuhr ich meistens mit der Straßenbahn-Linie 22 hin und lief ein Stück durch einen Park. Ich habe dann neben ihr am Schreibtisch gesessen und fasziniert auf dem Taschenrechner herum gedrückt. Wenn man sich das heutzutage vorstellt, muss das wie Lohnbuchhaltung wie zu Kaisers Zeiten wirken. Das ist vielleicht 32, 33 Jahre her. Time flies: Wie die Zeit vergeht.
Heute ist nicht gestern
Ja, sicher: Die damalige Arbeit können wir nicht mit der heutigen Arbeit in den Büros vergleichen. Aber ich habe manchmal das Gefühl, dass diese gnadenlose Effizienz-Steigerung übertrieben ist. Wenn meine Mutter damals einen serbokroatischen – oder gar japanischen – Text Zeichen für Zeichen verglich, bis ihr schwindlig wurde, so sind es heute Module wie die Rechtschreib-Prüfung und dergleichen, die uns diese Arbeit abnehmen.
Wenn früher durch die Ölkrise vielleicht die Straßenbahn nicht fuhr und meine Mutter vielleicht zuhause gewesen ist, war Großputz angesagt. Heutzutage nennt man das Home Office, obwohl der Begriff, der in Pandemie-Zeiten genutzt wird, so gar nicht richtig ist. Wir bleiben in Extrem-Situationen weiter produktiv. Wir sind jederzeit einsatzfähig. Egal wo. Wir übertragen Daten in die Cloud, sodass sie mit Büro-Computer, Mobilgerät und allem möglichen synchronisiert werden.
Vielleicht hilft es ja, sich in dieser schnelllebigen Zeit zu orientieren, wenn wir alle mal einen Schritt zurücktreten und schauen, wie das die Generationen vor uns gemacht haben. Und die Betriebe, in denen sie ihrer Arbeit nachgegangen sind, haben deshalb trotzdem überlebt. Der Verlag, in dem meine Mutter lange Zeit gearbeitet hatte, existiert nämlich aus anderen Gründen nicht mehr.
„Time Flies“ ist so richtig, dass es einen wie ein Hammer trifft. Ich sehe mich heute immernoch mit dem Bereichsleiter meiner Mutter „fachsimpeln“. Und ich sehe die Kollegen das Büro meiner Mutter als Raucherinsel benutzen. Manches muss einfach nicht optimiert werden und funktioniert trotzdem. Entscheidend ist doch, was man daraus macht. Oder etwa nicht?
Ich bin übrigens durch diesen Artikel auf diesen Text gekommen. Und ich finde, jeder sollte sich Themen wie „Time flies“ vor Augen führen, wenn der Meeting-Kalender wieder mal vollgestopft ist.