Zuwanderung: Das Feigenblatt des Dagegenseins

Lasst uns mal über Zuwanderung diskutieren. Die scheint ja das größte Problem derzeit zu sein, wenn man so den wahlkämpfenden Parteien zuhört. Je weiter rechts die stehen, desto mehr müssen Nichtdeutsche um ihren Aufenthalt in Deutschland fürchten. Je weiter links eine Partei verortet ist, desto menschenrechtlicher ist Zuwanderung. Und wie das eben immer so ist: Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen und weiß nicht so richtig, wohin sie gehen soll.

Zuwanderung: Es gibt so’ne und solche

Können sich die Älteren in den westlichen Ländereien noch daran erinnern, wer großen Anteil am Wirtschaftswunderland Deutschland hatte? Ja, es waren die Türken, die in Massen ins Ruhrgebiet und sonstwo hin gekarrt wurden. Am Wunder sollten sie mitmachen, sich aber ansonsten raushalten. Im Osten hatte man das ähnlich gemacht, nur mit Vietnamesen. Ja, ich überspitze, ich meine ja nur: Das war so’ne Zuwanderung.

In den Neunzigern brannte der Balkan, und viele Menschen von dort – man nannte sie „Jugos“ – kamen. Sie wurden in Lager gesteckt und mehr oder weniger sich selbst überlassen. Das Gleiche passierte mit den Flüchtlingen vor dem Terror der POLISARIO in Marokko oder des IS in Syrien oder so. Vor allem bei letzterem kamen die Menschen mit der Erwartung, dass man sie in Obhut nimmt. Tja, war wohl nicht ganz so. Das war dann solche Zuwanderung.

Ach ja, und wir haben ja noch die Ukrainer. Wo stecken wir die Zuwanderer hin? Zum Nutzvieh oder zu den Schädlingen? Sagt es mir mal. Das würde mich echt interessieren. Und wir haben gar nicht die vielen Millionen Menschen besprochen, die man hierher lotst, weil Deutschland eine völlig verfehlte Kinderpolitik, kaum sinnvolle Kinderbetreuung und eine verfehlte Bildungspolitik hat. Wie bekommen wir das Alles denn nun unter einen Hut? Tja, ich habe da keine Ahnung, muss ich aber auch nicht.

Zwischen „Ausländer raus!“ und „Einreisestopp!“

Da derzeit ja Landtagswahlen in den letzten Zügen liegen, müssen wir uns echt mit immer bekloppteren Sprüchen herumärgern. Es gibt irgendwelche Schlagabtausche, Talkshows, Wahlarenen und so weiter und so fort. Dazwischen gibt es die schockierenden Meldungen aus Mannheim und Solingen. Und irgendwie sind sich alle einig, dass es mit der Zuwanderung so nicht weitergehen kann. Nur wie ändert man das Alles nun?

Man kommt mit Themen wie der Grenzpolizei um die Kurve und feiert das als große Errungenschaft. Ich kann mich aber noch daran erinnern, als der „Schengen-Raum“ ausgerufen wurde, gab es immer Stimmen, die davor warnten, alles so Laissez-fair anzugehen. Nun also die Grenzpolizei, und die Scharlatane der AFD sagen, sie würden die Grenzen dicht machen. Das können sie gar nicht, so sehr sie das auch behaupten. Und die Union? Es soll ein Einreisestopp geben. Wie soll das denn gehen?

Wenn man sich mal ehrlich machen würde, würde man sagen: Als 2015 die ersten Flüchtlinge aus Syrien kamen, haben wir vieles falsch gemacht. Auch „Wir schaffen das“ war nicht komplett richtig. Wir haben es aber in 6 restlichen Jahren Merkel nicht hinbekommen, eine vernünftige Flüchtlingspolitik zu machen. Und die Ampel hat das in 3 weiteren Jahren verpennt. Gleichwohl kommt man aber mit dem AFD’schen „Ausländer raus“ und „Unser Land zuerst“ nicht einen Schritt weiter.

