Denke ich an Deutschland in der Nacht, bin ich nicht mehr um den Schlaf gebracht. Ich habe mich bei Heinrich Heine bedient, um anzufangen. Ich möchte mit einem Artikel um die Ecke kommen, der nicht so ist, wie der da vor kurzem. Oder wie der da davor. Denn man muss ja auch mal Hoffnung haben. Und die können wir haben, wenn wir so auf dieses Land gucken. Es ist zwar noch lange nichts gewonnen. Aber nach der Correctiv-Recherche hat sich deutlich etwas verändert. Und das ist etwas sehr gutes.
Millionen in Deutschland
Ich habe keine Ahnung, wie viele Menschen es sind. Aber seitdem dieses abscheuliche Treffen von AFD, Werteunion, führenden Rechtsradikalen etc. bei Potsdam bekannt geworden ist, sind in Deutschland unzählige Menschen auf die Straße gegangen, um gegen den galoppierenden Rechtsradikalismus zu protestieren. Und am Ende kommt man auf die wahnsinnige Idee, dass es in diesem Land eben nicht so weitergehen kann wie bisher. Die Radikalen müssen gestoppt werden, das ist vielen klar geworden.
Es gibt die wildesten Zahlen, wie viele Menschen auf den Straßen waren. Ziemlich sicher scheint zu sein, dass es weit über eine Million Menschen gewesen sein müssen. Deutlicher kann das Zeichen gegen Rechtsradikalismus eigentlich gar nicht sein. Und einen größeren Schlag in die Gesichter der Politik kann es eigentlich gar nicht gehen. Man lässt es ihnen eben nicht mehr durchgehen, dass Deutschland hergeschenkt und somit geopfert wird.
Und es sind ja nicht nur „die Linken“, die auf den Straßen sind. Politiker fast aller Farben waren draußen in der Januar-Kälte. Letztlich haben nur die Fatzken der AFD draußen gefehlt. Vermisst wurden sie nicht. Aber wären sie mit dabei gewesen, hätten sie nicht daher fabulieren können, dass die Fotos und Filme von den Demos angeblich inszeniert worden wären. Nein, ihr Nazis, da ist nichts inzeniert. Und euch braucht auch niemand hier im Land. Keine Sau würde einen Vorteil durch euch haben.
Kein Platz für Nazis
Man hört immer von rechtsradikalen Hetzjagden in Bautzen. Dort war die Zivilgesellschaft gegen die AFD auf der Straße. In ganz Mitteldeutschland gab es extrem viele Demos gegen die Nazis. Speziell dort, wo man die Hochburgen der blaubraunen Scharlatane vermutet, freut man sich über jeden einzelnen Menschen, der den Mut aufbringt, auf so eine Demo zu gehen. Deshalb bin ich nicht mehr um den Schlaf gebracht, wenn ich an Deutschland denke. Und es gibt noch mehr:
Bei der AFD selbst ist Panik ausgebrochen. Was wurden ARD und ZDF beschimpft, weil sie zu den Demos in Deutschland AFD-Kasper befragt haben. Ich habe einen „Bericht aus Berlin“ gesehen, bei dem einem AFD-Geschäftsführer Bernd Baumann die Panik in den Augen abzulesen war. Ein Tino Chrupalla verwickelt sich in einer Talkshow in Widersprüche. Und andere aus dem Haufen behaupten, dass es diese Demos gar nicht gab.
Am Ende wird dadurch vor allem eines gezeigt: Die AFD ist der Lüge überführt, eine Partei des Volkes zu sein. Und jetzt steigen dem Laden auch noch die katholischen Bischöfe aus dem Osten aufs Dach. Es gibt darüber hinaus jede Menge Unternehmen, die vor einer starken AFD warnen, weil das nicht nur die Sicherheit des Landes gefährdet, sondern auch zur extremsten Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland wird.
Aber sind denn alle Nazis?
Ich werfe hier im Artikel um mich, dass die AFD ein Nazi-Haufen ist. Aber ist es tatsächlich zu 100% so? Genau das muss nicht stimmen. Aber zu einem großen Teil. Und es geht eben nicht nur um „Ausländer raus“, wie ich bereits angemerkt habe. Der thüringische Landesvorsitzende Höcke hatte im August 2023 vom Ende von „Ideologieprojekten wie der Inklusion“ geschwafelt. Das heißt doch dann in der weitere Betrachtung Euthanasie.
Auch den Begriff „Volksschädling“ macht der Laden wieder hoffähig. Das sind all die Menschen, die etwas gegen diesen Laden haben oder die Vielfalt der Sexualität leben. Beim „Hellen Köpfchen“ werdet ihr dazu fündig. All das sind glasklar Nazi-Parolen. Und denen muss man entgegen wirken. Und all die AFD-Wähler, die dann doch eher Bauchschmerzen bei solchen Äußerungen haben, sind keine Nazis und sollten von deren Tentakeln befreit werden.
Am Ende müssen wir immer weitermachen und diesen Laden klein machen. Mit einem „Weiter so“ kommen wir aber nicht zum Ziel. Die Politik muss sich auch bewegen. Sonst haben wir im Herbst 2024 rechtsradikale Ministerpräsidenten in Deutschland. Das kann niemand wollen. Übrigens auch nicht deren Wähler, wie man immer wieder liest. Ich bin zwar nicht mehr um den Schlaf gebracht, aber Deutschland müssen wir weiter beschützen.
Wieder gut geschrieben, Henning. Ich hätte nie gedacht, dass ich als politisch Andersdenkender und Behinderter hier in Deutschland noch einmal Angst vor der Zukunft haben muss, aber ich habe sie. Es geht mir im Moment nicht gut. Es belastet mich sehr. Aber die ganzen Demonstrationen machen Hoffnung, aber wir müssen unsere Demokratie weiter schützen bzw. verteidigen, wie du sagst.
Lorenzo
Dass mal eben anderthalb Millionen Leute auf die Straße gehen, um zu demonstrieren… tja, das habe ich seit den Ostermärschen im Kalten Krieg nicht mehr erlebt. Und ehrlich gesagt: Ich hätte auch nicht damit gerechnet. Schon gar nicht im Winter.
Spannend finde ich da nur noch die Frage, wie die bürgerlichen Parteien – im Deutsch der Journalisten gern als »Mitte« bezeichnet – damit umgehen werden. Bislang haben die ja als Strategie eine teilweise Übernahme von AfD-Forderungen ausprobiert, als ob die AfD-Wähler nicht zwischen Original und schlechter Nachäffung unterscheiden könnten. Es ist schon erschreckend, wie sich darin spiegelt, wie die Intelligenz der Wahlberechtigten von denen eingeschätzt wird, die sich zur Wahl stellen, und noch erschreckender ist nur, dass diese Einschätzung für einen viel zu großen Anteil der Bevölkerung zutreffend zu sein scheint. Diese eher unerfreulichen Bestrebungen müssten jetzt jedenfalls auch einen erheblichen und in meinen Augen auch erfreulichen Dämpfer erhalten haben. Zumal ich viele Transparente auf Fotos gesehen habe, die klarmachten, dass der von mir als CSPDUFDPGRÜNETC bezeichnete Komplex durchaus mitgemeint ist. Ob das eher eine Minderheit der Teilnehmer war, die gegen den gemeinsamen Feind eher geduldet wurde, oder ob das auch eine verbreitete Einschätzung der Demonstrierenden ist, wird auf Fotos natürlich nicht deutlich. Da wird zurzeit vor allem etwas sehr anderes deutlich: Dieses „Nie wieder“ ist wiedergekommen, und es soll nicht widerspruchslos hingenommen werden.