Freitags wünschte man sich in der DDR immer in Anlehnung an die damals in der BRD geführte Atomdebatte und in Ermahnung an das eigentlich verbotene Westfernsehen ein atomfreies Wochenende und ein gutes Westbild. Der eine oder andere wird sich daran noch erinnern.
Nun, an diesem denkwürdigen Wochenende, ist mir dieser Gruß wieder eingefallen. Und ich möchte gern über das Thema Kernkraftwerke philosophieren.
Es kam neulich zum größten Eigentor, das sich unsere Tigerentenkoalition leisten konnte. Rainer Brüderle gab hinter verschlossenen Türen der Atomlobby zu verstehen: Macht euch mal keinen Kopf, das Atom-Moratorium ist nur wegen den bevorstehenden Wahlen. Dumm nur, wenn die Rede des Bundeswirtschaftsministers doch nicht hinter den Türen verschlossen bleibt, sondern bis zur Presse gelangt.
Da schrieb dann sofort die Münchner Abendzeitung: „Hallo Berlin! Für wie doof haltet ihr uns?“ Die TZ aus München geht gar noch weiter und bezeichnet die Bundesregierung als Drogensüchtige: „Die Bekenntnisse sind nur Show“. Die Dithmarsche Landeszeitung sieht ein „Bild der Unglaubwürdigkeit“. Und so weiter.
Brüderle selbst spricht davon, es wäre absurd, der Bundesregierung Wahlkampfmanöver vorzuwerfen. Ja, aber warum hat dann der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Werner Schnappauf, die „politische Verantwortung“ für etwas übernommen, was eh nie passiert ist?
Nun kommen am Sonntag die Landtagswahlen von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Ich gehe zu 100% von einem Herrn Mappus aus, der mit Stimmzetteln aus dem Amt gedroschen wird. Erst war er wie ein römischer Feldherr bei der Umsetzung von Stuttgart 21, jetzt spielt er die möglichen Gefahren der baden-württembergischen Kernkraftwerke herunter. Und das bei der Weltlage, die wir derzeit haben, in der jeder vermeintlich kluge etwas vermeintlich kluges zum Thema Kernkraft zum Besten zu geben hat.
Und König Kurt? Der wird wohl eines Tag im Amt ableben. Nicht, weil er so gut ist. Sondern, weil die Alternative CDU einen Bockmist nach dem anderen macht. Und warum soll der Pfälzer etwas ändern? Es geht ihm doch gut. Und Kurt Beck hat klug die Atomdebatte aufgegriffen.
Ja, alles Wahlkampfgetöse. Weiter nichts.
Derweil ist ja wohl immernoch nicht klar, was aus Fukushima wird. Heute gegen 16.00 Uhr hat offenbar Greenpeace darauf gedrängt, das Unglück im Zusammenhang mit dem schlimmen Erdbeben zusammen mit Tschernobyl auf die INES-Stufe 7 zu stellen. Es kann offenbar weiterhin niemand vorhersagen, was mit dem Kraftwerkskomplex geschehen wird. Die Lage scheint unvorhersehbar zu sein. Japans Premierminister erläuterte das heute treffend mit: „Wir bemühen uns, damit sich die Situation nicht verschlechtert“.
Vor dem Hintergrund der japanischen Debatte ist es natürlich einfach, flügelschlagend das sofortige Ende der Kernenergie zu fordern. Die Frage ist nur, ob Sie in einem solchen Fall noch die technischen Mittel zum Lesen dieses Beitrags hätten. Natürlich sind alternative Energien, erneuerbare Energien die bessere Alternative. Aber sie können zurzeit noch nicht all die Energie ersetzen, die die weltweit aufgestellten Meiler erzeugen. Wenn die Windräder, Sonnenparks, Wasserwerke etc. das könnten, wäre ein Herunterfahren sicher einfacher zu realisieren.
Ja, herunterfahren. Ein Atomkraftwerk kann nicht per Knopfdruck auf „Aus“ geschaltet werden. Die Komponenten würden sonstwas veranstalten und die nächste Katastrophe verursachen. Und die Brennelemente müssen auch noch Jahre später gekühlt werden. Also müssen die Kraftwerke allmählich aussortiert und durch erneuerbare Energie ersetzt werden.
Aber auch das wird noch Jahre dauern. Da spielen 3 Monate Kernkraft-Moratorium, wie Brüderle so schön sagte, tatsächlich nur bei anstehenden Wahlen eine Rolle.
In diesem Sinne: Ein atomfreies Wochenende und ein gutes Westbild!