Ich habe damals genug zum Thema geschrieben und muss das ehrlich nicht nochmal aufdröseln. Guckt einfach im Blog nach oder lasst es bleiben. Fakt ist für mich, dass alle Fehler gemacht haben. Fakt ist auch, dass in Deutschland Fachkräfte fehlen. Da kann sich der AFD-Urban noch so sehr hinstellen und fordern, dass erstmal „unsere Leute“ drankommen sollen. Es ist ja niemand da. Die beiden Fakten muss man irgendwie miteinander verbinden und die richtigen Schlüsse ziehen. Macht das aber jemand?

Aber Mannheim und Solingen!

Ja, mich hat es kolossal fassungslos gemacht, was da in Mannheim und Solingen passiert ist. Und natürlich: Das sind nicht die ersten Vorfälle. Damit nun aber „Ausländer raus“ zu rechtfertigen, ist aber meiner Meinung nach ziemlich scheinheilig. Und vor allem: Ihr glaubt doch nicht etwa, dass es keine Straftaten mehr gibt, wenn „die Ausländer“ weg sind, oder? ODER? Und wie bei jedem anderen Verbrechen müssen auch diese Verbrechen aufgeklärt werden, wie es sich gehört.

Ich bin mir nicht sicher, wie das bewerkstelligt werden soll: Einerseits ist Asylrecht ein Völkerrecht. Andererseits ist es tatsächlich so, dass das Alles in geregelten Bahnen ablaufen muss, um Chaos zu vermeiden. Und nochmal andererseits muss es eben auch Mittel und Wege geben, kriminelle Asylbewerber, die es ja zweifelsohne gibt, auch wieder loszuwerden. Nein, nicht durch Genickschuss oder „über Ostanatolien abwerfen“.

Ich meine ja nur: In Kneipen ist es doch auch so. Wenn sich Jochen nicht benimmt, im Suff sein Bierglas zerbricht und damit Hans-Georg angreift, wird der Wirt ja auch Jochen rausschmeißen und ihm Kneipenverbot erteilen. Aber der Wirt wird niemals sagen, dass Klaus nicht in die Kneipe kommen darf, weil Klaus aus einem anderen Stadtteil kommt oder statt Katholik vielleicht Protestant ist. Wir sind doch nicht in Irland.

Was ich damit sagen will: Es gibt keine gute oder schlechte Zuwanderung. Es gibt nur eine Zuwanderung, und die muss geregelt werden. Mir scheint es so, als ob das nach all den Jahren immernoch nicht passiert ist. Den schwarzen Peter einzig der aktuellen Regierung zuzuschieben, ist von denen, die mal regiert haben, unredlich. Und „Ausländer raus“ wird immer eine Lüge bleiben, weil Deutschland noch nie so funktioniert hatte. Zuwanderung muss geregelt werden, und das haben alle vergessen. Und das meine ich mit „Feigenblatt des Dagegenseins“.

2 Replies to “Zuwanderung: Das Feigenblatt des Dagegenseins”

  1. Danke für den Artikel, Henning. Dass das Thema so hoch in der Aufmerksamkeit steht, hat wohl am ehesten damit zu tun, dass unser Staat massiv versagt. Und das schon seit Jahren. Während ich früher ein positives Verhältnis zur Migration vertrat, ist das heute völlig anders. Wir leben auf dem Land. Nach Köln oder in andere Großstädte reisen wir nur, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt. Ja, es ist eine Frage des Gefühls, nicht zwingend eine des eigenen Erlebens. Es besteht die Gefahr, dass subjektive Wahrnehmungen und Hörensagen massiven Einfluss auf unser Denken (und Handeln?) haben. Ich fürchte, die Nonchalance, mit der linksgrüne Politik das Thema behandelt hat, führte in eine Lage, die einen Anteil daran hat, dass in Thüringen und Sachsen die Parlamente umgekrempelt werden. Manche fürchten um die Demokratie. Zu denen gehöre ich auch. Andere überlegen allen Ernstes, ob es nicht besser wäre, Deutschland wieder zu teilen (Stefan Laurins Gedanken – Ruhrbarone – dazu sind wohl ernst genug). Ich finde schon, dass die Migrationsthematik einen wesentlichen Beitrag für derartige Entwicklungen geliefert hat. Und es ist ganz schrecklich.

    Wenn wir uns in Europa umschauen, sehen wir einen Rechtsruck, den viele von uns über Jahrzehnte für unmöglich gehalten hätten. Dass wir das Thema in Deutschland so viel hysterischer betrachten, ist wohl auf unsere Geschichte zurückzuführen. Oder ob es sein kann, dass die Demokratie doch nicht so verankert ist, wie wir geglaubt haben? Im Osten ist die Lage jedenfalls aus meiner Sicht noch besorgniserregender als im Westen.

    Es ist gut, dass du die Einstellung zu Gastarbeitern (Ost und West) angesprochen bzw. verglichen hast. Wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es vergleichbare Haltungen der „Ureinwohner“ in beiden Fällen. Die Bevölkerung hat sich wenig aufgeschlossen gezeigt. Jede Gruppe blieb für sich. Diese Erfahrungen hätten ausreichen sollen, eine bessere Migrationspolitik (oder – überhaupt eine) zu machen. Stattdessen…

  2. Fakt ist auch, dass in Deutschland Fachkräfte fehlen

    Die üstra, der hannöversche Nahverkehrsbetreiber, hat für den neuen Fahrplan den Busverkehr um rd. fünf Prozent ausgedünnt. Nicht, weil die Busse nicht proppenvoll wären, sondern weil sie im Moment einfach keine Busfahrer haben. Und sie bilden sogar aus bei der üstra (was sehr selten bei Unternehmen geworden ist, die in jeder zweiten PResseerklärung über ihren »Fachkräftemangel« klagen), und vermutlich zahlen sie auch gar nicht so schlecht. Die üstra hat Interessierten sogar schon den Führerschein finanziert. Aber für ein nicht gerade bemerkenswert gutes Gehalt hat scheinbar niemand Lust darauf, in entsozialisierender Schichtarbeit (kein Sportverein mehr möglich, kein gemeinsames Musizieren mehr möglich, vieles Miteinander sehr erschwert, schon mittelfristig erhebliche gesundheitliche Nachteile) jeden Tag sechs- bis zwölfmal die gleiche Strecke über die Dörfer zu fahren, sich in Hannover mit großen Fahrzeugen durch den Stadtverkehr und seinen immer egoistischer und rücksichtsloser werdenden Teilnehmern zu wuseln und sich an den Wochenenden mit betrunkener und aggressiver Dorfjugend (ohne Migrationshintergrund) herumzuschlagen… und ich kann das völlig nachvollziehen. Wie es immer so schön heißt: Der Markt regelt das schon. Das gilt halt auch für den Arbeitsmarkt. Da kriegen die Wirtschaftsverbände halt mal ihre Marktpropaganda zurück, und es schmeckt ihnen gar nicht so gut.

    Meine Vermutung: Wenn es 6.000 Øre im Monat für einen Busfahrer gäbe (natürlich dazu noch die Zulagen für Schicht, Sonn- und Feiertag), gäbe es diesen »Fachkräftemangel« nicht. Aber so lange Kaufleute es irgendwie ungehörig finden, wenn produktiv arbeitende Menschen mehr als Kaufleute verdienen, wird es wohl nicht mehr so weit kommen.

    So lange an der Idee »Fachkräfte durch Zuwanderung« ebenfalls die Idee »billige Fachkräfte« und »Lohndumping« hängt, während die EU sich gerade erst Rumänien einverleibt hat und der Beitrittsprozess mit Albanien läuft – ältere Menschen werden mit sehnsuchtsvoll feuchten Augen auf eine Zeit zurückblicken, in der Portugal das Armenhaus der Europäischen Union war – soll niemand erwarten, dass diese Form der Zuwanderung von irgendeinem Einheimischen freudig begrüßt wird. Nicht einmal, wenn man hier als EU-Gegner gleich den Nazistempel draufgedrückt bekommt. Diese Lohndumping-Union mit ihrer Brüsseler Korruptokratie, die nur noch die Lieferung preiswerter und leicht austauschbarer Batterien für betriebliche Produktionsprozesse sichern soll, muss weg. Und zwar vollständig. Den Menschen zuliebe.

    Und ja, Islamofaschisten (sorry, ich habe für diese Leute kein schöneres Wort und bin froh, dass die meisten Muslime viel besser als ihre Religion sind) und ihre Mordanschläge sind ein anderes Problem. Aber sie machen das zuvor über fünfunddreißig Jahre geschaffene Problem, dass die EU ein Marktplatz, aber kein Platz für Menschen ist, nicht kleiner.

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